deportiert, worunter sich auch viele französische Juden befanden. Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden 6000 Juden aus Baden und der Saarpfalz gleichfalls nach Vichy-Frankreich deportiert, die im französischen Lager Gurs interniert wurden. Anfang des Jahres 1941 fanden weitere Deportationen in die polnischen Ostgebiete statt, unter den Betroffenen befanden sich 5000 Juden aus Wien sowie 4000 Juden aus den annektierten polnischen Gebieten. Die Planung des Überfalls auf die Sowjetunion stoppte vorerst die Deportationen aus logistischen wie militärischen Gründen.
Für die Forschung mag es unbefriedigend sein, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nie einen schriftlichen Befehl Hitlers zur Ermordung der europäischen Juden gab oder aber dieser vernichtet wurde beziehungsweise in Archiven unauffindbar blieb. Die Geschichtswissenschaft muss die Existenz einer gewissen »Blaupause« hinnehmen, welche die Frage offenlässt, wann und wie genau der Beschluss gefasst wurde, die Ermordung von Millionen europäischer Juden als »finales Konzept« diverser Planungen zu beschreiten. Bis heute wird über den genauen Zeitpunkt eines mündlich erfolgten »Führerbefehls« unter Historikern gestritten. Gemäß klassischer Studien der Shoah-Forschung soll ein mündlicher »Führerbefehl« bereits im Frühjahr oder aber im Frühsommer 1941 unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion erfolgt sein. Jüngere Studien verkoppeln die Beschlussfassung bezüglich der Ermordung der europäischen Juden nicht wie in älteren Studien mit der »Siegeseuphorie« (Juli 1941), sondern mit der Stagnation des Ostfeldzugs. Diesbezügliche Arbeiten gehen davon aus, dass ein »Sibirien-Plan« ähnlich wie der »Madagaskar-Plan« als territoriales Konzept ernsthaft verfolgt wurde (»Abschiebung in den Osten«), dieser jedoch scheiterte als deutlich wurde, dass der Vormarsch der deutschen Wehrmacht ins Stocken geriet und ein naher Sieg in weite Ferne rückte. Vertreter dieses Ansatzes benennen als Zeitpunkt einer Beschlussfassung über die Ermordung der europäischen Juden meist November 1941.
Als Ansatz existiert darüber hinaus die Position, dass der Entscheidungsprozess im engsten Kreis der Nazigrößen (Hitler, Göring, Himmler) ein zweiphasiger Vorgang war. Zunächst habe Einigkeit über die Ermordung der sowjetischen Juden bestanden. Der einsetzende Massenmord im Osten, der Siegesrausch in der Anfangsphase des »Unternehmens Barbarossa« wie die alsbald zur Verfügung stehende Technik in Gestalt des Zyklon B habe zu einer weiteren Radikalisierung des Mordplans geführt, der schließlich sämtliche europäische Juden innerhalb des deutschen Machtbereichs (»Endlösung«) umfasste. Eine zweistufige Entschlussfassung geht häufig mit der Ansicht einher, dass die Entscheidung für den Überfall auf die Sowjetunion das Votum für eine genozidale Elimination der sowjetischen Juden einschloss. Lege man eine entsprechende Planungsphase im Vorfeld des Überfalls auf die Sowjetunion zugrunde, so sei dieser »erste Genozid-Beschluss«, für den gleichfalls keine schriftlichen beziehungsweise eindeutigen Dokumente vorliegen, im Frühjahr 1941 erfolgt. Das Wirken der Einsatzgruppen im Osten als mobile Erschießungskommandos in den ersten Wochen des Kriegs, der von der deutschen Wehrmacht ausgegebene »Kommissarbefehl« vom 6. Juni 1941, der die Tötung von Politkommissaren der Roten Armee anordnete, sowie die zuvor getätigte Anweisung Hitlers an die Wehrmachtführung am 3. März 1941: »Die jüdisch-bolschewistische Intelligenz als bisheriger Unterdrücker muss beseitigt werden« verdeutlichten die Qualität des Eliminatorischen, die schon im Vorfeld des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion als »Führerwunsch« erkennbar gewesen sei. Mit den Anweisungen Hitlers für den geplanten Ostfeldzug habe die Eliminatorik die Grenze vom Vernichtungsgedanken zum genozidalen Massenmord überschritten. Zwar sei den Aussagen der Leiter der Einsatzgruppen in den Nachkriegsprozessen nicht zu trauen, gleichwohl sei es auffallend, dass die Mehrheit ausgesagt habe, ihnen sei bereits vor dem Überfall auf die Sowjetunion bei einer Einweisung in Berlin am 17. Juni oder bei einem Treffen kurz darauf der geheime Befehl zur Erschießung aller (sowjetischen) Juden mündlich erteilt worden. In einer schriftlichen Mitteilung Heydrichs vom 2. Juli 1941 sei zwar »lediglich« von der Exekution aller »Juden in Partei- und Staatsstellungen« die Rede, Heydrich habe jedoch die Mitteilung bereits im Juni 1941 vor den Einsatzgruppen- und Einsatzkommandoführern durch die Bemerkung, »dass das Ostjudentum das Reservoir des Bolschewismus sei, und deshalb nach Ansicht des Führers vernichtet werden müsse« interpretativ gerahmt. Der Hinweis darauf, dass in der Anfangsphase ein unterschiedliches Agieren der Einsatzgruppen festzustellen sei, stelle kein schlüssiges Gegenargument bezüglich des Vorliegens des »ersten Genozid-Beschlusses« im Frühjahr 1941 dar, insofern angesichts der Tragweite des Mordprogramms davon auszugehen sei, dass die einen eher, die anderen später begriffen, was von ihnen erwartet wurde. Während die einen anfänglich »nur« die jüdischen Männer im wehrfähigen Alter exekutierten, hätten die anderen bereits bei ihren ersten »Aktionen« Männer, Frauen und Kinder jeglichen Alters erschossen. Insofern sei zwar von der Sache her eine Radikalisierung bezüglich der Ermordung der sowjetischen Juden in den ersten Wochen des Vernichtungskriegs erfolgt, diese sei jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung zurückzuführen, sondern vielmehr dem Kommunikations- und Verständnisprozess geschuldet, der sich angesichts der singulären Ungeheuerlichkeit des Vorgangs gleichwohl recht rasch mit der Intention des Befehlsgebers gedeckt habe. Der Massenmord an den sowjetischen Juden seitens der Einsatzgruppen bilde dergestalt betrachtet die erste Phase der systematischen Ermordung der europäischen Juden, welche die zweite Phase »getriggert« habe, insofern mit dem Angriff auf die Sowjetunion alle Dämme gebrochen seien. Zweistufige Modelle gehen im Unterschied zu klassischen Shoah-Studien davon aus, dass der »erste Genozid-Beschluss«, sich »lediglich« auf die sowjetischen Juden bezog, während erst der »zweite Genozid-Beschluss« die Ermordung sämtlicher europäischer Juden innerhalb des deutschen Machtbereichs vorsah. Je nach Autor ist dieser dann im Juli 1941 oder erst im September 1941 erfolgt. Für Juli 1941 wird häufig das Ermächtigungsschreiben Görings für Heydrich vom 31. Juli 1941 als Beleg angeführt:
»In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlass vom 24.1.39 übertragenen Aufgabe, die Judenfrage in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigsten Lösung zuzuführen, beauftrage ich Sie hiermit, alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa. Sofern hierbei die Zuständigkeiten anderer Zentralinstanzen berührt werden, sind diese zu beteiligen. Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen.« (Klein 2000: 28)
Für Sommer 1941 wird ebenso der Sachverhalt benannt, dass Rudolf Höß (1900–1947), der erste Lagerkommandant von Auschwitz, angegeben habe, der Beschluss für die Ermordung der europäischen Juden sei im Juli 1941 gefasst worden. Bereits Anfang August habe Goebbels eine Unterredung mit Hitler wie folgt kommentiert:
»Wir reden auch über das Judenproblem. Der Führer ist der Überzeugung, dass seine damalige Prophezeiung im Reichstag, dass, wenn es dem Judentum gelänge, noch einmal einen Weltkrieg zu provozieren, er mit der Vernichtung der Juden enden würde, sich bestätigt. Sie bewahrheitet sich in diesen Wochen und Monaten mit einer fast unheimlich anmutenden Sicherheit.« (Goebbels, Bd. 4, 1992: 1658–1659)
Dokumente wiesen ferner darauf hin, dass bereits Ende Juli 1941 Victor Brack (1904–1948), der Organisator des Patientenmordes (»Euthanasie«) sowie der Mitverantwortliche für die Massenvergasung von Juden in den Vernichtungslagern, in die europaweite Mordabsicht eingeweiht gewesen sei. Kritische Auseinandersetzungen mit den Belegen, die bereits die klassische Shoah-Forschung aufführte, haben einige Historiker – unabhängig davon, ob sie ein Zweiphasenmodell vertreten oder nicht – zur Annahme bewogen, der Genozid-Beschluss bezüglich der europäischen Juden sei erst im September 1941 erfolgt. Hierfür wird u. a. der Sachverhalt benannt, dass Hitler noch im August 1941 trotz diverser lokaler Vorstöße die Deportation deutscher Juden blockierte und erst Mitte September erklärte, die deutschen Juden wie die Juden aus dem Protektorat seien unverzüglich abzuschieben. Angeführt wird ferner der Tatbestand, dass Massenerschießungen außerhalb der Sowjetunion wie in Serbien und Galizien erst im September einsetzten. Alle skizzierten Forschungsansätze stimmen indes dahingehend überein, dass die Monate zwischen März und November 1941 den entscheidenden Zeitraum bildeten und spätestens gegen Ende des Jahres 1941 im Kreis der engsten Führung Einigkeit über das europaweit dimensionierte Mordprogramm herrschte. Vor allem jüngere Studien zeichnen sich dadurch aus, dass sie den diesbezüglichen