weitere Größe, die zur Kennzeichnung der Eigenschaften von Aerosolpartikeln Verwendung findet, ist die sogenannte „Single Scattering Albedo“, für die üblicherweise das Symbol ω verwendet wird, aber auch SSA als Kürzel vorkommt.
Auf Deutsch wäre der Name mit „Einfachstreualbedo“ zu übersetzen, ein Begriff der aber nicht verwendet wird. Das „Scattering“ im Namen resultiert daraus, dass die Größe angibt, wie groß der Anteil der Streuung an der Extinktion ist. Mit (1 – ω) wird umgekehrt der relative Anteil der Absorption an der Extinktion angegeben. Für Teilchen die nur streuen und gar nicht absorbieren ergibt sich ω = 1. Dies gilt im sichtbaren Spektralbereich zum Beispiel für Seesalz oder Schwefelsäureteilchen, durchaus häufig vorhandene Aerosolkomponenten. Umgekehrt gilt für rein absorbierendes und gar nicht streuendes Material ω = 0. Dieser Wert kommt aber nicht vor, da Aerosolpartikel immer streuen, selbst bei sehr starker Absorption wie bei Rußpartikeln. Hierfür können sich im sichtbaren Spektralbereich Werte bis zu ω = 0,3 ergeben, aber auch dieser Wert kommt für natürliches Aerosol nicht vor, da es keine atmosphärischen Bedingungen gibt, bei denen alle Aerosolteilchen aus Ruß bestehen. Die „Single Scattering Albedo“ ist nicht nur vom Material und der Größe der Aerosolteilchen abhängig sondern, wie bei allen materialabhängigen Strahlungseigenschaften, wieder auch von der Wellenlänge.
Das Bouguer-Lambert-Gesetz findet Anwendung in der Satellitenmeteorologie, wenn die Strahldichte in einem durchstrahlten Volumen nur geschwächt wird. Diese Bedingung ist bei Beobachtung der direkt von der Sonne kommenden Strahlung annähernd erfüllt. Da deren Intensität außerhalb der Atmosphäre bekannt ist, kann die Messung ihrer Transmission bei verschiedenen Wellenlängen genutzt werden, um die spektralen Extinktionskoeffizienten der durchstrahlten Atmosphäre zu bestimmen (Kap. 10). Daraus lässt sich die Menge der im Volumen enthaltenen Substanzen (wie Aerosolpartikel oder absorbierende Gase) ermitteln, wobei zu deren Trennung spektrale Unterschiede genutzt werden.
3.2 Strahlungstransportgleichung
3.2.1 Strahlung mit Schwächung und Verstärkung
In der Atmosphäre kann eine Strahldichte bei dem Durchgang durch ein mit Gas und Partikeln gefülltes Volumen nicht nur geschwächt sondern auch verstärkt werden. Eine solche Verstärkung kann durch Photonen erfolgen, die von der Materie in dem betrachteten Volumen emittiert werden. Weiter gilt aber, dass in der Atmosphäre jedes Volumen, dessen Strahlung untersucht wird, in benachbarte Volumina eingebettet ist, in denen ebenfalls Streuprozesse stattfinden. Die hierdurch aus den Nachbarvolumina herausgestreuten Photonen werden zum Teil auf das betrachtete Volumen fallen. Dort können diese Photonen in Richtung zum Empfänger gestreut werden, was ebenfalls eine Verstärkung der Strahlung bewirkt, die den schwächenden Prozessen überlagert ist (Abb. 3.3).
Abb. 3.3
Änderung einer Strahldichte L0 zur Strahldichte L auf dem Weg ds durch Streuung aus und in das Volumen, Absorption und Emission.
Zur Modellierung der Strahlungsübertragung in der Atmosphäre müssen alle diese Prozesse berücksichtigt werden. Dies geschieht durch die Strahlungstransportgleichung, STG, auch Strahlungsübertragungsgleichung, SÜG, im Englischen „Radiative Transfer Equation“, RTE, genannt. In ihrer allgemeinen Form besteht sie aus dem Bouguer-Lambert-Gesetz, mit dem die Schwächung berücksichtigt wird, ergänzt durch „Quellterme“ für die in das Volumen hinein gestreute und für im Volumen selbst emittierte Strahlung (Gl. 3.9). Diese Quellterme tragen zur finalen Strahldichte L bei, die das Volumen verlässt und gemessen werden kann. Natürlich bestimmen die Eigenschaften der im durchstrahlten Volumen enthaltenen Gase, Teilchen und Tröpfchen, wie stark diese Quellterme sind, wie sie zum Signal beitragen. Dies gilt direkt für die Emission, die von der Temperatur und Art der Materie im Volumen abhängt. Es gilt aber auch für den Beitrag der hinein gestreuten Strahlung, da die Streueigenschaften der Partikel im Volumen bestimmen, wie die hinein gestreute Strahlung absorbiert und weiter gestreut wird und so zu der interessierenden, final zu messenden Strahldichte beiträgt. Kompliziert wird das Ganze dadurch, dass Photonen mehrfach gestreut werden können und dass die in das Volumen hinein gestreute Strahlung wiederum von den Streueigenschaften der benachbarten Volumina abhängt. Damit können sich diese Volumina gegenseitig beeinflussen und die hier stattfindenden Strahlungsprozesse müssen berücksichtigt werden. Weiter wird das Strahlungsfeld auch durch die Bedingungen an den Rändern der Atmosphäre beeinflusst. Am Oberrand der Atmosphäre ist dies die Strahlung von der Sonne oder eine mögliche Hintergrundstrahlung aus dem Weltraum. Am Boden ist es reflektierte und emittierte Strahlung, was bedeutet, dass die Reflexions- und Emissionseigenschaften des Bodens bei der Strahlungsmodellierung berücksichtigt werden müssen.
Der gesamte Strahlungstransport in der Atmosphäre, die Lösung der STG für das gesamte System, ergibt eine Menge von gekoppelten Integro-Differentialgleichungen, die nicht analytisch lösbar sind. Das heißt, die Gleichungen können nicht nach einer gesuchten Unbekannten aufgelöst werden. Die Berechnung des Strahlungsfelds erfolgt damit in der Regel iterativ, wozu mehrere komplexe Algorithmen entwickelt wurden. Dabei werden verschiedene mathematische Verfahren zur Lösung der STG angewendet (Discrete Ordinate Method, Matrix Operator Method, Successive Order of Scattering).
Die mathematischen Verfahren zur Lösung der STG sind so gut, und die Kapazität der Computer ist so groß, dass bei der Berechnung eines Strahlungsfelds Fehler durch die numerischen Methoden praktisch vernachlässigbar sind (mit der kleinen Einschränkung, dass keine Raman-Änderungen der Wellenlänge berücksichtigt werden, Kap. 2.1.2). Für jede interessierende Wellenlänge erfolgt eine getrennte Modellierung, da ja bei der Strahlungswirkung eines jeden Parameters die spektralen Eigenschaften zu berücksichtigen sind. Voraussetzung für die Modellierung der „richtigen“ Strahldichten ist, dass die „richtigen“ aktuell gültigen Werte der Menge, räumlichen Verteilung und strahlungsrelevanten Eigenschaften aller Substanzen in der Atmosphäre und am Boden benützt werden. Aus ungenau bekannten Parametern können in der Praxis Abweichungen des modellierten zum wirklichen Strahlungsfeld resultieren. Da in der Praxis niemals alle aktuelle Größen bekannt sind, müssen Annahmen gemacht und Vereinfachungen angenommen werden. Die Invertierung von bekannten Strahldichten auf die Eigenschaften und die Verteilung von Substanzen, durch die sie hervorgerufen werden, ist damit meist nicht eindeutig (Kap. 1.3.2), sondern mit Unsicherheiten behaftet. Aber die Invertierung ist machbar, wie in den folgenden Kapiteln zur praktischen Nutzung der Satellitenmeteorologie an vielen Beispielen gezeigt wird, und zwar mit einer Qualität, die einen enormen Erkenntnisgewinn ergibt.
In der Literatur zu den Strahlungsprozessen in der Atmosphäre kommen häufig drei Größen vor, die hier vorgestellt werden sollen:
Die erste ist der Kosinus des Zenitwinkels, üblicherweise mit dem Symbol μ gekennzeichnet, statt des Zenitwinkels θ selbst. Durch die Verwendung von μ vereinfacht sich die Schreibweise von Strahlungsgleichungen und der Winkelabhängigkeit der Weglängen in einer Schicht.
Eine zweite wichtige Größe ist die optische Dicke, (optische Tiefe, Optical Depth, Optical Thickness) τ. Manchmal wird für die optische Dicke das Symbol OD verwendet, da bei einigen Autoren τ als Symbol für die Transmission genutzt wird. Die optische Dicke einer Schicht ist kennzeichnend für deren optische Wirkungen und steht nicht für ihre geometrische Dicke. Anschaulich können Atmosphären mit verschiedenen optischen Dicken mit Farbgläsern mit unterschiedlich starker Pigmentierung verglichen werden. Diese bewirkt, dass – bei gleicher geometrischer Dicke der Gläser – deren optische Wirkung verschieden ist. Die optische Dicke ist gegeben als das Integral über die Extinktionskoeffizienten einer Schicht zwischen den Höhen sa und se in der Atmosphäre.
Dabei kann sich der Extinktionskoeffizient mit der Höhe, das heißt auf dem Weg s, durchaus