Eingrenzung auf die Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit leistet das Adjektiv „sozial“. Im Kontext der Sozialen Arbeit können in Anlehnung an Cremer et al. 2013 alle Leistungen und Angebote als personenbezogene soziale Dienstleistungen verstanden werden, die die Soziale Arbeit in ihren unterschiedlichen Praxisfeldern Einzelnen, Paaren, Familien und Gruppen zur Lösung sozialer Probleme und Überwindung problematischer Lebenslagen zur Verfügung stellt. Personenbezogene soziale Dienstleistungen sind damit das Ergebnis eines gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses darüber, welche Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit als gesellschaftlich notwendig und unhintergehbar betrachtet werden und damit in hohem Maße normativ bestimmt(Galuske 2001).
Personenbezogene soziale Dienstleistungen werden in einem beruflichen und entlohnten Kontext erbracht. Leistungen, die außerhalb eines solchen institutionalisierten Kontextes, beispielsweise im familiären oder ehrenamtlichen Bereich, erbracht werden, sind mit dem Begriff der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen nicht gemeint (Grunwald 2013a, Cremer et al. 2013).
Die vorangegangenen Überlegungen zu personenbezogenen sozialen Dienstleistungen im Kontext der Sozialen Arbeit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit können, wie auch die Leistungen und Angebote des Gesundheits- und Pflegebereiches, als personenbezogene soziale Dienstleistungen klassifiziert werden. Sie werden persönlich und interaktiv in den unterschiedlichen Praxisfeldern der Sozialen Arbeit im Rahmen einer professionellen und institutionalisierten Tätigkeit erbracht und zielen darauf, das Wohlergehen der jeweiligen AdressatInnen zu gewährleisten und / oder (wieder-) herzustellen bzw. zu verbessern.
2.3 Personenbezogene soziale Dienstleistungen: typische Merkmale
In der Auseinandersetzung mit Dienstleistungen können typische Merkmale identifiziert werden. Diese gelten mit einigen Modifikationen auch für personenbezogene soziale Dienstleistungen. Sie weisen auf die Besonderheiten bei der Leistungserstellung hin. Dies bleibt auch für die Organisationen, von denen sie erbracht werden, nicht folgenlos. Insbesondere ist dabei u. a. zu beachten, dass sich die Arbeit dieser Organisationen im Gegensatz zu anderen Organisationen, die etwa Güter produzieren, auf Subjekte bezieht. Dies bedeutet, dass mit allen Handlungen dieser Organisationen immer auch (Be-) Wertungen und Kategorisierungen verbunden sind, beispielsweise wenn Personen den Status von AdressatInnen der Sozialen Arbeit erhalten (Klatetzki 2010).
Insgesamt können die Merkmale personenbezogener sozialer Dienstleistungen und die damit verbundenen Herausforderungen wie folgt zusammengefasst werden (Arnold 2009; Cremer et al. 2013; Dahme / Wohlfahrt 2013; Klatetzki 2010):
Immaterialität / Intangibilität: Dienstleistungen sind in ihrem Kern immateriell und intangibel, d. h. sie sind nicht sichtbar und auch nicht greifbar. In den Erbringungsprozess können zwar auch Sachleistungen einfließen, die eigentliche Dienstleistung ist jedoch nicht gegenständlich. Das Ergebnis der Dienstleistung wiederum kann, muss aber nicht, immateriell sein. Es kann auch materiell sein bzw. materielle Bestandteile enthalten.
Die Beratungen, die in einer Suchtberatungsstelle zu den möglichen Formen stoffgebundener und stoffungebundener Süchte angeboten werden, sind immateriell und intangibel. Der für die Beantragung einer Entwöhnungsbehandlung z. B. bei der Deutschen Rentenversicherung erforderliche Sozialbericht, der die Ergebnisse der Beratungen zusammenfasst, Rehabilitationsformen empfiehlt und ggf. auf bei der Therapie zu beachtende Besonderheiten hinweist, ist das materielle Ergebnis des immateriellen Beratungsprozesses.
Aufgrund der fehlenden Gegenständlichkeit der zentralen Leistung kann im Vorfeld lediglich eine ungefähre Vorstellung von der Dienstleistung entwickelt werden, genau ist sie jedoch nicht bekannt. Eine vorherige Prüfung der Dienstleistung und ihrer Qualität sind somit im Gegensatz zu einem materiellen Gut wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt möglich. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Dienstleistung ist dadurch von einer Unsicherheit geprägt. Es bedarf eines Vertrauensvorschuss auf Seiten der nachfragenden Person, dass eine für die eigene individuelle Situation passende und effiziente Dienstleistung angeboten wird.
Im Vorfeld einer Suchtberatung ist es zwar möglich, sich den Ablauf und die Beratungsgespräche vorzustellen. Eventuell können auch Menschen zu ihren Erfahrungen mit dieser Suchtberatung befragt werden. Die Frage, ob die Suchtberatung auch für die eigene individuelle Situation die passende ist und ob die in einem anderen Fall erlebte Qualität der Leistung auch im konkreten Fall gegeben sein wird, kann im Vorfeld nicht abschließend beantwortet werden.
Einbeziehung der NachfragerInnen in die Dienstleistungserstellung: Dienstleistungen können nur erstellt werden, wenn die nachfragende Person oder ein ihr gehörendes Objekt in den Prozess der Dienstleistungserstellung einbezogen werden. Bei den personenbezogenen sozialen Dienstleistungen der Sozialen Arbeit wird in diesem Zusammenhang auch von der Koproduktion gesprochen: Gelingende Soziale Arbeit ist nicht das Resultat von einseitigen, ausschließlich durch die Fachkräfte geplanten Prozessen. Vielmehr entstehen Soziale Arbeit und ihre Ergebnisse durch die Interaktionen und die Einbeziehung und Beteiligung der AdressatInnen in die jeweiligen Hilfe- und Unterstützungsprozesse. Da es sich bei den AdressatInnen der Sozialen Arbeit oftmals um Menschen handelt, die zumindest zeitweise nicht aktiv für ihre Belange eintreten können, haben die Fachkräfte eine besondere Verantwortung, z. B. die Bedingungen so zu gestalten, dass die erforderlichen Interaktionen möglich werden (Spiegel 2018). Diese erforderliche Mitwirkung der AdressatInnen bei der Leistungserstellung einerseits und die Verantwortung der Fachkräfte andererseits haben sowohl Auswirkungen auf das Ergebnis der Dienstleistung, als auch auf ihre Qualität. Damit hängen Erfolg und Qualität der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen in der Sozialen Arbeit auch davon ab, wie die Beziehung zwischen Leistungserbringenden und Nachfragenden gestaltet ist. Auch hier, bei dem Aufbau einer förderlichen Arbeitsbeziehung, liegt die Verantwortung für die Gestaltung der dazu erforderlichen Bedingungen bei den Fachkräften der Sozialen Arbeit.
In der Sozialen Arbeit ist bei der Erstellung von Dienstleistungen meist ein aktives Zusammenwirken von NachfragerInnen und SozialarbeiterIn erforderlich: Eine Suchtberatung wird ohne eine aktive Beteiligung der betroffenen Person, die über eine reine Anwesenheit hinausgeht, schwer möglich sein. Der Erfolg des Beratungsprozesses hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil davon ab, ob sich die betroffene Person auf den Prozess eingelassen hat. Dabei sind die Fachkräfte der Suchtberatungsstelle dafür verantwortlich, die Bedingungen so zu gestalten, dass es für die betroffene Person auch tatsächlich möglich wird, sich auf den Prozess einzulassen und diesen mitzubestimmen.
Uno-actu-Prinzip: Bei personenbezogenen sozialen Dienstleistungen erfolgen die Produktion, also die Leistungserstellung, und der Konsum, also die Inanspruchnahme der Leistung, gleichzeitig. In dem Moment, in dem die Dienstleistung erstellt wird, wird sie auch verbraucht. In diesem Zusammenhang wird auch von dem Uno-actu-Prinzip gesprochen.
In dem Moment, in dem die Sozialarbeiterin über die Möglichkeiten in der Suchttherapie berät, nimmt der / die zu Beratende diese Informationen auf.
Konsequenz des Uno-actu-Prinzips ist es, dass die Dienstleistung an einen Standort gebunden ist. Dies gilt auch für die Soziale Arbeit: Die personenbezogene soziale Dienstleistung ist nicht transportfähig, sondern kann in den meisten Fällen nur dort erbracht werden, wo sich auch die AdressatInnen befinden. Nur in wenigen Ausnahmen, etwa im Bereich der Beratung, kann eine räumliche Distanz technisch überbrückt werden.
Beispiele