Marburger Religionspädagoge Bernhard Dressler betont die Notwendigkeit der Einnahme einer Innen- und einer Außenperspektive im schulischen Religionsunterricht. Eine Differenzkompetenz könne weder mit der „Beschränkung auf eine religiöse Binnenperspektive“ noch mit der „Abblendung zugunsten einer bloßen Außenperspektive“1 ausgebildet werden.
Andere Weltzugänge und Weltdeutungen können aufgegriffen und in einen übergreifenden Sinnzusammenhang gestellt werden, so Dressler:
„Religiöse Bildung, die über Religion nur informiert, ohne deren Leistung für diese Verbindung von Weltdeutung und Daseinshermeneutik zu verstehen zu geben, unterbietet die Bedeutung von Religion so weit, dass damit nicht nur ein unzureichendes, sondern geradezu falsches Verständnis von Religion vermittelt wird.“2
Eine fachdidaktische Orientierung für den Religionsunterricht hat sich daher – unter Wechselwirkung und Beachtung der Außen- und der Innenperspektive – von drei Fehlinterpretationen abzugrenzen:
•Es geht nicht darum, dass ein fachdidaktisches Modell zur Planung von Unterricht mit dem Ziel eines christlichen Bekenntnisses führt und keine kritische Prüfung des Selbstverständnisses beinhaltet (nur Innenperspektive). Im Religionsunterricht geht es nicht um eine potenzielle Glaubensentwicklung, sondern Unverfügbares kann unverfügbar bleiben.
•Ebenso wenig geht es darum, dass man im Religionsunterricht mithilfe eines fachdidaktischen Ansatzes nur religionskundlich vergleicht (nur Außenperspektive).
•Auch das Bestreben, kirchliche Bezugs- und Berührungspunkte des Religionsunterrichts zu vermeiden und im Religionsunterricht kein Kennenlernen christlicher Lebenspraxis zu ermöglichen, ist eine Fehlinterpretation.
Fachdidaktische Ansätze können besonders die gelebte, christliche Lebenspraxis gut aufgreifen, z.B. die Performative Religionsdidaktik. Lehrkräfte des konfessionellen Religionsunterrichts nehmen dabei die notwendige Innenperspektive – als konfessionelle (und von der Wahrheit überzeugte) Lehrkraft – ein. Mit dem Bezug auf die eigene Konfession sind eine existenzielle Auseinandersetzung und das intensive und gründliche Kennenlernen der eigenen Konfession möglich. Dies sollte ein adäquates fachdidaktisches Modell ermöglichen.
Zugleich nehmen die Lehrkräfte die Außenperspektive, z.B. in der (Schul-)Öffentlichkeit und beim Beobachten ihrer Handlungen ein. Der Wechsel zwischen Innen- und Außenperspektive ermöglicht dann das kritisch-konstruktive Prüfen und Beurteilen der eigenen Konfession und der eigenen Handlungen. Wichtig ist dabei eine „transparente Positionalität“3. Dies kann in der Schule mit Schleiermachers Worten einen „religiösen Gedankenerzeugungsprozess“ im Diskurs mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen bewirken. Ein entsprechendes fachdidaktisches Modell sollte diesen religiösen Gedankenerzeugungsprozess unterstützen.
2. Der fachdidaktische Ansatz spiegelt die gemeinsame Verantwortung von Staat und Kirche für den konfessionellen Religionsunterricht wider. Im konfessionellen Religionsunterricht ist sowohl die Rede über Religion als auch die eigene religiöse Sprache möglich.
Das Fach Religionsunterricht ist in der Bundesrepublik Deutschland als einziges Unterrichtsfach ins Grundgesetz aufgenommen. Mit Ausnahme von Berlin, Bremen4 und Brandenburg wird der Religionsunterricht in Deutschland nach Artikel 7 Absatz 3 GG erteilt: als „ordentliches Unterrichtsfach“, „unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes […] in Übereinstimmung mit den Grund sätzen der Religionsgemeinschaften“.
Am evangelischen Religionsunterricht nehmen auch SchülerInnen anderer Religionen teil.5 Auch das Bundesverfassungsgericht bestimmte 1987:
„Die geordnete Teilnahme von Schülern einer anderen Konfession am Religionsunterricht ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich, solange der Unterricht nicht seine besondere Prägung als konfessionell gebundene Veranstaltung verliert“.6
Die römisch-katholische Kirche betont dagegen die konfessionelle Homogenität und verweist auf die Trias von römisch-katholischen LehrerInnen, SchülerInnen und Inhalten.7
Der konfessionelle Religionsunterricht8 an der öffentlichen Schule stellt insgesamt eine gemeinsame Angelegenheit (res mixta) einerseits des Staats dar, der den äußeren Rahmen bietet und das Fach reglementiert (deutlich in der Ausbildung, Bezahlung, Dienstaufsicht, Zeittakt des Unterrichts, Notengebung), sowie andererseits der Religionsgemeinschaften, welche gewährleisten, dass die Inhalte des Religionsunterrichts mit ihren Grundsätzen übereinstimmen: Dies zeigt sich in der Mitwirkung bei der Erstellung von Lehrplänen, Begutachtung bei Schulbüchern, kirchlichen Lehrbefähigung (evangelisch vocatio / katholisch missio canonica). Die Bezugswissenschaften – die Evangelische und Katholische Theologie – sollen dabei „die zentrale Aufgabe der wissenschaftlichen Klärung, Beratung und Orientierung“9 für die Kirchen erfüllen.
Mit der Lozierung im Grundgesetz ist der Religionsunterricht grundgesetzlich geschützt, aber nur, wenn er – laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts – „in konfessioneller Positivität und Gebundenheit“10 in Bezug auf die jeweilige Kirche erteilt wird.
Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1987 ist demnach konfessioneller Religionsunterricht:
„keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, nicht bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende und relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte. Sein Gegenstand ist vielmehr der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln ist seine Aufgabe.“11
Die Spannung zwischen Staat und Kirche kann auch als gemeinsame Verantwortung gesehen werden und stellt einen pädagogischen und theologischen Mehrwert für die SchülerInnen dar: Im konfessionellen Religionsunterricht an der öffentlichen Schule kann sowohl sachliche Kritik und sachliche Zustimmung am religiösen Gehalt geäußert werden: Rede über Religion. Dennoch sind auch eigene Glaubensaussagen möglich (religiöse Sprache). Dieses Wechselspiel ist unabdingbar für die religiöse Urteilskompetenz und kann durch entsprechende fachdidaktische Ansätze aufgegriffen werden.
3. Eine fachdidaktische Perspektive ermöglicht es, dass zwischen Sachverhaltsvermutungen (im Sinne von puto: vermuten, glauben) und Sprechakten (im Sinne von credo: ich glaube/ich vertraue) unterschieden werden kann. Dadurch sind authentische Glaubensaussagen – die auf das nach Luther Unverfügbare hinweisen – ebenso möglich wie eine reflektierte Ablehnung des christlichen Glaubens.
Religiöse Kommunikation oder religiöse Äußerungsformen – Worte, Rituale, Gebete – ereignen sich „im Medium des Glaubens“ und verdanken „ihre Plausibilität also anders als die meisten anderen Äußerungsformen einer ganz bestimmten Form der authentischen Haltung (oder wenigstens ihrer Inszenierung). Wer im Medium des Glaubens spricht, setzt sich selbst in eine Position des authentischen Sprechers.“12 Damit wird die Authentizität religiöser Kommunikation betont: Religiöse Kommunikation wirkt durch die Form authentischer Selbstdarstellung,13 so Nassehi: „Soziologisch gesprochen: Religiös wird man durch religiöse Ansprache.“14
Daher ist es im konfessionellen Religionsunterricht wichtig, zwischen Sachverhaltsvermutungen und Sprechakten zu unterscheiden. So können authentische Äußerungen im Sinne von credo auf das nach Luther Unverfügbare, was sich im Geschehen von promissio und fides, Wort und Glaube, ereignet, hinweisen. Zugleich ist jederzeit eine reflektierte Ablehnung des christlichen Glaubens möglich. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine fachdidaktische reflektierte Orientierung im schulischen Religionsunterricht.
Hier wird auch die grundlegende theologische Unterscheidung von fides quae creditur (was geglaubt wird: Glaubensinhalt) und fides qua creditur (der Glaube, durch den geglaubt wird: Glaubensakt) deutlich, wobei im konfessionellen Religionsunterricht zwar die Kenntnisnahme (notitia) von Glaubensinhalten ermöglicht wird, die Zustimmung (assensus) und das Sich-Anvertrauen (fiducia) jedoch theologisch vermessen und pädagogisch aussichtslos sind.15
4. Der fachdidaktische Ansatz ermöglicht die Betrachtung des Lerngegenstandes aus verschiedenen Blickwinkeln, die Assoziierung mit anderen Wissensinhalten,