Dana Schwarz-Haderek

Equinox


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meinen Segen gegeben!«

      Ich grinste.

      Plötzlich klingelte mein Laptop. Ich erschrak.

      Daniel grinste mich an und sagte aufstehend: »Da kommt auch schon die Antwort auf deine Anfrage, Schwesterherz. Du hast einen Anruf. Ich gehe mal schauen, was so im TV läuft …«

      Er schloss die Tür diskret hinter sich.

      Mein Herz klopfte wie wild, als ich den Annahmebutton anklickte.

      Sofort baute sich ein Fenster auf und Robert erschien. Mein Herz vergaß weiterzuschlagen. Gebannt starrte ich auf den Bildschirm.

      »Hallo meine Schöne!«, Robert schaute mich vom Bildschirm warm lächelnd an, und mein Herzschlag setzte langsam wieder ein.

      »Robert!«, stieß ich hervor, völlig erstaunt, ihn so unerwartet zu sehen.

      »Du siehst aber überrascht aus!«, stellte er amüsiert fest.

      »Ja, stimmt. Ich habe gerade gar nicht damit gerechnet, dass du so schnell antworten würdest.« Ich verhaspelte mich fast vor Aufregung. Was erzählte ich hier eigentlich? Wozu hatten wir schließlich Skype installiert? Elisabeth! Sammle dich! Atme durch!

      »Hallo Robert!«, brachte ich schließlich doch hervor. Ich strahlte von einem Ohr zum anderen. Wer hätte gedacht, dass dieser Abend sich so unverhofft und wunderbar entwickeln würde.

      »Wie war dein Tag?«, fragte mich Robert lächelnd. Selbst die nicht ganz kontrastreiche Bildübertragung ließ seine wunderschönen grünen Augen blitzen. Mir nahm es fast den Atem, so schön war er anzusehen.

      ›Konzentriere dich!‹, wiederholte ich mantraartig und bemühte mich, ihm zu antworten.

      »Gut. Kristin und ich sind heute Mittag nach Hause gefahren und bleiben übers Wochenende.«

      »Aha, ich habe mich schon gewundert, wo du bist, denn dein Zimmer in Leipzig hatte ich irgendwie anders in Erinnerung … ziemlich ungewöhnlich dekoriert, die Wand hinter dir, zumindest für eine junge Frau …« Robert schaute mich belustigt fragend an.

      Ich drehte mich um, nicht wissend, worauf er sich bezog. Ach richtig, ich war ja in Daniels Zimmer. Dank Robert hatte ich die Welt um mich herum schon wieder völlig ausgeblendet.

      »Ich bin im Zimmer meines Bruders. Er hat meinen Laptop skypetauglich ausgerüstet. Ich würde mir eher keine Motorcross- und Ringerposter an die Wand hängen!«, erklärte ich schmunzelnd.

      »Da bin ich ja beruhigt«, sagte Robert spielerisch. »Das wäre nämlich enorm viel Arbeit, mir so ein breites Kreuz, wie bei dem Typ in den roten Hosen dort hinter dir zuzulegen, vor allem wenn dir das so gefallen würde, dass du sogar Poster von solchen Männern aufhängst.«

      »Vermutlich«, antwortete ich, mich noch einmal umsehend und fuhr neckend fort: »Du hast Glück, ich ziehe dich so vor, wie du bist.«

      »Hu! Wirklich Glück gehabt! Sag mal, hast du dir schon überlegt, wann du mich hier einmal besuchen kommen könntest?«, fragte er mich gespannt.

      »Ja, habe ich. Ich denke, ich werde das Wochenende um den Reformationstag bzw. Allerheiligen nehmen. Der Reformationstag ist ein Feiertag und fällt in diesem Jahr auf einen Mittwoch. Viele meiner Dozenten kommen aus Bayern und Baden Württemberg, Die wollen wohl lieber an Allerheiligen daheim sein, und viele Veranstaltungen fallen dadurch aus. Es bleiben noch zwei Vorlesungen am Donnerstag und Freitag übrig, die ich einfach mal sausen lassen könnte. Das fällt sowieso nicht auf, weil es in diesen beiden Vorlesungen keine Anwesenheitspflicht gibt. Ich könnte also Mittwochnachmittag schon fliegen, käme aber erst ziemlich spät in London an und weiß noch nicht so recht, wie ich von dort aus weiter komme. Aber so hätten wir den ganzen Donnerstag schon für uns. Was hältst du davon?«

      »Das klingt super!«, antwortete Robert enthusiastisch. »Und du brauchst dir keine Gedanken machen, wie du aus London wegkommst. Ich hole dich natürlich vom Flughafen ab. Wir werden zwar etwa vier Stunden nach Plymouth benötigen, aber können auf der Fahrt wenigstens auch schon zusammen sein.«

      Robert schaute mich erwartungsvoll an.

      Ich freute mich über seinen Vorschlag und nickte: »Ja, so machen wir es! … aber ist das nicht ein bisschen viel, also ich meine, acht Stunden Fahrt?«

      »Ach, mach dir darüber keine Sorgen. Autofahren finde ich nicht anstrengend und außerdem fahre ich ja nicht acht Stunden am Stück. Ich habe ja auch eine Pause am Flughafen«, antwortete er unbekümmert.

      »Wie läuft dein Versuchsaufbau?«, fragte ich Robert.

      »Alles ist prima. Wir sind fertig und können ab Montag in die eigentliche Testphase starten. Das wird spannend, denn dieses Mal sind die Probanden Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren.«

      »Das läuft sicher ganz unkompliziert. Ihr habt eure Testreihe doch bestimmt spielerisch verpackt?«

      Robert nickte zustimmend.

      »Siehst du. Da werden die Kinder Feuer und Flamme sein. Was untersucht ihr eigentlich?«

      »Wir wollen herausfinden, unter welchen Umständen Kinder fremde Grammatikstrukturen intuitiv verstehen und eigene Muster entwickeln. Wir haben dafür extra Englisch ausgesucht, weil hier durch die Sprachentwicklung im Laufe der Jahrhunderte einiges an Grammatik, zum Beispiel die Konjugation von Verben und Deklination von Personalpronomen, verloren gegangen oder vereinfacht worden ist. Wir konfrontieren die Kinder mit der Sprache aus Shakespeares Zeit und lassen sie mit einer Art computergesteuertem Memory Bedeutungszuordnungen zum heutigen Englisch vornehmen. Dafür haben unsere Computerspezialisten in Leipzig ein Spiel entwickelt, das imaginäre Szenen an einem Königshof nachstellt und dadurch versucht, die Kinder zu motivieren. Sie merken eigentlich gar nicht, dass sie es mit Grammatik zu tun haben. Die Kinder müssen dafür aber schon sicher lesen können und sollten außerdem bisher noch keine größeren Berührungspunkte mit dem Englisch des vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts gehabt haben. Deshalb die eingeschränkte Altersgruppe. Mal sehen, ob es funktioniert und wir einige interessante Ergebnisse erlangen können.«

      »Wow, das klingt wirklich megainteressant!«

      »Mmmh, aber nun mal mit der Arbeit beiseite. Was wirst du heute noch tun? Gehst du aus?«, fragte Robert etwas schmallippig. Was war ihm denn gerade Unangenehmes widerfahren? Ich versuchte kurz unser bisheriges Gespräch zu reflektieren, konnte aber kein Indiz für seine Stimmungsänderung entdecken.

      »Nein, ich bleibe zu Hause und werde den Abend mit meiner Familie verbringen«, antwortete ich verwundert. Ich war eigentlich kein großer Partygänger, ganz im Gegenteil zu Kristin, die sich bestimmt nebenan gerade in Schale schmiss.

      »Und morgen?«, Robert wirkte immer noch seltsam angespannt.

      »Ich habe noch nichts Bestimmtes vor. Mal sehen, was sich so ergibt«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Warum benahm er sich plötzlich so eigentümlich?

      »Wirst du niemanden treffen oder irgendwohin gehen?«, bohrte Robert nach.

      War er etwa eifersüchtig?

      »Nein, ich denke nicht. Ich weiß noch nicht. Ich habe jedenfalls nichts geplant … warum ist das so wichtig für dich?«, fragte ich ihn nun unverblümt.

      »Es macht mich verrückt, so weit entfernt von dir zu sein und zu wissen, dass ich nichts tun könnte, wenn dir plötzlich ein attraktiver junger Mann über den Weg liefe, der Zeit für dich hätte und nicht gleich für zwei Monate verschwindet, nachdem er sich flüchtig vorgestellt hat …«, knurrte er leise.

      Oh, Robert war eifersüchtig. Aber warum? Und vor allem, auf wen? Es war zwar völlig unsinnig, dass er so fühlte, aber seine Sorge gefiel mir trotzdem. Es zeigte mir doch deutlich, dass sein Herz tatsächlich mir gehörte. Ich jubelte innerlich einmal kurz beseelt, ehe ich ihm antwortete: »Bisher war ich auch recht immun gegen die Verlockungen der Männerwelt, vor allem hier zu Hause, wo die Auswahl an Neuzugängen im Allgemeinen gegen Null tendiert. Also mach dir mal keine Sorgen!«

      »Hmpf!«