Bernhard Hampp

Berlin erlesen!


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mal wieder

      Museum für Kommunikation Berlin

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      Museum für Kommunikation Berlin – Johannes Gutenbergs Handgießgerät für Lettern

      Steintafel oder Fernsprechapparat, Buch oder Smartphone: Seit sich Menschen miteinander verständigen, nutzen sie dafür Hilfsmittel. Einige haben für regelrechte Umwälzungen gesorgt. Den Weg von der Keilschrift bis in die heutige Zeit der digitalen Kommunikation zeigt das Museum für Kommunikation anhand dieser Gegenstände auf. In dem Neorenaissance-Bau, der 1898 für das Reichspostmuseum erschaffen wurde und nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und mehreren Umbauten heute wieder die Ehrwürde der Gründerzeit ausstrahlt, können Besucher auf Entdeckungsreise gehen. Entlang der Galerien rund um den Lichthof führen Exponate durch die Kommunikationsgeschichte.

      Weit zurück in die Vergangenheit weist der Gipsabguss einer Statue des Schreibers Henka. Das Original entstand um 2450 vor Christus im alten Ägypten. Aufgerichtet im Schneidersitz, auf seinen Knien den Papyrus ausgebreitet, blickt der hohe Beamte selbstbewusst. Er flößte seinen Zeitgenossen sicher Respekt ein, schließlich konnte er schreiben und damit über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg kommunizieren. Zu den Kleinodien des Museums gehört auch ein ägyptisches Papyrus-Fragment aus dem 3. Jahrhundert vor Christus – es war Bestandteil eines Kurstagebuches der ptolemäischen Staatspost. Fast zeitgleich mit den Hieroglyphen der Ägypter entstand im Vorderen Orient die Keilschrift. Das Museum besitzt eine sumerische Tafel mit diesen Schriftzeichen aus dem Jahr 2052 vor Christus im Original. Diese Verwaltungsurkunde über den Verkauf von Gerste stammt aus dem heutigen Südirak. Einfallsreich haben auch die antiken Spartaner kommuniziert, wie ein nachgebauter Stabbrief (Skytale) zeigt: Militärs codierten Botschaften, indem sie einen Lederriemen um einen Stab wickelten und dann längs beschrieben. Wer die Botschaft lesen wollte, musste den Riemen um einen Stab gleichen Durchmessers wickeln.

      Ein anderer Nachbau wirkt unscheinbar. Vor einem Buchstabensetzkasten steht ein wenige Zentimeter großes Metallwerkzeug mit Holzverkleidung. Doch sein Erfinder Johannes Gutenberg löste mit diesem Handgießgerät für bewegliche Bleilettern eine Revolution aus. Der Mainzer legte damit die Basis für die Massenproduktion von Büchern, Flugschriften, Zeitungen – und ermöglichte Information und Wissen für viel mehr Menschen. Ein früher Meister von Gutenbergs schwarzer Kunst, Lienhart Holl in Ulm, druckte 1482 den ersten Weltatlas nördlich der Alpen: Dieser baut auf der Cosmographia des Claudius Ptolemäus auf. Das wertvolle Buch gelangte 1895 in die Bestände des Berliner Reichspostmuseums.

      In einer Vitrine liegt ein Handbuch von 1729: Es gibt praktische Tipps für die Die vornemsten Europaeischen Reisen. Eine Landkarte von 1776 zeigt auf, wo im Kurfürstentum Brandenburg die Postkutschen verkehrten. Federn, Füllfederhalter und Kugelschreiber, mit denen Menschen über Jahrhunderte ihre Gedanken zu Papier brachten, zeigt eine Abteilung zur Schreibkultur. Auch eine Bleistift-Schärfmaschine von 1920 ist dort zu bestaunen. Je weiter Besucher die Ausstellung erkunden, desto technischer werden die präsentierten Geräte: Die Telegrafie revolutionierte im 19. Jahrhundert die Nachrichtenübermittlung. Zur gleichen Zeit erleichterten Schreibmaschinen das Verfassen von Briefen für jedermann. Ein Highlight ist der schlichte Telefonhörer aus dunklem Holz – der erste, der in deutschen Landen abgehoben wurde: 15 Jahre, nachdem der Deutsche Johann Philipp Reis in Frankfurt am Main ein frühes Telefon vorgestellt hatte, brachte der US-Amerikaner Alexander Graham Bell ein patentiertes Modell auf den Markt. Eines der ersten Paare von Bell-Telefonen weltweit landete 1877 in Berlin. Generalpostdirektor Heinrich von Stephan rief am 26. Oktober sogleich erfolgreich von seinem Büro im Generalpostamt – direkt neben dem heutigen Museum gelegen und im Krieg zerstört – das Haupttelegrafenamt in der Französischen Straße an. 1881 ging in Berlin das erste öffentliche Fernsprechnetz an den Start – samt Telefonbuch mit 200 Einträgen.

      Das Museum widmet Heinrich von Stephan eine eigene Gedenkecke. Der gebürtige Pommeraner hatte es vom Sohn eines Schneiders und einfachen Assistenten zum Generalpostmeister gebracht. Er glühte vor Begeisterung für die damals neuen Medien, erfand die Postkarte und den Begriff Fernsprecher. Stephan veranlasste auch, dass im 1874 fertiggestellten Generalpostamt ein erstes Postmuseum eingerichtet wurde. Ebenso, dass dieses später ein eigenes Gebäude erhielt.

      Im Zweiten Weltkrieg beschädigt, in der DDR zweckmäßig zum Postmuseum umgebaut, wurde das Haus nach der Wende im historischen Gewand wiederhergestellt: Die Glaskuppel, das weitläufige Treppenhaus, die Säulen, Bögen und Pfeiler, die Balkone mit geschmiedeten Geländern und die Marmorfußböden begeistern Besucher. Unter den Augen der zahllosen Statuen, die Wissenschaft und Handel, aber auch Berufe wie Postillion, Bootsmann und Telegrafist darstellen, spazieren Interessierte durch die Welt der Kommunikation. Vorbei an Postkutschen und Modellen von Postdampfern bis zur ersten Telefonzelle Berlins, die 1929 in Betrieb ging. Oder gleich zu den neuesten Errungenschaften des Computerzeitalters. Und dann geht es unter die Erde: Im abgedunkelten Licht der Museumsschatzkammer lagert ein besonderes Druckwerk. Die weltberühmte Blaue Mauritius von 1847 nebst ihrer roten Schwester. Von beiden Briefmarken wurden um 1847 nur je 500 Exemplare gedruckt. Die Rote Mauritius besitzt das Museum seit 1901, die Blaue erwarb es 1904. Daneben hat ein philatelistisches Kleinod aus deutschen Landen, der sogenannte Eichstättbrief – er ist gleich sechsmal mit der seltenen bayerischen 1-Kreuzer-Marke frankiert –, seinen Ehrenplatz bekommen.

      Natürlich verfügt das Museum auch über eine standesgemäße Bibliothek. Wer Fragen zur Post- und Telekommunikationsgeschichte, Telegrafie oder Briefmarkenkunde hat, kann hier in einer Fülle von Spezialliteratur nachschlagen. Wer stand im ersten Berliner Telefonbuch? Wo wechselte Johann von Goethe in Schlesien die Pferde? Wie viel bezahlte Konrad Adenauer für ein Telegramm? Selbst das Drehteam der Krimiserie Babylon Berlin machte sich hier schlau. Verbunden mit dem Berliner Museum für Kommunikation ist das gleichnamige Haus in Frankfurt am Main – beide Museen tauschen sich regelmäßig aus.

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      Museum für Kommunikation Berlin

      Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt

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      E.T.A.-Hoffmann-Skulptur am Gendarmenmarkt

      »

      Der Spätherbst in Berlin hat gewöhnlich noch einige schöne Tage. Die Sonne tritt freundlich aus dem Gewölk hervor, und schnell verdampft die Nässe in der lauen Luft, welche durch die Straßen weht. Dann sieht man eine lange Reihe, buntgemischt – Elegants, Bürger mit der Hausfrau und den lieben Kleinen in Sonntagskleidern, Geistliche, Jüdinnen, Referendare, Freudenmädchen, Professoren, Putzmacherinnen, Tänzer, Offiziere u.s.w. durch die Linden, nach dem Thiergarten ziehen.«

      So beginnt E. T. A. Hoffmanns erste veröffentlichte Novelle Ritter Gluck. Eine Erinnerung aus dem Jahr 1809. Darin begegnet der Ich-Erzähler im Berliner Tiergarten einer seltsamen Gestalt, die sich schließlich als der verstorbene Komponist Christoph Willibald Gluck vorstellt – ist es sein Geist oder ein Verrückter? Der Schriftsteller, Musiker und Zeichner Hoffmann machte Berlin, wo er in drei Phasen seines Lebens selbst wohnte, zum Schauplatz vieler Erzählungen. Fast immer aber verfremden seine Geschichten die Stadt und ihre Menschen, karikieren sie, steigern sie ins Fantasievolle und Groteske. Fantasie und Grusel, Mystisches, Ironisches, Doppelbödiges und psychologisch Vertracktes, Angst, Rausch und Wahn machen die Faszination von Hoffmanns Prosa aus. Nachtgestalten wie der ekelhafte Advokat Coppelius, das rachsüchtige Äpfelweib und der mörderische Mönch Medardus bevölkern in seinen Geschichten vordergründig alltägliche Städte.

      E. T. A. Hoffmanns Berlin, das war der Gendarmenmarkt. In dessen Umgebung erinnern heute noch zahlreiche Stätten an den Dichter. Nachdem der studierte Jurist in seiner Heimatstadt Königsberg das zweite Staatsexamen abgelegt hatte, bewarb er sich erfolgreich am Berliner Kammergericht. Von 1798 bis 1800 bekleidete er eine Stelle als Referendar und bestand schließlich das dritte Staatsexamen. Das Gericht tagte damals in der