Sie einen neuen Partner oder Freunde suchen, müssen Sie keinen Abend mehr in einer Bar verbringen. Wir tragen alle riesige Shopping Malls in unseren mobilen Devices spazieren und können 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag unserer Kauflust frönen. Der Psychologe, der diese Zeilen gerade schreibt, würde sagen: direkt vom limbischen System an die Kasse. Impulskäufe sind unbewusst gesteuert und die Digitalökonomie lässt uns keine Zeit, Kaufentscheidungen zu überdenken oder sich alternative Angebote beim lokalen Händler zu beschaffen. Geschwindigkeit ist ein neuer USP in der Digitalökonomie und gepaart mit Bequemlichkeit ein unschlagbares Argument für unser mentales Betriebssystem.
E-Commerce blühte auf und nun ging es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Der Begriff des Multichannel war geboren und löste eine kleine Revolution aus. Die Vernetzung aller Endgeräte, die Zugang in das Word Wide Web haben, ermöglichte in kürzester Zeit unglaubliche Reichweiten zu erlangen. Barrierefreie Kommunikation über alle Endgeräte bedeutete auch, keine Sekunde offline zu sein. Jeder hat mittlerweile eine Unzahl an Shopping-Malls in seinem Device und kann weltweit rund um die Uhr einkaufen. Gleichzeitig fingen die ersten Plattformen an, Services anzubieten, die dem kaufwilligen Konsumenten eine Entscheidungshilfe lieferten. Diese Plattformen brauchen keine physischen Produkte und sie sind weder objektiv noch in irgendeiner Weise reguliert, sie erhalten sogar Provisionen für den Verkauf der Produkte, die sie empfehlen, und sind enorm erfolgreich. Sie bieten Preisvergleiche an, machen Tests zu allerlei Produkten und Dienstleistungen. Statt eines Produkts verkaufen sie Datensätze von kaufwilligen Interessenten. Natürlich könnte man diese Datensätze auch als Produkte verstehen, da es sie in unterschiedlicher Qualität gibt, angereichert mit Annahmen über das Kaufverhalten, das Haushaltsnettoeinkommen, die politische und religiöse Ausrichtung und vielem mehr. Der Interessent geht ein Tauschgeschäft ein, von dem er selbst kaum etwas weiß. Der Deal ist persönliche Daten gegen Informationen. Am Ende des Prozesses geistert eine IP-Adresse im System des Käufers herum, die bestmöglich mit Produkten und Dienstleistungen versorgt wird. Die neuen Kennzahlen waren Reichweite, Zielgruppenaffinitätsindex, Lead Generation, CPO (Cost per Order), CPX (Cost per Click), CPL (Cost per Lead) etc. und läuteten eine Zeitenwende ein, die speziell die Medienlandschaft stark beeinflusste. Zeitungen, lineares Fernsehen, Zeitschriften, viele der klassischen Medien konnten mit den neuen Technologien nicht mithalten. Mit der Zeit bildeten sich Oligopole, die den Werbemarkt unter sich aufteilten. Facebook und Google dominieren den digitalen Werbemarkt und teilen 65 Prozent dieses Marktes unter sich auf. Zwar liegen TV und Zeitungen bei den Bruttowerbeerlösen noch vor Online, aber auch dieses Bild wird sich ändern. Auch wenn die Medienindustrie ein besonders tragisches Beispiel ist, ist sie nur eine von vielen Industrien, die sich zu spät an die neue Umwelt der Digitalökonomie angepasst hat.
… dann kam das CRM
In den späten 1990er Jahren fingen die ersten B2B-Unternehmen an, sich näher mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Geschäftsmodelle zu beschäftigen. Die Folge davon waren E-Commerce-Lösungen für B2B, die sich kaum von den klassischen Plattformen unterschieden. Die Kunden konnten, meist auf schlecht oder gar nicht personalisierten Websites, Standardprodukte kaufen. Mutige Unternehmen betrachteten damals schon diese Entwicklung als beängstigend und holten sich Rat bei Experten, um die Auswirkungen auf ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen und alternative Vertriebswege zu testen. Viele dieser Versuche scheiterten kläglich, da die Menschen in den Unternehmen, allen voran der Vertrieb, überhaupt kein Verständnis für die Entwicklungen hatten. Wie oft haben wir als Berater damals gehört, dass diese neue Technologie zwar den Handel betrifft, keinesfalls aber die Kundenbeziehungen im eigenen B2B-Business. Schließlich ist der persönliche Kontakt zum Kunden seit Jahren gewachsen und diese Kundenkenntnis verleiht eine Immunität gegen Angriffe aus dem Netz. Wenn es um Digitalisierung in B2B-Unternehmen ging, lag der Fokus fast immer auf der Automation von Prozessen zur Erzeugung von Produkten und Services. Dass sich Kundenbeziehungen digitalisieren lassen, war für viele undenkbar. Auch heute noch stehen viele, gerade mittelständische Unternehmen, auf dem Standpunkt, dass ihre Kunden auf den persönlichen Zugang zum Unternehmen größten Wert legen. Sie führen das Zeitalter des »Solution Selling« bis heute fort. Dass das nicht grundsätzlich falsch ist, beweisen viele erfolgreiche Unternehmen, rund um den Globus. Doch das ist nur die Hälfte der Wahrheit, denn die Digitalisierung hat auch die Vertriebsorganisationen in vielen B2B-Unternehmen schon lange erreicht. Bestes Beispiel ist der Siegeszug der CRM-Anbieter wie Salesforce, SAP, Oracle, Adobe oder Microsoft. Sie haben schon sehr früh verstanden, dass die Kundeninformationen und der Sales Cycle einen engen Bezug zueinander haben. Doch die Anwendung von CRM-Software ist auch aktuell in den meisten Unternehmen noch auf einem sehr rudimentären Stand. In der Regel treiben die Daten nicht den Verkauf, sondern sie verhindern ihn, da das CRM einfach nicht für das eingesetzt wird, was es kann: den Verkaufsprozess zu simplifizieren und dem Kunden sowie dem Verkäufer das Leben einfacher zu machen. Unsere Experten, die sich ausschließlich mit CRM-Anwendungen beschäftigen, bestätigen uns nahezu täglich, dass sich die Investitionen in CRM in den wenigsten Unternehmen positiv auf die Kundenbeziehungen und den Umsatz auswirken. Häufig ist das Gegenteil der Fall und das liegt nicht an der Software, sondern an den Prozessen, den Formalismen, der Führung und damit der Kultur dieser Unternehmen. Verständlich wird diese Entwicklung, wenn wir die Geschichte der Unternehmen genauer betrachten und die Eigenschaften, die sie erfolgreich gemacht haben. Geprägt sind viele Unternehmen von einem tiefen Verständnis für ihre Branche, die Probleme des Kunden und natürlich auch durch das Beziehungsgeflecht, das oft in jahrzehntelanger Arbeit entstanden ist. Diesen Unternehmen zu sagen, dass das alles Geschichte ist und nun ein neues Zeitalter beginnt, ist für die meisten unvorstellbar. Bestätigt fühlen sich viele dieser Unternehmenslenker durch weiterhin gute Umsätze und steigende Erträge. Wozu also alles auf den Kopf stellen? Die meisten sind überzeugt, die besten Produkte und Services für ihre Kunden zu liefern und außerdem kundenorientiert zu sein. Weshalb das Wagnis Customer Centricity eingehen, welches mit enormen Risiken verbunden ist? Nicht nur, dass die Belegschaft nicht verstehen würde, wofür man den ganzen Zirkus veranstaltet, es würde auch Angst entstehen. Angst um Arbeitsplätze, Angst, von der neuen Technologie überrannt zu werden und sie nicht zu verstehen, Angst davor, dass plötzlich alles anders wird. Diese Ängste sind nur allzu menschlich und genau darin liegt eines der Probleme – die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter und der Führung sind der Digitalisierung, einfach gesagt, egal. Sie entwickelt sich weiter und nimmt auf Befindlichkeiten genauso wenig Rücksicht, wie diejenigen, die diese Technologie für sich zu nutzen wissen.
Von der produktorientierten zur kundenzentrierten Organisation
Worin besteht der Unterschied von einem produktorientierten und einem kundenzentrierten Unternehmen? Die meisten produktorientierten Unternehmen bezeichnen sich in der Regel als kundenorientiert und in ihrer Selbstwahrnehmung sind sie schwer vom Gegenteil zu überzeugen. Daher wollen wir Ihnen in Abbildung 1.1 den Unterschied zwischen einem produktorientierten und einem kundenzentrierten Unternehmen aufzeigen.
Abb. 1.1: Der Unterschied zwischen einem produktorientierten und einem kundenzentrierten Unternehmen
Ein produktorientiertes Unternehmen versucht den Kunden mit exzellenten Produkten und Services zu überzeugen. Daher sind die Kennzahlen auch auf die rein betriebswirtschaftlichen Ergebnisse beschränkt. Eine kundenzentrierte Organisation wird selbstverständlich auch die betriebswirtschaftlichen KPIs als Parameter für den wirtschaftlichen Erfolg definieren, der Unterschied zu einer kundenzentrierten Organisation ist, dass der wirtschaftliche Erfolg durch eine exzellente Customer Experience berechenbarer wird. Je besser die Experience umso höher der betriebswirtschaftliche Erfolg. Diese Korrelation ist logisch und messbar, sie benötigt aber ein entsprechendes Setup an prognostischen Kennzahlen und die Erfahrung, wie sich Aktivitäten in der Customer Experience auf den Umsatz auswirken.
Die Prozesse eines produktorientierten Unternehmens sind auf den Sales und die Produkte ausgerichtet, also »Inside-Out«. Je besser