Alexander Hartung

Die Rache des Inquisitors


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gedenkt Ihr zu bleiben?«

      »Solange es notwendig ist.«

      »Ich verstehe nicht«, antwortete Friedrich unsicher.

      »Es wurden Anschuldigungen gegen Bürger dieses Dorfes erhoben«, erklärte der Priester scheinbar ungerührt. »Wir sind hier, um deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.«

      »Es muss sich um einen Irrtum handeln. Wer hat diese Anschuldigungen geäußert?«

      »Dazu kann ich nichts sagen.«

      »Wir sind ein ehrbares und gottesfürchtiges Dorf. Wir haben uns keiner Ketzerei schuldig gemacht.«

      »Das haben wir schon oft gehört.«

      »Ich verbürge mich mit meinem Leben für die Einwohner von Reheim.«

      »Das werdet Ihr in der Tat«, sagte daraufhin der ältere Mann. Der Prior erhob zum ersten Mal die Stimme und richtete seine trüben, grauen Augen auf den Stadtrat. »Schickt sofort Euren Pfarrer zu mir«, sprach er weiter. »Wenn wir Eure Hilfe brauchen, rufen wir nach Euch. Ansonsten möchten wir nicht weiter gestört werden.«

      Friedrich verneigte sich ein wenig unsicher und ging in Richtung Kirche davon.

      Thomas führte Baselius zum Wirtshaus. Anscheinend war Markttag, denn der kleine Platz war voller Stände. Er erblickte Fleisch, Wurst, Käse, eine Auslage mit Töpfen und einen Messerschleifer. Die Händler trugen alte Schürzen und zerschlissene Hosen. Wären sie nicht in das Habit der Dominikaner gekleidet gewesen, hätten die Männer und Frauen lautstark ihre Waren angepriesen, aber angesichts der Kirchenmänner waren ihre Gespräche verstummt. Alle Augen waren unsicher auf die beiden Inquisitoren gerichtet. Thomas ging unbeirrt weiter und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Wirtshaus. Ein verwittertes Schild mit einem Krug hing über der Tür. Es roch nach verbranntem Fett und altem Bier. Der Boden war mit Sägespänen ausgelegt, und der Rauch eines großen Kaminfeuers machte den Raum stickig.

      »Das Gebäude sieht nicht aus, als würde es über geräumige oder auch nur saubere Zimmer verfügen«, flüsterte der junge Priester Baselius zu. »Seid ihr sicher, dass ihr hier absteigen möchtet?«

      »Es wird meinen Ansprüchen genügen«, antwortete der ältere Mann und tätschelte die Hand von Thomas.

      Sie hatten den Marktplatz noch nicht ganz überquert, als ein dicker, älterer Mann mit einer schmutzigen Schürze aus dem Wirtshaus gelaufen kam. Seine Haare standen in fettigen Strähnen ab, und er trug einen ungepflegten Vollbart. Er hielt die Tür auf und verbeugte sich unterwürfig.

      »Willkommen im Schäumenden Krug, meine Herren, willkommen!«, sagte er und deutete in den Schankraum. »Darf ich Euch etwas zu essen reichen?«

      »Etwas Fleisch und Gemüse«, antwortete Thomas, ohne den Wirt eines Grußes zu würdigen. »Richtet bitte ein Zimmer für mich und den Prior her, und sorgt dafür, dass unsere Männer gut untergebracht sind. Über alles Weitere werden wir Euch unterrichten, wenn wir die Zeit für gekommen erachten.«

      Der Wirt verneigte sich wieder und ging in die Küche. Thomas führte den älteren Inquisitor zu einem Tisch in der Mitte und brachte ihm einen Stuhl. Dann setzte auch er sich und wartete auf das Essen.

      Der Wirt lief durch die Gaststube, so schnell es seine kurzen Beine erlaubten. Er herrschte eine ältere Frau an, sich mit dem Schneiden des Fleischs zu beeilen, während er einen Krug mit Wein abfüllte. Eilig polierte er noch zwei Tonbecher, bevor er diese zum Tisch trug und vor den beiden Inquisitoren abstellte.

      »Keinen Wein, Rainald«, sagte Thomas ungehalten und scheuchte den Mann mit einer schroffen Handbewegung weg. »Wir wollen nur etwas essen.«

      Der Wirt zog sich, eine Entschuldigung stammelnd, zurück. Dann hastete er in die Küche und half der Frau mit dem Essen.

      Baselius richtete seine Augen auf den jungen Pater. »Wart Ihr schon einmal in Reheim?«, fragte er interessiert.

      »Nein«, antwortete Thomas. »Wie kommt Ihr darauf?«

      »Ihr habt den Wirt mit seinem Namen angesprochen.«

      »Ich habe ihn aufgeschnappt, als wir hereingekommen sind«, antwortete Thomas.

      Baselius wollte darauf etwas erwidern, aber die Frau kam zum Tisch geeilt und stellte zwei große Teller mit Fleisch und einem großen Stück warmen Brotes ab. Als der Wirt noch eine Schüssel mit Gemüse brachte, unterbrachen die beiden Inquisitoren ihre Unterhaltung endgültig und begannen zu essen.

      Friedrich spürte noch immer die Angst, die ihn nach dem Gespräch mit den Dominikanern erfasst hatte. Eilig ging er die Straße zur Kirche entlang. Er brauchte den Rat von Vater Liborius. Der Pfarrer war schon viele Jahre sein geistlicher Beistand und ihm immer ein guter Freund gewesen.

      An der Kirche angekommen, hätte Friedrich vor Freude beinahe gejubelt, als er Vater Liborius auf dem kleinen Vorplatz erblickte. Er hatte eine alte braune Kutte übergezogen und fegte die Treppen vor dem Eingang. Als er Friedrich gewahr wurde, hielt er in seiner Arbeit inne und blickte den Stadtrat lächelnd an.

      »Vater Liborius«, sagte Friedrich außer Atem.

      »Was ist los?«, fragte Liborius besorgt. Sein Lächeln war einem ernsten Ausdruck gewichen. »Warum seid Ihr so in Eile?«

      »Die Inquisition ist in Reheim«, antwortete Friedrich, »und die Männer wollen Euch sofort sehen.«

      Vater Liborius hielt die Luft an. In seinem sonst so sanften und sicheren Blick zeigte sich Überraschung.

      »Habt Ihr eine Ahnung, was die Männer hier wollen?«, hakte Friedrich nach.

      »Nein«, sagte Liborius abwehrend. »Ich habe damit nichts zu tun«, stammelte er weiter. »Ich bin ebenso verwundert wie Ihr.«

      Für einen Moment hingen beide Männer schweigend ihren Gedanken nach.

      »Wir sollten die Inquisitoren nicht warten lassen«, drängte Friedrich. »Vielleicht erfahrt Ihr mehr über den Grund ihrer Anwesenheit.«

      »Wartet einen Moment«, sagte Liborius und ließ den Besen fallen. »Ich ziehe eine andere Kutte an. Dann können wir gehen.«

      Friedrich kam wieder zu Atem. Es hatte keinen Sinn, sich über die Anwesenheit der Dominikaner Sorgen zu machen. Sicher war alles nur ein Missverständnis, aber die Furcht, die ihn seit der Ankunft der Inquisitoren erfasst hatte, ließ ihn noch immer zittern.

      Nachdem sie von Agnes zurückgekommen war, hatte Klara ihre langen, blonden Haare aufgesteckt und ihren Korb genommen, um noch etwas Gemüse bei einem Bauern zu holen. Es dämmerte schon, als sie das Dorf erreichte. Auf dem Marktplatz hatten die Menschen kleine Gruppen gebildet und unterhielten sich leise flüsternd. Es war voller als an einem Markttag, doch die Stimmung war gedrückt und düster. Klara konnte kaum etwas verstehen, daher ging sie näher heran. Sie wollte gerade den Krämer des Dorfes ansprechen, als jemand ihren Arm ergriff und sie unsanft zur nächsten Ecke zog.

      »Lieber Himmel, was soll das denn jetzt?«, rief Klara erbost, während sie versuchte, sich aus dem Griff zu lösen. Im Zwielicht der Dämmerung erkannte sie Peter. Sie ließ sich noch ein paar Schritte mitziehen, bevor sie ungehalten stehen blieb.

      »Sei leise«, flüsterte Peter.

      »Was ist hier los?«, murmelte Klara. »Warum ziehst du mich in die Gasse wie einen gemeinen Räuber? Warum haben sich alle auf dem Marktplatz versammelt und zittern wie Schafe vor dem Wolf?«

      »Sprich nicht so laut und beruhige dich«, antwortete Peter. »Dann erzähle ich dir alles.«

      Ihre Neugier siegte, also atmete sie tief durch und strahlte Peter mit einem gezwungenen Lächeln erwartungsvoll an.

      »Schon besser. Setz dich hin«, sagte Peter und ließ sich auf einer Stufe nieder. Klara nahm neben ihm Platz.

      »Heute Mittag ist die Inquisition in Reheim angekommen.«

      »Die Inquisition?«, rief Klara und sprang wieder auf.

      »Zum