in der Mitte eine Blindtür mit der Nachahmung von Bronzebeschlägen. Bemerkenswert ist das Relief in der Vorhalle, das Bellerophon auf dem Flügelpferd Pegasos und mit einem Hund auf der Jagd nach einem Panther (oder Leoparden) zeigt, die Hand zum Stoß mit der wohl nur farbig gezeichneten Lanze erhoben. Wen die Abbildung eines Panthers in Lykien verwundert, der sei daran erinnert, dass M. Tullius Cicero während seiner kilikischen Statthalterschaft für Tierhetzen in Rom einige Panther in den lykischen Wäldern fangen ließ und diese Tiere dort bis in den Beginn des 20. Jhs. heimisch waren (vgl. S. 107).
Dieses Relief ist neben dem Relief von Trysa eine der wenigen Darstellungen des mythischen Helden Bellerophon in der Landschaft, in der er im Auftrag des in Xanthos residierenden Iobates seine Heldentaten vollbracht hat (u. a. die Vernichtung des Ungeheuers Chimaira) und in der sein Mythos gewissermaßen zu Hause ist. So schenkte Bellerophons Tochter Laodamneia dem Zeus einen Sohn, den göttergleichen Sarpedon, der ebenfalls in Xanthos herrschte und als troianischer Verbündeter von der Hand des Patroklos vor den Mauern von Troia den Tod fand. Von daher wird verständlich, dass die Herren von Tlos gleich den Dynasten von Xanthos und Trysa ihre Abstammung auf Bellerophon zurückführten.
Nach diesem etwas anstrengenden Abstecher in die Felsnekropole kommt man auf leichten Wegen in das kaiserzeitliche Stadtzentrum, dessen Straßen und Plätze, ja sogar die Innenräume der größeren Gebäude bis zum Beginn der Ausgrabungen im Jahre 2005 durch Archäologen der Akdeniz Universität in Antalya landwirtschaftlich genutzt wurden. Heute haben sie, von alten Bäumen und dichtem Dickicht befreit, leider etwas von ihrem naturbelassenen Charme verloren. Freigelegt wurden das Stadion, die Markthalle und die Orchestra des Theaters, die man von den verstürzten Blöcken des Bühnenhauses befreit hat. Heute stehen dort sauber aufgereiht große Quader mit Girlanden und Masken, Säulentrommeln und Kapitelle sowie Ehren- und Stiftungsinschriften. Aus einer Inschrift wird deutlich, dass nicht nur vermögende Sponsoren wie Opramoas von Rhodiapolis, der laut seiner Stiftungsinschrift 60.000 Denare „für den Bau des Theaters und die Exedra in den Thermen“ gespendet hat, zum Glanz dieses Bauwerkes beigetragen haben, sondern dass überhaupt die Spendenbereitschaft der Bürger recht groß war. Die genannten Summen reichen von bescheidenen 100 Denaren bis zu 3.000 Denaren, mit denen sich ein Dionysospriester in die Spendenliste eintrug.
Südlich vom Theater erreicht man vorbei an der Kirchenruine und dem Trümmerhaufen des Kronostempels über die erst teilweise ausgegrabene Agora, die nach den herzförmigen Ecksäulen etwa 80 × 80 m maß, die „Großen Thermen“. Dort bietet sich zum Abschluss der kleinen Wanderung durch Tlos noch einmal die Gelegenheit, durch eine großartige Apside mit sieben Arkadenfenstern – wohl die von Opramoas finanzierte Exedra der Thermen – den herrlichen Blick über das fruchtbare Tal des Xanthos zu genießen (Abb. 14).
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Literatur
Marksteiner, Lykien 56 – 61; Bruns-Özgan, Lykische Grabreliefs 158 – 160. 232 – 235; W. W. Wurster, Antike Siedlungen in Lykien, Arch. Anzeiger 91 (1976) 23 – 49.
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Pinara liegt 2 km oberhalb von Minare Köyü, einem wohlhabenden Dorf mit ziegelgedeckten Häusern, in der faszinierenden Berglandschaft des Küstengebirges, die geprägt ist von schroffen Felsen und steilen Klüften. Das hat dazu geführt, dass diese sehenswerte Ruinenstätte, die noch im Einklang mit der Natur steht, nur durch schmale Pfade erschlossen ist und bisher keine Ausgrabung erlebt hat, eine der schönsten antiken Städte Lykiens ist.
Pinara – Felsgräber in schwindelerregender Höhe
Lykien
Der Historiker Menekrates von Xanthos berichtet, dass Pinara eine Gründung von Siedlern aus Xanthos sei, und in der Tat belegen Inschriften des frühen 4. Jhs. v. Chr. sehr enge Beziehungen zwischen beiden Städten. Im Jahre 334 v. Chr. gehörte die Stadt zusammen mit Xanthos und Patara zu den wichtigsten lykischen Eroberungen Alexanders des Großen, wobei Arrian besonders betont, dass die Stadt sich kampflos ergeben habe. In hellenistischer und römischer Zeit nicht so bedeutend wie die Rivalin Tlos zählte sie doch zu den sechs wichtigsten Städten des Lykischen Bundes mit dreifachem Stimmrecht. Aber schon in römischer Zeit gereichte der Stadt ihre abgelegene Lage mehr und mehr zum Nachteil für ihre wirtschaftliche Entwicklung; die weiter geschwundene Bedeutung in byzantinischer Zeit lässt sich an der Verkleinerung des Stadtgebietes ablesen. Im Mittelalter wurde Pinara durch ein Erdbeben vermutlich weitgehend zerstört und von seinen letzten Bewohnern verlassen, die in die Ebene zu ihren Feldern zogen.
Akropolis
Die steil aufragende Felswand des Burgberges, die von zahlreichen schlichten Felskammergräbern wabenartig durchlöchert ist, weist schon aus der Ferne den Weg nach Pinara (Abb. 15). Es ist eine atemberaubende Vorstellung, wie die Handwerker zum Ausschlagen dieser Grabkammern auf Arbeitsbühnen an Stricken vom Gipfelplateau herabgelassen wurden oder im unteren Teil, aber immer noch in schwindelerregender Höhe mit zusammengebundenen langen Leitern ihren Arbeitsplatz zu erreichen suchten. Plinius vermittelt davon einen realistischen Eindruck, denn der von ihm überlieferte Augenzeugenbericht bezeichnet die Steinmetzen als „Vogelmenschen“, die nach der erfolgten Beisetzung noch vorgefertigte Fassaden aus Holz oder Stein in die Graböffnungen einsetzten. Die abgerundete Form des Burgberges gab der Stadt vielleicht ihren Namen, denn pinara bedeutet auf lykisch „rund“. Das wasserlose Plateau dieses Felsens war wohl nie dauerhaft besiedelt, sondern hat zu allen Zeiten nur als Fluchtburg gedient.
Rundgang
Die Zufahrt nach Pinara endet bei der Quelle an einem Parkplatz, an dem der bekçi oder auch Jungen aus dem Dorf als Führer bereitstehen. Es empfiehlt sich unbedingt, die angebotene Hilfe anzunehmen, denn das antike Stadtgebiet, das sich auf die Terrasse und die Senke am Fuß der Oberburg erstreckt und durch den Unterburgfelsen geschützt wird, ist recht unübersichtlich und stellenweise stark überwuchert. Leicht kann man den richtigen Weg und somit das eine oder andere wichtige Monument verfehlen.
Beim Aufstieg trifft man als erstes auf das „Fürstengrab“, ein schönes Felsgrab mit einer ionischen Tempelfront, dessen Fassade in der Form einer offenen hölzernen Vorhalle gestaltet ist und an dessen Grabtür Nachbildungen von Nägeln und Bronzebeschlägen zu erkennen sind. Auf dem Architrav treibt ein Reiter mit drei Fußsoldaten eine Gruppe von Gefangenen vor sich her; im Giebel sehen wir den Grabherrn, der mit einer Buchrolle auf den Knien an einem Tisch sitzt. Offensichtlich legte der Verstorbene großen Wert darauf, nicht nur seine militärischen Tugenden, sondern auch seine hochstehende Bildung gebührend hervorzuheben. Von ganz besonderem Interesse sind auch die vier Reliefs an den Seitenwänden der Vorhalle, die in je zwei Feldern übereinander in einem bergigen Gelände verschiedene lykische Stadtansichten mit zinnenbewehrten Mauern und Türmen, Häusern mit Kassettenfronten und Sarkophagen abbilden, die innerhalb der Stadtmauer stehen. Der strenge architektonische Charakter dieser Stadtbilder wird durch einzelne Figuren aufgelockert, so durch einen Torwächter und einen Mann im Gespräch mit zwei Knaben.
Abb. 15 Pinara, Akropolisfelsen mit Felsgräbern.
Wie weitere Stadtansichten aus Telmessos, Tlos, Xanthos, Trysa und Limyra zeigen, waren solche Stadtreliefs ein beliebtes Motiv in der lykischen Kunst. Allerdings lässt sich nicht klären, ob es sich um eine oder mehrere Städte aus dem Herrschaftsbereich des hier bestatteten Fürsten handelt. Oder sind diese Bilder freie künstlerische Darstellungen, mit denen die lykischen Dynasten ihre Gräber ausschmückten? In diesem Zusammenhang ist ein Gedanke von Christine Bruns-Özgan interessant, die einen Zusammenhang zwischen den Stadtbildern in der Vorhalle und der Fortführung der Gefangenen auf dem Architrav sieht. Danach könnte es sich um die Eroberung einer Stadt und die Gefangennahme ihrer Verteidiger handeln, ein Kontext, der auf den Reliefs vom Nereidenmonument in Xanthos gesichert