kleinen Teddy aus, den er Charlotte mit großer Geste reichte.
»Pech im Spiel«, flüsterte er ihr dabei zu, »aber unglaublich viel Glück in der Liebe.«
Sie lächelte nur und ließ den Kuschelbären in ihrer Umhängetasche verschwinden, während sie Blickkontakt zu Anneliese aufnahm. Die Freundin hatte eine Schießbude entdeckt und deutete mit dem Kopf hinüber. Charlotte zwinkerte ihr unmerklich zu und ging ein paar Schritte voraus. Die anderen folgten ihr.
»Kompanie halt!« Sie schaute Albert an und salutierte schneidig. »Zeit für Ihre Schießübung, Herr General!«
Würdevoll nickte ihr der aristokratisch wirkende Rollifahrer zu.
»Wegtreten, Rekrut Stern!«
Über seine Schulter gab er Elisabeth ein Zeichen, ihn näher an die Schießbude zu schieben. Er ließ sich vom Schausteller eine Flinte geben und begutachtete sie.
»Das Ding stammt ja aus der Zeit, als das Schießpulver noch gar nicht erfunden war«, monierte er und verlangte ein neueres. Der Budenbesitzer sog scharf die Luft ein und übergab ihm eine andere Büchse. Diese inspizierte Albert genauso gründlich und schien einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis zu sein.
»Schon besser«, brummte er und stemmte sich aus dem Rollstuhl. Er legte das Gewehr an und konzentrierte sich kurz. Den ersten Schuss feuerte er ab, um zu testen, wie die Waffe reagierte.
»Die Justierung scheint in Ordnung zu sein.«
Abermals legte er an. Unter den gespannten Blicken der Freunde visierte er das untere Drittel der Plastikhalterung an, in der eine Rose steckte. Nach zwei Schüssen fiel die Blume. Bei den nächsten beiden Rosen benötigte er nur jeweils einen Schuss.
Der Schausteller legte die Plastikblumen vor ihn auf die Ablage. Albert zückte seine Geldbörse und bezahlte. Die rote Rose überreichte er Charlotte, die gelbe bekam Elli und die orangefarbene schenkte er Anneliese. Gut gelaunt setzte er sich in seinen Rolli.
»Sind die Golden Girls nun zufrieden?«
Charlotte legte die Hand auf seine Schulter.
»Und tief beeindruckt.«
Sie zogen weiter und blieben schließlich an einer Süßwarenbude stehen. Dort gab es Zuckerwatte, Schaumküsse, Waffeln und andere Kalorienbomben. Philipp deutete auf die reiche Auswahl, bevor er Charlotte erwartungsvoll anschaute.
»Wie wäre es mit einem Liebesapfel?«
»Das kann ich meinen Zähnen nicht antun.«
Diese Begründung akzeptierte er, ging näher an den Verkaufsstand und flüsterte mit der Verkäuferin. Zielsicher fasste sie nach den Lebkuchenherzen und fischte eins aus einem der Bündel, die an einer Stange der Bude baumelten. Während Conrad die Herzen sichtete, trat Philipp mit seiner Errungenschaft zu Charlotte und hängte ihr das Lebkuchenherz um. In weißer Zuckerschrift stand darauf, von kleinen roten Herzchen umrahmt: ›Du bist mein Stern‹. Sie bedankte sich mit einem Kuss. Conrad hatte gleich zwei Herzen erstanden. Auf dem blauumrandeten für Elisabeth war: ›Schön, dass es dich gibt‹ zu lesen. Auf dem, das er Anneliese umhängte, ›Traumfrau‹.
Ihr nächstes Ziel war der Grillimbiss. Philipp und Conrad kümmerten sich um die Essensbestellung. Unterdessen brachten die anderen die Getränke zu einem überdachten Tisch im Freien und setzten sich.
Anneliese saß am Ende einer Bank und schaute, an Albert vorbei, zum Kettenkarussell hinüber. Im gleichen Moment drehte sich dort eine rundliche Frau herum. Ihr graues Haar war zu einer altmodischen Frisur hochgesteckt, die wahrscheinlich unter Denkmalschutz stand. Ihre Blicke trafen sich, worauf die Dame mit erstauntem Lächeln herüberkam.
»Frau Grothe? Sind Sie das wirklich?«
Nach kurzem Zögern stand Anneliese auf.
»Hallo, Frau Wüstenhagen. Lange nicht gesehen.«
»Seit acht Jahren bin ich im Ruhestand.« Schnell taxierte sie die anderen Personen am Tisch. »Sie arbeiten nicht mehr im Sonnenhof, oder? Irgendwer hat mir erzählt, dass Sie die Christa-Bernhardt-Stiftung leiten.«
»Dadurch habe ich als Rentnerin noch was um die Ohren.«
»Haben Sie gehört, dass Dr. Flachsbarth und Pastor Rugard tot sind?« Angewidert verzog sie das faltige Gesicht. »Sie wurden ermordet. Man stelle sich das mal vor. Die beiden haben fast ein ganzes Leben lang anderen beigestanden – und nun so etwas. In was für einer Zeit leben wir eigentlich? Ist das nicht schrecklich?«
»Ja, das ist furchtbar.«
Forschend schaute sie Anneliese an.
»Standen Sie denn noch in Kontakt mit Herrn Rugard? Damals wurde ja gemunkelt, dass Sie mal was mit ihm hatten.«
»Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist. Haben Sie das etwa geglaubt?«
»Na ja, so richtig vorstellen konnte ich mir das nicht. Der Herr Pastor war so seriös. Im Gegensatz zu ihm haben Sie immer ein bisschen … flippig gewirkt.«
Innerlich verdrehte Anneliese die Augen. Sie sah Philipp auf den Tisch zukommen, wobei er wie ein gelernter Kellner mehrere Teller in den Händen balancierte.
Frau Wüstenhagen entdeckte ihn ebenfalls, worauf sie übers ganze Gesicht strahlte.
»Na, so was, der Herr Professor! Was machen Sie denn hier?«
Philipp kannte diese Frau vom Jugendamt zur Genüge. Jedes Mal, wenn sie sich beruflich begegnet waren, hatte sie durchblicken lassen, dass sie trotz einer unschönen Scheidung nicht abgeneigt war, es erneut mit einem Mann zu versuchen – und wie gut seine Chancen standen, von ihr erhört zu werden.
»Ich bin mit ein paar Freunden hier – und mit meiner Frau«, fügte er, einer Eingebung folgend, hinzu, als er bemerkte, dass Charlotte aufgestanden war, um ihm zu helfen. Sie nahm ihm zwei Teller ab, worauf er lächelte. »Danke, Schatz.« Die anderen beiden Teller übergab er Anneliese.
»Sie haben geheiratet?«, fragte Gertrud Wüstenhagen überflüssigerweise. »Sagten Sie nicht mal, das käme für Sie nicht mehr infrage?«
»Manchmal ändert man seine Pläne, wenn man dem Menschen begegnet, auf den man sein ganzes Leben lang gewartet hat.«
»So ist das wohl.« Sie warf einen Blick zum Kettenkarussell, das sich nicht mehr drehte. »Ich muss meinen Enkel in Empfang nehmen. Viel Vergnügen weiterhin.«
»Danke, gleichfalls«, wünschte Philipp. Er rutschte neben Charlotte auf die Bank; Anneliese half Conrad, der mit weiteren Tellern an den Tisch trat.
»Das reicht ja für eine ganze Kompanie Soldaten«, meinte der General angesichts der üppigen Auswahl, bevor er sich an Anneliese wandte. »Wer war denn die Dame?«
Sie blickte sich um und überzeugte sich, dass niemand sonst in der Nähe stand.
»Gertrud Wüstenhagen war Sachgebietsleiterin beim Amt für Jugend und Familie.« Sie griff nach der Ketchup-Flasche. »Insgeheim haben wir sie ›alte Taube‹ genannt.«
»Das klingt nicht nach Verbündeten.«
»Das waren wir nie.«
»Warum nicht?«
»Weil sie furchtbar altmodisch und einfältig ist. Mit Kindern kommt sie ganz gut klar, aber sonst …«
»Und was war mit dem Pastor?«, wollte Elisabeth wissen. »Hattest du nun was mit dem oder nicht?«
Das interessierte vor allem Conrad, der seine Lebensgefährtin aufmerksam ansah.
Die Strick-Liesel zuckte jedoch nur hintergründig lächelnd die Schultern und biss von ihrer Bratwurst ab. Nachdem sie das Stück verspeist hatte, blickte sie in die Runde.
»Fragt mal unseren Sonnyboy, woher er sie kennt und warum er Charlotte als seine Frau bezeichnet hat.«
»Das ist kein Geheimnis«, erwiderte Philipp, ohne zu zögern. »Ich hatte mit Frau