Reinhard J. Wabnitz

Grundkurs Bildungsrecht für Pädagogik und Soziale Arbeit


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oder den Bundeskanzler wählt und auf deren/dessen Vorschlag hin die BundesministerInnen vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen werden. Entsprechendes gilt auf der Ebene der Länder (Wahl der Landtage, MinisterpräsidentInnen, LandesministerInnen).

      Die Bundesrepublik Deutschland ist, ähnlich wie die Republik Österreich, ein Bundesstaat (Hömig/Antoni 2013, Art. 20, Rz. 6). In Kapitel 2.2 wird dargestellt, was das Bundesstaatsprinzip konkret bedeutet.

      Das Rechtsstaatsprinzip bedeutet:

      1. Machtdekonzentration durch Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG) wie folgt:

      1.1 Legislative = Gesetzgebung durch die Parlamente

      1.2 Exekutive = Regierung und Verwaltung

      1.3 Judikative = Rechtsprechung: Kontrolle der übrigen Gewalten anhand von Recht und Gesetz

      2. Sicherung des Rechtsstaates durch:

      2.1 allgemein geltende Grundrechte (Art. 1 bis 19 GG),

      2.2 justizielle Grundrechte (Art. 101, 103, 104 GG),

      2.3 Unabhängigkeit der Gerichte und Richter (Art. 97 GG)

      2.4 Rechtsweggarantie (Art. 19 IV GG).

      3. Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wie folgt:

      3.1 Geeignetheit einer Maßnahme, um Zweck zu erreichen?

      3.2 Erforderlichkeit einer Maßnahme, um Zweck zu erreichen? (Oder gibt es ein „milderes Mittel“?)

      3.3 Angemessenheit der Nachteile zum erstrebten Vorteil? (Abwägung unter Gewichtung von Nachteilen und Vorteilen.)

      Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG)

      1. Der Staat ist zur Herstellung und Erhaltung von sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit verpflichtet, und zwar u. a. wie folgt:

      1.1 Legislative:

      1.1.1 Schaffung eines sozialen Mindeststandards

      1.1.2 Gewährleistung des Existenzminimums

      1.2 Exekutive:

      1.2.1 bei Ermessen: Wahl der sozial gerechteren Maßnahme

      1.2.2 Legitimation für Leistungen in Notfällen

      1.3 Judikative: Wahl der sozial gerechteren Alternative

      2. Das Sozialstaatsprinzip stellt eine „Generalklausel“ dar, die durch den Gesetzgeber konkretisiert werden muss (Ansätze dazu bereits im GG: Art. 6 Abs. 4, 9 Abs. 3, 14 Abs. 2, 15 GG).

      3. Das Sozialstaatsprinzip wird konkretisiert in verschiedenen Politikbereichen, z. B. in der:

      3.1 Sozialpolitik

      3.2 Bildungspolitik

      3.3 Gesundheitspolitik

      3.4 Wohnungspolitik

      3.5 Familienpolitik

      3.6 Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik

      Die wichtigste Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips ist durch das Sozialgesetzbuch (SGB) erfolgt (Kap. 4.1). Zum Sozialstaatsprinzip existiert eine umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (z. B. BVerfGE 1, 105; 5, 198; 10, 370; 22, 204; 35, 235 f.; 52, 346; 82, 85; 94, 263; 100, 284; 110, 445; 123, 363).

      2.2 Bildungsrecht und Föderalismus

      2.2.1 Bund und Länder im deutschen Föderalismus

      Bundesstaatsprinzip

      1. Begriff: Ein Bundesstaat ist ein Gesamtstaat, bei dem die Ausübung der Staatsgewalt auf einen Zentralstaat (Bund) und mehrere Gliedstaaten (16 Länder) aufgeteilt ist.

      2. Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern:

      2.1 Grundprinzip (Art. 30 GG): Grundsätzlich sind die Länder für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig, soweit das GG keine andere Regelung trifft oder zulässt.

      2.2 Zuständigkeitszuweisungen im Einzelnen:

      2.2.1 durch Spezialregelungen, z. B. Art. 32 GG (Auswärtige Beziehungen: Bund) oder Art. 104a ff. GG (Finanzwesen: Bund),

      2.2.2 oder nach Staatsfunktionen:

      – Art. 70 ff. GG: Gesetzgebung (überwiegend Bund)

      – Art. 83 ff. GG: Verwaltung (überwiegend Länder),

      – Art. 92 ff. GG: Rechtsprechung (überwiegend Länder).

      Das – historisch gewachsene – Bundesstaatsprinzip ist für die Staatspraxis der Bundesrepublik Deutschland von herausragender Bedeutung, da alle Staatsgewalten bzw. Zuständigkeiten entweder auf den Gesamtstaat Bundesrepublik Deutschland oder auf die 16 Bundesländer als Gliedstaaten aufgeteilt sind.

      Da das Grundgesetz dem Bund im Bereich des Schulwesens und des Schulrechts keine Kompetenzen zuweist, ist dieser wichtige Aufgabenbereich heute fast der einzige, den die Länder alleine gestalten können, sowohl was die Gesetzgebung und die Verwaltung als auch die immer wieder heftig umstrittene Schulpolitik anbelangt. Und dementsprechend unterschiedlich sind Schulrecht und Schulorganisation in den 16 Bundesländern ausgestaltet, vielfach zum Leidwesen von Schülern und Eltern, die in ein anderes Bundesland umziehen, wo „vieles ganz anders ist“ (Kap. 9 und