Familienrechts
1.1 Allgemeines
Das Familienrecht regelt Rechtsverhältnisse zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten unter Berücksichtigung staatlicher Sonderbefugnisse. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob Familienrecht zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht gehört. Das spielt beispielsweise für die Zuständigkeit der Gerichte eine Rolle, aber auch für bestimmte Rechtsanwendungsgrundsätze, die sich im öffentlichen und im Zivilrecht etwa bei der Möglichkeit, Maßnahmen festzulegen und ggf. auch mit Zwang durchzusetzen, unterscheiden.
Öffentliches Recht und Privatrecht
Das Zivilrecht oder auch Privatrecht regelt Rechtsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten (z. B. Kaufvertrag).
Öffentliches Recht regelt demgegenüber das Verhältnis des Staats zum Bürger (z. B. Baugenehmigung; beachte aber: Auch der Staat kann privatrechtlich handeln, z. B. beim Einkauf von Sachmitteln, der Anmietung von Räumen, er hat handelt dann wie ein Bürger und nicht in seiner Sonderrolle als Staat).
Abgrenzung
Die Abgrenzung zwischen Privat- und öffentlichem Recht ist streitig. Hierzu gibt es folgende Theorien:
Nach der Interessentheorie betrifft öffentliches Recht das öffentliche Interesse, Privatrecht das Privatinteresse.
Nach der Subordinationstheorie ist eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit gegeben, wenn zwischen dem Hoheitsträger und dem Bürger ein Über-/Unterordnungsverhältnis besteht.
Nach der Subjektstheorie sind öffentliches Recht die Rechtsätze, die (nur) Träger der hoheitlichen Gewalt berechtigen oder verpflichten. Das öffentliche Recht ist also derjenige Teil der Rechtsordnung, der das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen Gewalt und einzelnen Privatrechtssubjekten regelt. Öffentliches Recht umfasst danach sämtliche Rechtsmaterien, die die Organisation und Funktion des Staats betreffen (z. B. Strafzettel für eine Ordnungswidrigkeit, Dienstverhältnis bei Beamten, Polizeieinsätze).
Nach der herrschenden modifizierten Subjektstheorie und Subordinationstheorie ist öffentliches Recht immer anzunehmen, wenn die betroffene Gesetzesnorm ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet. Ansonsten liegt Privatrecht vor.
Begriff
Das Familienrecht regelt die Rechtsbeziehungen der durch Ehe, Lebenspartnerschaft, nichteheliche Lebensgemeinschaft und/oder Familien verbundenen Personen. Dazu zählen beispielsweise das Unterhaltsrecht, das Recht der ehelichen Güterstände, der Ehescheidung sowie der elterlichen Sorge. Es regelt also die Beziehungen rechtlich gleichgestellter Rechtssubjekte untereinander, nämlich zwischen Bürgern, und ist daher dem Privatrecht zuzuordnen. Das Familienrecht verleiht dem Staat allerdings zum Teil Sonderbefugnisse, um in diese Rechtsbeziehungen einzugreifen oder sie gar einzuschränken.
Das Familienrecht unterteilt sich wiederum in Verfahrensrecht und materielles Recht. Während das Verfahrensrecht regelt, wie Rechte formal geltend gemacht werden können, also das „Verfahren“ (z. B. Klage, Scheidungsverfahren), bezeichnet das materielle Recht die Normen, die den Inhalt der Rechte ausgestalten (z. B. Grundlage des Zahlungsanspruchs, Voraussetzungen der Scheidung).
1.2 Verfahrensrecht
FamFG
Die wesentlichen Regelungen zum Verfahrensrecht zur Durchsetzung des materiellen Familienrechts finden sich in dem am 01.09.2009 in Kraft getretenen FamFG, dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das FamFG regelt nunmehr also das familiengerichtliche Verfahren in einer einheitlichen Verfahrensordnung. Aus dem Namen des Gesetzes ergibt sich allerdings bereits, dass es nicht nur Familiensachen regelt, sondern auch andere Verfahren der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit, die keinen familienrechtlichen Bezug haben (z. B. Verfahren in Registersachen, unternehmensrechtliche Verfahren in Buch 5 oder Verfahren in Freiheitsentziehungssachen in Buch 7). Das FamFG unterteilt sich in insgesamt neun Bücher mit unterschiedlichen Regelungsbereichen. Für die Verfahren in Familiensachen kommt den ersten beiden Büchern besondere Bedeutung zu (Abb. 1).
Buch 1 (§§ 1–110 FamFG) regelt den Allgemeinen Teil (ausführlich Prütting/Helms 2013). Hier definiert der Gesetzgeber unter anderem, wer Beteiligter ist (vgl. § 7 FamFG), stellt klar, wann eine förmliche Beweisaufnahme nach den Regeln der Zivilprozessordnung stattzufinden hat (vgl. § 30 FamFG), führt eine generelle Befristung der Beschwerde ein (vgl. § 63 FamFG) und ersetzt die bisherige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht durch eine zulassungsabhängige Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vgl. § 70 FamFG). Bei Missachtung einer gerichtlichen Umgangsentscheidung bestehen Sanktionsmöglichkeiten im Wege der Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft (vgl. § 89 FamFG).
Buch 2 (§§ 111–270 FamFG) regelt das Verfahren in Familiensachen, insbesondere die Grundlagen für das gerichtliche Verfahren in Scheidungssachen, Kindschaftssachen, Abstammungssachen, Adoptionssachen, Wohnungszuweisungs- und Hausratssachen, Gewaltschutzsachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen, Güterrechtssachen und sonstigen Familiensachen (Prütting/Helms 2013). Hervorzuheben sind in diesem Teil die mit dem FamFG neu eingeführten Gebote, wie z. B. das Gebot vorrangiger und beschleunigter Bearbeitung von Sorge- und Umgangsverfahren (vgl. § 155 FamFG) oder die Präzisierung der Voraussetzungen für die Bestellung eines Interessenvertreters des Kindes in Kindschaftssachen (sog. Verfahrensbeistand; vgl. § 158 FamFG).
Zuständigkeit des Familiengerichts
Mit dem Inkrafttreten der Reform des Rechts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit im FamFG zum 01.09.2009 wurden die Zuständigkeiten des Familiengerichts erweitert (sog. großes Familiengericht). Der für die Zuständigkeit der Familiengerichte entscheidende Begriff der „Familiensache“ wurde um die zuvor von den Vormundschaftsgerichten zu bearbeitenden Rechtsstreitigkeiten und Gewaltschutzsachen erweitert. Durch den Bereich „sonstige Familiensachen“ wurden u. a. auch vermögensrechtliche Ansprüche der Eheleute, die sonst vor den Zivilgerichten zu verhandeln waren, gemäß § 111 FamFG den Familiengerichten zugewiesen (Horndasch/Viefhues 2014). Damit wurde eine einheitliche Verfahrensordnung in Kraft gesetzt.
Der Begriff der Familiensachen ist in § 111 FamFG definiert. Dies sind:
Familiensachen
1. Ehesachen: Gesetzliche Definition in § 121 FamFG
2. Kindschaftssachen: Gesetzliche Definition in § 151 FamFG
3. Abstammungssachen: Gesetzliche Definition in § 169 FamFG
4. Adoptionssachen: Gesetzliche Definition in § 186 FamFG
Abb. 1: Aufbau des Familienverfahrensrechts
5. Ehewohnungs- und Haushaltssachen: Gesetzliche Definition in § 200 FamFG
6. Gewaltschutzsachen: Gesetzliche Definition in § 210 FamFG (Die Vorschrift bestimmt den Begriff der Gewaltschutzsachen durch Bezugnahme auf die §§ 1 f. GewSchG.)
7. Versorgungsausgleichssachen: Gesetzliche Definition in § 217 FamFG
8. Unterhaltssachen: Gesetzliche Definition in § 231 FamFG
9. Güterrechtssachen: Gesetzliche Definition in § 261 FamFG
10. Sonstige Familiensachen: Gesetzliche Definition in § 266 FamFG
11. Lebenspartnerschaftssachen: Gesetzliche