Claudia Rimkus

Uhlenbrock


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andere Antwort als vor ein paar Tagen: Aus ermittlungstaktischen Gründen geben wir keine weiteren Infos raus.«

      Dicht vor ihr blieb er stehen.

      »Bist du auf Krawall gebürstet? Mensch, Mädchen, mach dich mal locker.«

      Er sah wie meistens ziemlich heruntergekommen aus, hatte wie immer keine Zeit mit seinem Rasierer verschwendet und stank wie gewöhnlich nach einem übervollen Aschenbecher.

      »Das fällt mir in deiner charmanten Gegenwart schwer«, parierte sie und trat einen Schritt zur Seite. »Also sag, was du willst – und dann verschwinde.«

      Er zog ein schmuddeliges Taschentuch hervor und schnäuzte sich geräuschvoll. Seine Nase war genauso gerötet wie seine Augen.

      »Ich muss mit deinem Boss sprechen.«

      »Keine Chance. Geh nach Hause ins Bett, bevor deine Bazillen anfangen, sich hier heimisch zu fühlen.«

      Er grinste und zeigte dabei eine Reihe nikotinverfärbter Zähne.

      »Was glaubst du, wo ich alter, kranker Mann bis vor ’ner Stunde war? Ich habe mich nur hergeschleppt, um euch zu helfen.«

      Pia wechselte einen kurzen, bedeutungsschwangeren Blick mit ihrem Kollegen und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Ich höre.«

      »Ich will mit Bremer reden.«

      »Der hat keine Zeit.«

      »Die wird er sich nehmen, wenn er hört, dass der Killer Kontakt zu mir aufgenommen hat.«

      Eindringlich forschte die Kommissarin in seinem zerknitterten Gesicht. Wollte der Typ sie auf den Arm nehmen?

      »Wenn das ein Vorwand ist, um …«

      »Ich kann meine Infos gern der Presse anbieten, aber ich will keinen Ärger mit der Staatsanwältin. Die hat mich sowieso aufm Kieker.«

      »Also gut«, entschied Pia, wandte sich um und gab ihm dabei ein Zeichen, ihr zu folgen. »Komm mit.«

      Aus Rücksicht auf ihren empfindlichen Geruchssinn nahm Pia statt des Lifts die Treppe. Mit einem Seufzer folgte Plaschke der Kommissarin. Während sie leichtfüßig die Stufen hinauflief, zog er sich schnaufend am Geländer hoch. Als er schwer atmend oben ankam, erwartete sie ihn mit spöttischem Lächeln.

      »Du solltest weniger rauchen und saufen.«

      Da er nach Luft schnappte, fiel seine Antwort unverständlich aus.

      Auf dem Flur deutete Pia im Vorbeigehen auf die Besucherstühle an der Wand.

      »Warte hier.«

      Sie wandte sich nach rechts, klopfte kurz an die Tür ihres Chefs und trat ein.

      In der Hoffnung, etwas zu entdecken, was sie womöglich übersehen hatten, hatte sich ihr Vorgesetzter über einen Tisch mit Detailaufnahmen von den Leichenfundorten gebeugt.

      »Du hast Besuch, Hannes. Draußen sitzt BP.«

      Ein vorwurfsvoller Blick traf sie.

      »Das ist nicht dein Ernst.«

      »Er sagt, der Mörder hätte ihn kontaktiert.«

      »Ist das seine neuste Masche, um an Infos zu kommen?«

      »Angeblich hat er wirklich was für uns.«

      »Hast du das überprüft?«

      »Er will nur mit dir reden.«

      »Bleibt mir denn nichts erspart?«

      Mit einem unterdrückten Stöhnen richtete sich der fast zwei Meter große Hauptkommissar auf und drückte den Rücken durch. Mit langen Schritten ging er zur Tür und öffnete sie.

      Der Reporter saß breitbeinig auf dem mittleren von insgesamt fünf Stühlen. Abwartend blieb Hannes vor ihm stehen.

      »Seit wann kommst du mit Neuigkeiten zu uns, BP?«

      »Seit dieser geniale Täter erkannt hat, dass ich der Beste für diesen Job bin.«

      »Für welchen Job?«

      »Für die Berichterstattung über ihn.«

      Zweifelnd runzelte Hannes die Stirn. Ihm war anzusehen, dass es ihm schwerfiel, dem Mann zu glauben.

      »Der Killer hat sich bei dir gemeldet?«

      »Müssen wir aufm Flur darüber reden?«

      Einen Moment lang zögerte der Ermittler. In seinem Arbeitszimmer war alles sichtbar, was die beiden Morde betraf. Das wäre ein gefundenes Fressen für den Reporter.

      Unterdessen hatte Pia einladend die Tür zum Büro geöffnet, das sie mit ihrem jüngeren Kollegen teilte. Hannes warf seiner Kommissarin einen zustimmenden Blick zu und gab Plaschke einen Wink.

      Überrascht schaute Martin Drews von der vor ihm liegenden Akte auf, als Pia ohne Erklärung an die große Scheibe trat, durch die man ins Chefzimmer schauen konnte, und die Jalousie herunterließ. Beim Eintreten des Reporters verstand der Kommissar und verdrehte die Augen.

      »Wir stören nicht lange«, wandte sich Hannes an ihn und schob Plaschke zu einem Stuhl. Er selbst setzte sich auf die Schreibtischkante, Pia lehnte sich an ein Aktenregal. Aller Blicke richteten sich auf den Reporter, der es sichtlich genoss, im Mittelpunkt zu stehen.

      »Spuck’s aus«, forderte Hannes ihn auf. »Wir haben nicht ewig Zeit.«

      »Krieg ich ’n Kaffee?«

      »Treib es nicht zu weit.« Trotz dieser Warnung nahm er Blickkontakt zu Pia auf, die sich in Richtung des niedrigen Aktenschranks in Bewegung setzte, auf dem die Warmhaltekanne stand. Während sie einen bunten Keramikbecher einschenkte, fixierte der Hauptkommissar den Reporter scharf.

      »Also: Schieß los.«

      »In meinem Briefkasten lag heute ’n brauner Umschlag. Da waren Fotos drin – und ’n Brief.«

      Mit fordernder Geste streckte Hannes die Hand aus.

      Umständlich zog Plaschke den Reißverschluss seiner Jacke auf und fischte den Umschlag aus der Innentasche. Unterdessen hatte sich Martin Einmalhandschuhe übergestreift. Er nahm das Kuvert an sich, drückte es an den Längsseiten etwas zusammen und ließ den Inhalt auf seine Schreibtischplatte gleiten. Den Briefumschlag verwahrte er in einer Plastiktüte zur Beweismittelsicherung.

      Er wusste, dass der Reporter vor etwa zwei Jahren buchstäblich über eine Leiche gestolpert war. Damals hatte er Gegenstände am Tatort angefasst und mit seinen Spuren kontaminiert. Der Chef der Kriminaltechnik hatte heftig geflucht und Plaschke ins Präsidium zitiert, um Finger- und Handabdrücke abzunehmen, damit man über das Ausschlussverfahren ermittlungsrelevante Spuren herausfiltern konnte. Da für eine Speicherung keine Rechtsgrundlage existierte und aus Gründen des Datenschutzes durften damals die Abdrücke des Reporters nicht gespeichert werden. Er würde sie ein weiteres Mal abgeben müssen.

      »Hat das außer dir jemand angefasst?«

      Plaschke zog die Nase hoch und schüttelte den Kopf. Dankbar nahm er den Kaffeebecher von Pia entgegen. Dabei fiel ihr Blick auf die beiden gelb-braun verfärbten Finger seiner rechten Hand. Das verdankte er den selbstgedrehten filterlosen Glimmstängeln, ohne die er selten anzutreffen war. Es passte zu seiner ungepflegten Erscheinung.

      Die Polizistin konzentrierte sich auf den Inhalt des Umschlags, den Martin ausgebreitet hatte. Je zwei Fotos lagen, den jeweiligen Opfern zugeordnet, auf dem Schreibtisch. Das Ermittlungsteam stellte schnell fest, dass es sich um Momentaufnahmen des Entsetzens, immenser Schmerzen und Todesangst handelte. Die schreckensgeweiteten Augen der Opfer dokumentierten wahrscheinlich die letzten Lebensminuten der Ermordeten.

      Pia griff nach dem bedruckten Papier, das Martin in eine Klarsichthülle gesteckt hatte, um eventuelle Spuren nicht zu verwischen. Hannes bat seine Kollegin, den Text vorzulesen.

      »Ich habe Sie ausgewählt, weil wir uns ähnlich