Stefanie Pfister

Fachdidaktisches Orientierungswissen für den Religionsunterricht


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„Ansätze und Perspektiven“8, welche auch für die gegenwärtigen fachdidaktischen Überlegungen im vorliegenden Buch übernommen werden. Diese Begriffe verweisen auf die „Reichweite“ und Begründungen der Überlegungen, die sich in den jeweiligen Bezeichnungen widerspiegelt.9

      Auch Joachim Kunstmann hält die jeweiligen Begründungsstrukturen in ihrer Auswirkung für relevant: „Wenn einzelne Begründungen für religiöses Lernen zur Idee hinter einem größeren Zusammenhang werden, der auch weitere Rahmenbedingungen bedenkt, dann sprechen wir von einer Konzeption“.10 Daher gelten religionspädagogische Konzeptionen – nach Grümme, Lenhard und Pirner –:

      „als umfassend in Theorie und Praxis von der Religionsdidaktik ihrer Zeit geprägt, lokalisieren sich im Raum einer bestimmten theologischen und pädagogischen Strömung, haben bestimmte institutionelle wie organisatorische Auswirkungen auf den Religionsunterricht, setzen ein bestimmtes Lehrer- und Schülerbild voraus und prägen so Lehrpläne, Religionsbücher und Unterrichtspraxis. Zudem spiegeln sie auch gesellschaftliche Konstellationen und kulturelle Trends.“11

      Oft sind Konzeptionen „historisch […] erst im Nachhinein erkennbar“.12

      Beispiele für religionspädagogische Konzeptionen sind: die Evangelische Unterweisung, der Hermeneutische Religionsunterricht, der Thematisch-problemorientierte Religionsunterricht, die Korrelationsdidaktik etc. Auch die Symboldidaktik wird den religionspädagogischen Konzeptionen zugeordnet, wird aber zugleich – insbesondere in ihrer Erweiterung zur Symbolisierungs- und Zeichendidaktik – als fachdidaktischer Ansatz oder Perspektive genutzt (vgl. Kapitel 4.1 und 4.2).

      Die Auseinandersetzung mit den historischen religionspädagogischen Konzeptionen kann Religionspädagogen helfen, gängige Methoden des Religionsunterrichts auch historisch zu kontextualisieren: z.B. lassen sich die Methoden Singen, Beten und Erzählen der Konzeption der Evangelischen Unterweisung zuordnen, die Methode der historisch-kritischen Exegese dem Hermeneutischen Religionsunterricht, sämtliche Methoden zur Gesprächsführung dem Thematisch-problemorientierten Religionsunterricht und die Bildbetrachtung der Symboldidaktik etc. Dabei müssen jedoch weder die Ziele noch die Begründungsstrukturen der jeweiligen historischen Konzeptionen übernommen werden.

      Zugleich können diese Methoden auch wiederum anderen Konzeptionen zugeordnet werden. So lässt sich Singen, Beten und Erzählen auch dem performativen Unterricht zuordnen. Wichtig ist, dass der Lehrkraft der Unterschied bewusst ist, ob das Singen genutzt wird, um »Kirche in der Schule« zu etablieren (wie in der Evangelischen Unterweisung) oder als Probehandeln (wie im Performativen Unterricht). Hierfür bietet die Fachdidaktische Orientierung den Rahmen.

      Daher bleibt das Wissen um die Konzeptionen weiter wichtig, um die gegenwärtigen religionsdidaktischen Ansätze und Perspektiven, die oftmals eine Weiterentwicklung oder Modifizierung der Konzeptionen darstellen, nachvollziehen zu können. Zudem zeigt sich besonders in der Praxis, dass die verschiedenen Konzeptionen bzw. fachdidaktischen Ansätze und Perspektiven oft ineinander übergehen und eher komplementär als gegensätzlich zu verstehen sind.

      Religionsdidaktische Ansätze und Perspektiven befinden sich „einerseits unterhalb des Niveaus der Konzeptionen und andererseits oberhalb des Niveaus der Lernformen“13 und markieren damit die Schaltstelle zwischen Inhalt und Methoden. Religionsdidaktische Ansätze und Perspektiven nehmen die Problemlage, z.B. mit der Kritik an anderen Perspektiven, auf und können flexibel auf „die vielfältigen, je konkreten Anforderungen des religionsdidaktischen Praxisfeldes reagieren“14 und den Umgang mit gegenwärtigen Herausforderungen – wie Inklusion und zunehmender Konfessionslosigkeit der SchülerInnen – markieren. Daher nehmen sie „sehr grundsätzlich die Fundamente und das Ganze religiöser Bildung und Erziehung in den Blick“15 und bieten „fachliche Rahmenkonzepte“16.

      Auch wenn die jeweiligen Ansätze durch eine bestimmte strukturierende Richtung gekennzeichnet sind, können sie gut mit anderen Perspektiven korrelieren (z.B. die elementarisierende mit der kindertheologischen Perspektive).

      Fachdidaktische Perspektiven bilden somit ein Instrumentarium, durch das man ein entsprechendes Thema für eine bestimme Lerngruppe adäquat aufbereiten kann und „lassen sich eigentlich auf jedes mögliche religionsunterrichtliche Projekt oder Thema applizieren“. Englert weist aber auf die Problematik hin, dass diese Ansätze „keineswegs mit allem, was hier denkbar ist, gleichermaßen gut vereinbar sind.“17 Chancen und Grenzen der jeweiligen Perspektiven im Hinblick auf verschiedene Themen werden im vorliegenden Buch aufgezeigt und können mit den Übungsblättern eingeübt werden.

      Beispiele für religionsdidaktische Ansätze und Perspektiven sind: die bereits genannte Symbolisierungs- und Zeichendidaktik, die Performative Religionsdidaktik, die Konstruktivistische Religionsdidaktik und rezeptionsästhetisch orientierte (bibel-)didaktische Ansätze wie das Tübinger Elementarisierungsmodell, die Kinder- und Jugendtheologie.18

      Aus religionsdidaktischen Ansätzen ergeben sich verschiedene didaktische und methodische Prinzipien. Didaktische Prinzipien stellen „theoretisch geklärte Regularien und Gesetzmäßigkeiten des Lernens und Lehrens dar“19, die sich im Religionsunterricht aus einem fachdidaktischen Ansatz unmittelbar ableiten lassen, wie die Schülerorientierung von der elementarisierenden Perspektive und die Inszenierung von „Probeaufenthalten in religiösen Welten“ von der Performativen Religionsdidaktik.

      Im vorliegenden Buch wird nicht zwischen „theologisch“ begründeten oder allgemeinen didaktischen Prinzipien unterschieden, weil sich lediglich in der historischen Religionspädagogik theologische Begründungsstrukturen von Didaktik und Methodik aufzeigen lassen (z.B. bei Comenius resultierte das didaktische Prinzip der Anschauung aus der Pansophie, bei Francke das didaktische Prinzip der Applikation aus dem Pietismus). Doch gegenwärtige pädagogische Begründungsmuster, didaktische und methodische Prinzipien kommen ohne theologische Begründungen aus.20 Folgende didaktische Unterrichtsprinzipien lassen sich von den verschiedenen fachdidaktischen Ansätzen ableiten: Offener Unterricht, Handlungsorientierung, Schülerorientierung, Ganzheitlichkeit, Selbsttätiges Lernen, Erfahrungsbezogener Unterricht, Projektunterricht, Exemplarisches Lernen, Wissenschaftspropädeutischer Unterricht, Didaktische Reduktion, Entdeckendes Lernen; zudem die didaktischen Prinzipien für einen inklusiven Religionsunterricht wie Individualisierung, Differenzierung oder Kooperatives Lernen.

      Aus den didaktischen Prinzipien lassen sich wiederum methodische Prinzipien ableiten, die jedoch nicht nur als „praktische Konsequenzen“ erfasst werden, sondern darüber hinaus als „Formen und Verfahren, in und mit denen sich LehrerInnen und SchülerInnen die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter institutionellen Rahmenbedingungen aneignen.“21 So lässt sich die Methode des Texttheaters oder des Bibliologs dem didaktischen Prinzip des „Probeaufenthalts in religiösen Welten“ zuordnen. Weitere Methoden22 können zwar charakteristisch für den Religionsunterricht sein wie Erzählen, Singen, Entspannungsübungen, Memorieren, liturgische Elemente, aber auch hier wird nicht von allgemeinen methodischen Prinzipien unterschieden: Rollenspiele, Bildbetrachtungen, Malen, Textarbeit, Vorlesen, verschiedene Formen des Unterrichtsgesprächs, Lehrervortrag, Exkursion, Standbilder, szenisches Spiel, Planspiel, Wochenplanarbeit, Experimente, Schreibgespräch, Feedback-Methoden etc.

      Gegenwärtig zeigt sich das professionelle Lehrerhandeln darin, nicht nur eine Vielzahl von religionsdidaktischen Ansätzen und Perspektiven – innerhalb der fachdidaktischen Orientierung – zu kennen, sondern auch um deren Chancen und Grenzen zu wissen, sich zuzutrauen fachdidaktische Ansätze zu modifizieren und zu gestalten und damit eine eigene fachdidaktische Kompetenz – im Sinne einer „wisdom of practice“23 – je nach Unterrichtsgegenstand und Lerngruppe zu erwerben.

      Aufbau des Buches

      Es werden zunächst Kriterien für rechtlich, pädagogisch und theologisch verantwortbare fachdidaktische Ansätze und Perspektiven vorgestellt (Kapitel 2).

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