Claudia Rimkus

Uhlenbrock


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      »Ich kümmere mich darum.« Mit ernster Miene musterte sie den Hauptkommissar. »Wir brauchen schnelle Ergebnisse – und einen erstklassigen Profiler.« Ihr Blick wurde eindringlich. »Dafür kommt nur einer infrage.«

      Sie musste nicht ins Detail gehen.

      »Das gefällt mir nicht.«

      »Es gibt keinen besseren.«

      »Ich weiß.«

      Kapitel 5

      Durch gedämpfte Geräusche erwachte Charlotte. Sie war am Vorabend mit Philipp, seiner Schwester Sophia und seinem Schwager Axel Martens auf einer Vernissage im SofaLoft gewesen. Anschließend hatten sie in ihrem Lieblingsclub, dem Musikladen, ein Glas Wein getrunken. Dadurch war es spät geworden.

      Widerstrebend schlug Charlotte die Augen auf. Trotz geschlossener Jalousien fiel vom Flur her genug Licht in den Raum, um zu sehen, dass Philipp, ihr den Rücken zugewandt, an einer Kommode hantierte.

      »Was machst du denn da mitten in der Nacht?«

      Er drehte sich herum und setzte sich auf die Bettkante.

      »Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.«

      »Wie spät ist es denn?«

      »Gleich acht.«

      »Egal«, entschied sie und hob die Decke etwas an. »Heute ist Sonntag. Komm wieder ins Bett.«

      Rasch zog er den Morgenmantel aus und schlüpfte zu ihr unter die Decke. Wohlig schmiegte sie sich an ihn. Er duftete nach einem herben Duschgel. Hatte er die Morgentoilette bereits hinter sich?

      »Warum bist du schon aufgestanden?«

      »Ich habe nur was vorbereitet.«

      »Wofür?«

      »Für ein kleines Jubiläum.«

      Sie richtete sich etwas auf, stützte den Kopf in die rechte Hand und versuchte, in Philipps Gesicht zu lesen.

      »Habe ich etwa einen Termin vergessen?«

      Er legte den Arm um Charlottes Schultern und zog sie dicht zu sich heran.

      »Vor genau 40 Tagen hat sich mein Leben auf wundervolle Weise verändert.«

      »Aha …« Nun wusste sie, was er meinte, tat aber ahnungslos. »Vor etwa sechs Wochen? Da haben wir unsere neue Gemeinschaftskutsche bekommen.«

      »Das war tatsächlich ein Highlight«, ging er darauf ein. »Schwer zu toppen, aber du hast es geschafft.«

      »Ich? Wie konnte mir denn das gelingen?«

      »Du hast mich in dein Bett eingeladen und verführt.«

      »Ich dich?«, tat sie entrüstet. »Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung.«

      »Egal«, wiederholte er mit einem Lächeln in der Stimme. »Wichtig ist das Ergebnis.«

      »Es hätte schlimmer kommen können.«

      »Du bist ganz schön keck am frühen Morgen.«

      »Tja …« Spontan beugte sie sich über ihn und küsste ihn sanft auf die Lippen. »Das hast du nun davon.« Sie schmeckte seinen frischen Atem und strich mit den Fingerspitzen über seine glatt rasierte Wange. »Hast du was vor?«

      »Ich dachte, wir frühstücken heute mal im Bett, aber so einen stoppeligen Kerl wollte ich dir nicht zumuten.«

      Flink drehte sie sich herum und stand auf.

      »Wohin willst du?«

      »Nur kurz ins Bad.« Sie wollte sich wenigstens etwas frisch machen und die Zähne putzen.

      Wie meistens nach einer Nacht in seinem Bett, hatte sie nur das Oberteil seines Pyjamas an, das ihr knapp bis über die Schenkel reichte. Die passende Hose trug Philipp.

      Als sie in sein Schlafzimmer zurückkehrte, sah sie im Licht der Nachttischlampe ein mit Köstlichkeiten beladenes Tablett auf der Matratze. Auf dem Nachtschrank entdeckte sie eine bunte, etwa 30 Zentimeter große Figur. Als Hannoveranerin wusste Charlotte natürlich, dass es sich um die Plastik einer französischen Künstlerin handelte. Am Leibnizufer der Leine bildeten drei dieser Nanas den Grundstein der Skulpturenmeile. Sie waren erst kürzlich gereinigt, poliert und mit einer neuen Hochglanzversiegelung versehen worden, wodurch sie in neuer Pracht erstrahlten.

      »Gefällt sie dir, Sternchen?«

      »Sehr.«

      »Weißt du, wie sie heißt?«

      »Mir hat mal jemand erzählt, dass Niki de Saint Phalle sie nach der von Goethe verehrten Charlotte Buff benannt hat.«

      »Der Geheimrat hat sie geliebt, aber er musste auf sie verzichten. Ich habe mit meiner Charlotte mehr Glück.«

      »Hast du die Skulptur deshalb gekauft?«

      »Auch weil ich sie schön finde. Sie symbolisiert viel von dir.«

      Skeptisch schaute sie ihn an.

      »So üppig bin ich aber nicht.«

      »Du hast die Figur eines jungen Mädchens. Aber das meinte ich nicht. Die Bezeichnung ›Nana‹ steht im Französischen für eine moderne, selbstbewusste, erotische Frau mit Lebenskraft.« Dicht zog er sie an sich. »Das bist du auch. Es macht dich unwiderstehlich.«

      Unterdessen saßen die anderen WG-Bewohner in der großen Küche des Hauses beim Frühstück.

      »Wo bleiben denn Charlotte und Philipp?«, fragte Anneliese, während sie ihrem Lebensgefährten Kaffee nachschenkte. »Bei den beiden ist es gestern wohl spät geworden.«

      »Ich habe sie weit nach Mitternacht nach Hause kommen hören«, sagte Conrad. »Sie schlafen sicher noch.«

      Mit wissendem Lächeln bestrich Elisabeth eine Brötchenhälfte mit Butter.

      »Als ich vorhin den Tisch gedeckt habe, war Philipp hier. Er hat ein Frühstück für zwei mit raufgenommen.«

      »Schön, dass er sich Gedanken macht, wie er seinem Sternchen was Gutes tun kann«, sagte die Strick-Liesel versonnen. »Das ist beneidenswert.«

      Prompt meldete sich Conrads Gewissen. Er zeigte Anneliese viel zu selten, wie viel sie ihm bedeutete. In diesen Dingen war er ungeübt, wodurch er sich unsicher fühlte. Seit der Trennung von seiner Frau vor fast 35 Jahren hatte es für ihn außer einigen Sexualkontakten keine näheren Beziehungen gegeben.

      Als Charlotte später herunterkam, begegnete sie Conrad am Fuße der Treppe.

      »Moin.«

      »Guten Morgen«, grüßte er zurück, wobei er sie musterte. Sie besaß die Ausstrahlung einer Frau, die mit sich selbst im Einklang war. »Du siehst richtig glücklich und zufrieden aus.«

      »Das bin ich. Meiner Familie geht es gut, ich bin gesund, habe keine finanziellen Sorgen, lebe in einem schönen Haus mit wundervollen Menschen zusammen – und habe einen Mann, der mich liebt und den ich liebe. Das ist so viel mehr als manch anderer hat.«

      Zustimmend nickte er. Es schien, als wolle er etwas hinzufügen, jedoch er unterließ es.

      »Alles gut bei dir?«

      Abermals nickte er.

      »Entschuldige, Albert wartet auf mich. Wir wollen eine Partie Schach spielen.«

      Rasch wandte er sich um und strebte auf die Räume des Generals zu.

      Charlotte zuckte die Schultern und ging in die Küche. Dort begrüßte sie Elisabeth, die mit dem Einräumen der Spülmaschine beschäftigt war.

      »Kann ich dir helfen?«

      »Nicht nötig. Ich bin gleich fertig. Hast du euer Frühstücksgeschirr