Wolf Dieter Blümel

Wüsten


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mit dem Titicaca-See offensichtlich zeitlich gegensätzlich.

      Die Blütezeit der Paracas- und Nasca-Kultur (800 v.Chr. – 650 n. Chr.) erklärt sich aus einer klimatisch bedingten agrarischen Begünstigung ihres Lebensraumes: Die warmen Atacama-Flussoasen am Rio Grande, Rio Santa Cruz u. a. boten ideale Bedingungen, während die kühleren Hochlagen lediglich dünn besiedelt und die Titicaca-Region zusätzlich durch geringere Niederschläge benachteiligt war. Andererseits lässt sich der Niedergang der Nasca-Kultur um 650 n. Chr. mit einer Wasserverknappung in den Oasen begründen, bedingt durch eine Verlagerung des andinen Niederschlagszentrums in die Titicaca-Region (650 – 1200 n.Chr.; sog. Mittlerer Horizont). Im Hochland entwickelte sich daraufhin die Huari- und Tiwanaku-Kultur um den Titicaca-See.

      Ein erneuter Umschwung im Niederschlagsgeschehen begünstigte nochmals die Nasca/Palpa-Region während der sog. Späten Zwischenperiode (1200 – 1400 n.Chr.). Es verlagerte sich der Siedlungsschwerpunkt erneut an den Andenfuß, verbunden mit der Schaffung eigenständiger, arbeitsteiliger Gesellschaften. Beispiel dafür ist die Ciudad Perdida de Huayuri. Mit der spanischen Eroberung brachen die Nasca, Inka wie auch andere südamerikanische Kulturen durch Krieg und eingeschleppte Krankheiten zusammen.

      Mensch-Umwelt-Beziehung: Neodeterministisches Paradigma?

      Die Nasca-Kultur im Anden-/Wüsten-System ist ein Lehrstück einer kausal-funktionalen Verflechtung von Orographie, Klima, Klima- und Landschaftswandel sowie menschlicher Aktivitäten, die von resultierenden Gunst- oder Ungunstfaktoren wesentlich mitbestimmt werden. Die Beispiele der Auswirkungen klimatischer Umbrüche und Fluktuationen in Wüsten und Wüstenrändern machen deutlich, dass kulturelle Entwicklung i.w.S. in unmittelbarer Abhängigkeit geänderter Umweltbedingungen steht. Veränderungen der basalen Lebensumwelt zwingen zu Migration oder Adaptation, führen zu technologischem Fortschritt (oder auch zum Kollaps). Speziell das Leben in klimatisch labilen, sensitiven Übergangsräumen wie den Wüstenrandgebieten hat in prekären Zeiten der Aridisierung Anpassungskräfte mobilisiert: Innovationen werden dann und dort stimuliert, wo es die Umstände erfordern. Es wurde bereits angesprochen: Verbesserung der äußeren Rahmenbedingungen in klimatischen Gunstphasen führen eher zu Beharrung denn zu neuen Entwicklungen.

      Issar & Zohar (2004) haben mit ihrer „Neodeterminismus-Diskussion“ den Blick wieder auf die intensive Beziehung zwischen menschlicher Kulturentfaltung und physischer Umwelt gerichtet. Das neodeterministische Paradigma sieht den Menschen und die Natur als Bestandteile und Akteure einer komplexen Wechselwirkung eines raum-zeitlich und gesellschaftlich verankerten Gesamtsystems. Die archäologischen und geowissenschaftlichen Rekonstruktionen menschlichen Handelns zeigen, „ … dass der Mensch auch als soziales, zur freien Entscheidung befähigtes Wesen nicht isoliert von den seine Existenz erhaltenden natürlichen Ressourcen betrachtet werden kann.“… „Die Adaptationskraft der Gesellschaften wurde also zielgerichtet eingesetzt, um wieder ein tragfähiges Gleichgewicht zwischen Mensch und Lebensumwelt herzustellen. Es bestand ganz offenbar eine enge ‚Mensch-Umwelt-Beziehung’ “ (Mächtle & Eitel 2009; vgl. Blümel 2009b, 2006).

      Auch Diamond (2006) belegt in seinem Buch „Kollaps – Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“ eindringlich die angesprochenen Wechselwirkungen zwischen Naturpotenzial und menschlicher Nutzung. Es wird am Beispiel der Anasazi-Kultur im Südwesten der Vereinigten Staaten die deterministische Beziehung und Abhängigkeit deutlich, die dem Menschen gute Möglichkeiten offeriert. Dieser nutzt sie – und übernutzt sie.

      Letztlich bricht die hochentwickelte Trockengebietskultur aufgrund einer Dürreperiode zusammen. Das sensitive Wüstenrandgebiet war überfordert, nicht mehr ausreichend gegen Desertifikationsprozesse gepuffert. Eine systemimmanente Dürre führte zum Kollaps.

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      4 Wüstentypen: Ursachen ihrer Entstehung

      Wüsten sind als besonders trockene (aride) Bereiche der Kontinente in die übergeordnete Kategorie der Trockengebiete einzuordnen. A. Penck hatte 1910 versucht, mittels der einfachen Gleichung „jährliche Verdunstung > jährlicher Niederschlag“ Trockengebiete von humiden Gebieten abzugrenzen (vgl. Abb. 1). Methodisch ist diese Grenze nur sehr schwer zu fassen, sodass je nach Bestimmungsansatz 30 – 36 % der Festlandsflächen in diese Raumkategorie fallen. Grob verallgemeinert nehmen diese Räume etwa ein Drittel der Landmassen ein und sind damit global die größte Naturraumeinheit. Sie repräsentiert ein breites Spektrum an Vegetationsgesellschaften sehr unterschiedlicher Produktivität und Biomasse. Die Bandbreite der Vegetationsgesellschaften reicht von außertropischen Kurzgrassteppen, Wüstensteppen und Halbwüsten bis zu tropischen Dornbuschsavannen und Wüsten. Da Wüsten primär ein klimatisch-ökologisches Phänomen sind, besteht keine ursächliche Beziehung zu bestimmten geologischen Rahmenbedingungen oder geomorphologischen Formengruppen. Jedoch kann regional ein besonders durchlässiger Untergrund zu einer edaphischen Wüste oder eine sehr hohe Reliefenergie zur Wüstenentstehung führen (Lee-Effekt).

      Die Eis- und Kältewüsten gehören nach der Penck’schen Systematik nicht in die Kategorie Trockengebiete, werden hier aber mitbehandelt, da die karge oder fehlende Vegetationsausprägung einen wesentlichen Begriffsinhalt ausmacht (Kap. 2).

      Für die Existenz vegetationsarmer oder -loser Gebiete, also Wüsten im engeren Sinne, lassen sich zwei grundsätzliche Erklärungen anführen:

      1 Trockenheit („Trockenwüste“, heiße Wüste) durch Wassermangel aufgrund klimatischer (atmosphärische Zirkulation), Lagebedingung (Kontinentalität), orographischer oder standörtlicher (edaphischer) Bedingungen;

      2 Wärmemangel („Kältewüste“) in Teilen polarer Räume und von Hochgebirgen, regional zusätzlich kombiniert mit klimatischer oder edaphischer Trockenheit.

      Als Sonderfall ließe sich noch die Vergletscherung eines Gebietes (Eiswüste) anführen.

      Die bekanntesten heißen Wüsten liegen grob vereinfacht zwischen 20° und 40° N/S, d. h. im Bereich der subtropischen Antizyklone, die ein System hohen Luftdrucks erzeugen. Sie werden als klimatische Wüsten im engeren Sinn eingestuft und als Wendekreis- oder Passatwüsten benannt und gehören damit zu den tropisch-subtropischen Wüsten (Abb. 8). Eine meeresferne Lage verursacht eine weitere Kategorie heißer Wüsten: Außertropische kontinentale, sommerheiße/winterkalte Wüsten, in ihrer Aridität oftmals verstärkt durch orographische Effekte (Abb. 11). Das Auftreten kalter Meeresströmungen an den Westseiten Afrikas und beider Amerikas bewirkt den Sondertyp der extremen Küstenwüste.

      Im Folgenden wird eine Klassifizierung der Wüsten nach ihrer dominanten Verursachung versucht, wobei eine Monokausalität oft nicht zu einer zufriedenstellenden Charakteristik führt: Die Witterungsverläufe oder meteorologische Kennzeichen von Wüsten werden z. B. durch die kontinentale Lage, Meeresströmungen/Nebel, konvektive Gewitter, Zyklone, Monsune oder Jet-Streams modifiziert. Ebenso spielt die Topographie hinein: Durch Steigungsregen bzw. Leeseiten-Effekte erklären sich manche Wüsten in den beiden Amerikas, in Südafrika Madagaskar oder Teilen Innerasiens. Die Sahara als größte Wendekreiswüste wird in sich klimatisch differenziert durch kontinentale Lagebedingungen und Telekonnektionen mit dem Ost-Jet (s. u.).

      4.1 Großklimatisch bedingte Wüsten: Wendekreiswüsten (Passatwüsten)

      Trotz ungleicher Land-Meer-Verteilung und unterschiedlich verlaufender, die atmosphärische Zirkulation bestimmender Gebirge stellen sich auf dem Globus zonale – an der geographischen Breite orientierte – Regelhaftigkeiten ein. Die gelten auch für die Verbreitung der Wüsten: Die bekanntesten großräumigen Wüsten und Halbwüsten finden sich in subtropisch-randtropischer Lage, durchzogen vom jeweiligen Wendekreis oder in dessen Nähe (23°27’ N/S). Dazu zählen die Sahara, die Arabische Halbinsel, Teile Australiens, ein Teil der Namib, die Kalahari und die südafrikanische Karoo sowie Teile der Atacama bzw. andiner Wüsten (Abb. 8). Passatwüsten haben die weiteste Verbreitung und sind