der Sozialen Arbeit ist. Institutionalisierung, ein aus der Soziologie stammender Begriff, umfasst in der Sozialen Arbeit die Prozesse zur sozial- und gesellschaftspolitischen, rechtlichen und mit beidem verbundenen organisatorischen Absicherung ihrer vielfältigen Angebote und Leistungen. Der Begriff der Institution wird generell und auch in der Sozialen Arbeit oft synonym mit dem der Organisation gebraucht. Institution und Organisation sind jedoch nicht ganz deckungsgleich. Der Begriff der Institution kann sich zwar auf Organisationen beziehen und konkrete, materielle, zweckgerichtete Einrichtungen (z. B. Parlament, öffentliche Verwaltung, Schulen) meinen. Darüber hinaus werden aus einer funktionalistischen Perspektive aber auch strukturerhaltende Elemente einer Gesellschaft wie beispielsweise die Ehe als Institutionen bezeichnet (Schubert / Klein 2011; Süß 2009).
Die um 1900 im deutschsprachigen Raum zunehmende Institutionalisierung der bis dato insbesondere im Bereich der Armenfürsorge ehrenamtlich und unsystematisch geleisteten Sozialen Arbeit ist zum einen auf die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls beginnende Verberuflichung von Sozialer Arbeit zurückzuführen (Hammerschmidt et al. 2017). Seitdem findet Soziale Arbeit in sich immer weiter ausdifferenzierenden, institutionellen und damit auch organisationsbezogenen Kontexten statt und die Organisationstatsache ist zu einem zentralen Merkmal professionalisierter Sozialer Arbeit geworden.
Die Organisationstatsache bezieht sich auf die Beobachtung, dass professionalisierte Soziale Arbeit immer in einer Organisation geschieht.
Diese Organisationstatsache ist nicht nur auf die Prozesse der zunehmenden Verberuflichung von Sozialer Arbeit zurückzuführen. Sie ist zum anderen auch darin begründet, dass es beginnend in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Aufbau der Sozialversicherung und damit einhergehend zu einer ebenfalls zunehmenden Institutionalisierung und staatlichen Verantwortungsübernahme für die Leistungen der Sozialen Arbeit gekommen ist.
Die Sozialversicherung ist der wichtigste Teil der sozialen Sicherung in Deutschland. Sie besteht aus folgenden fünf Zweigen: gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche Arbeitslosenversicherung, gesetzliche Pflegeversicherung.
Auf diese Entwicklungen geht das in Deutschland grundgesetzlich verankerte Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 bzw. Art. 28 GG) zurück.
Das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 GG) verpflichtet den Gesetzgeber, die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und Sicherheit zu beachten und soziale Gegensätze auszugleichen.
Die mit dem Sozialstaatsprinzip verbundenen zentralen übergreifenden sozialpolitischen Zielsetzungen soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit (§ 1 SGB I) und die sich daraus im Sinne des Sicherstellungsauftrages (§ 17 SGB I) für die unterschiedlichen Sozialleistungsbereiche ableitenden konkreten Verpflichtungen und Aufgaben werden auch durch die vielfältigen Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit und ihrer Organisationen flankiert und realisiert. Diese Ziele sind damit in den Organisationen institutionalisiert. Aus dieser Perspektive ist Soziale Arbeit ein Teil der „sozialstaatlichen Daseinsvorsorge“ (Maas 1996, 18), woraus sich für die unterschiedlichen Sozialleistungsbereiche konkrete Aufgabenstellungen ableiten lassen. Die Erwartbarkeit von Hilfe tritt dabei generell an die Stelle individualisierter Hilfsbereitschaft (Luhmann 1973).
Dies soll an der Kinder- und Jugendhilfe verdeutlicht werden: Gemäß § 1 Abs. 1 SGB VIII hat jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Von dieser Leitnorm ausgehend werden in § 1 Abs. 3 SGB VIII die Aufträge der Kinder- und Jugendhilfe konkretisiert: Kinder- und Jugendhilfe soll junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und ihren Beitrag dazu leisten, dass Benachteiligungen vermieden oder abgebaut werden. Kinder- und Jugendhilfe soll Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten, unterstützen und dazu beitragen, dass positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien geschaffen werden. Sie soll Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen. So weit, so gut. Damit jedoch diese Leitziele der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur auf programmatischer Ebene bestehen, sondern in der Praxis Wirkungen für junge Menschen und ihre Familien entfalten können, müssen sie vor Ort in konkrete Angebote und Leistungen übersetzt und von der freien und öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe angeboten werden. Erst durch diese Transformation der noch sehr allgemeinen Aufträge des § 1 SGB VIII in konkrete Angebote und die damit verbundene Institutionalisierung in Organisationen wird die Kinder- und Jugendhilfe in die Lage versetzt, den an sie gerichteten sozialpolitischen Auftrag einzulösen.
Dies hat auch zur Folge, dass die Aufgaben und damit auch die unterschiedlichen Angebote der Sozialen Arbeit immer auch gesellschaftlichen Definitions- und Aushandlungsprozessen unterliegen.
Innerhalb des breiten Spektrums der Theorien der Sozialen Arbeit wird dieser spannungsreiche Zusammenhang von Sozialer Arbeit und wohlfahrtsstaatlicher Leistungsverwaltung von der Theorie der organisierten Hilfe aufgegriffen und diskutiert. Auf die in dieser theoretischen Perspektive bestehende Gefahr, Soziale Arbeit als eine „systematisch nachgeschaltete Praxis“ und „organisatorisch begrenzte Praxis“ (Sandermann / Neumann 2018, 142) zu begreifen, kann an dieser Stelle nur verwiesen werden, eine ausführliche Diskussion ist nicht möglich.
Dass (angehende) Fachkräfte der Sozialen Arbeit einen Überblick über die Vielfalt der Organisationen in der Sozialen Arbeit, ihre sozialpolitischen Aufträge und ihre unterschiedlichen Rechtsund Finanzierungsformen haben, ist also einerseits für die eigene Orientierung in und zwischen den unterschiedlichen Feldern der Sozialen Arbeit wichtig. Darüber hinaus ist dieses Wissen auch im Sinne einer stellvertretenden Orientierung und damit auch für die Interessensvertretung der AdressatInnen von Bedeutung, da diesen vielfach die Organisationsstrukturen in der Sozialen Arbeit und ihre Zusammenhänge weitgehend unbekannt sind.
Die Vermittlung eines grundsätzlichen Wissens über die Systematik der Organisationen in der Sozialen Arbeit sowie über Rechts- und Finanzierungsformen ist daher ein zentrales Ziel dieses Lehrbuchs.
Damit wären jedoch die im Einstiegsszenario aufgeworfenen Fragen nur teilweise beantwortet, wie zu Recht angemerkt werden könnte und wie es auch im Titel des Lehrbuches bereits angedeutet ist. In der Tat gibt es noch eine weitere Antwort auf die Frage, warum sich SozialarbeiterInnen mit Organisation(en) in der Sozialen Arbeit befassen sollten. So ist mit der Organisationstatsache auch verbunden, dass Fachkräfte der Sozialen Arbeit in diesen Organisationen tätig werden. Rund 94% der SozialarbeiterInnen sind in einem Angestelltenverhältnis in Organisationen tätig (Wöhrle 2016). Damit geht das Handeln der Fachkräfte in der Praxis von diesen Organisationen aus. Mit Eintritt in eine der differenten Organisationen der Sozialen Arbeit, egal in welchem Handlungsfeld, werden die Fachkräfte zu einem Teil dieser Organisation. Ihr sozialarbeiterisches Handeln wird damit auch in mehrerlei Hinsicht durch die Organisation an sich und die damit verbundenen Fragestellungen beeinflusst. Was damit gemeint ist, soll im Folgenden skizziert werden.
Die Organisationen der Sozialen Arbeit sehen sich mit der Frage konfrontiert, wie sie organisiert sein sollten, damit sie ihre Ziele und Aufgaben möglichst gut und gleichzeitig auf eine für alle Beteiligten transparente und berechenbare Weise erreichen können. Dabei können der Aufbau und die Strukturen in den jeweiligen Organisationen durchaus sehr unterschiedlich sein, da die jeweiligen externen und internen Bedingungen der Organisation, ihre Größe und ihre Entstehungsgeschichte berücksichtigt werden müssen.
Vor Aufnahme ihres Studiums der Sozialen Arbeit hat die Studentin Laura ein zwölfwöchiges Praktikum im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe absolviert. Als Teil eines multidisziplinären Teams hat sie in ihrem Heimatort in einer stationären Wohngruppe mit jungen Menschen gearbeitet, die aus den