ihrer eigenen Entwicklungsgeschichte die Erde eroberten und immer neue Gebiete besiedelten, haben sie absichtlich oder unabsichtlich Pflanzen und Tiere mitgenommen, wodurch diese außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes gelangten und dort Fuß fassen konnten. Ursprünglich bezog sich diese Verbreitung von Nutzpflanzen und Nutztieren auf die Nahrungssicherung des Menschen. Passiv wurden jedoch auch Schädlinge der Nutzpflanzen oder Parasiten und Krankheitserreger der Haustiere und des Menschen selbst verbreitet, Vorratsschädlinge und ein breites Spektrum von Arten, die in den Besitztümern der Menschen unerkannt mittransportiert wurden. Im Laufe der menschlichen Ausbreitungsgeschichte erhöhte sich die Zahl dieser Arten immer mehr.
Bei der Eroberung der Welt waren die Menschen, von der Neuzeit abgesehen, auf ihre eigene Kraft angewiesen, d. h., sie gingen zu Fuß. Australien und Amerika konnten nur in einer sehr speziellen eiszeitlich bedingten Phase eines niedrigen Meeresspiegels vor 60 000 bzw. vor 15 000 Jahren erreicht werden. Viele entfernte Inseln konnten gelegentlich mit Booten erreicht werden. Solche Fahrten waren aber gefährlich, und regelmäßige Verbindungen konnten meist nicht aufrechterhalten werden.
Diese Situation änderte sich in Europa mit hochseetauglichen Schiffen und guten Navigationskenntnissen, die ab dem 15. Jahrhundert verfügbar waren. Die frühere Entdeckung Nordamerikas durch die Wikinger (Leif Eriksson um 1000) hatte zu keiner dauerhaften Besiedlung geführt, und Kolumbus entdeckte daher Amerika 1492 zum zweiten Mal, 1498 fuhr Vasco da Gama um die afrikanische Küste bis Indien, wenige Jahre später umrundete Magellan die Erde (1519–1522). In den folgenden Jahrhunderten der Kolonialzeit kam es mit einem immer dichter werdenden Netz von Schiffsbewegungen zwischen allen Teilen der Erde zu immer intensiveren Handelsbeziehungen. Die Phase der Kolonialisierung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) durch die Globalisierung und den Beginn des zivilen Massenflugverkehrs abgelöst (Abb. 1).
Auch wenn erst in unseren modernen Zeiten Arten innerhalb von 24 Stunden weltweit transportiert werden können und sie somit globale Distanzen lebend überdauern, ist es wichtig, in Erinnerung zu behalten, dass die heutige Dynamik auf Kolumbus zurückzuführen ist, also rund 500 Jahre alt ist. Seit der Entdeckung der Neuen Welt 1492 nahm der weltweite Personen- und Warenverkehr langsam, aber stetig zu, genauso wie die Zahl der nicht-einheimischen Arten, die weltweit transportiert und ausgesetzt wurden. Daher wird dieses Datum, gelegentlich auch auf 1500 gerundet, global als Beginn des Erscheinens von nicht-einheimischen Arten gewertet.
Es ist sinnvoll, solch einen Nullpunkt zu setzen, da man das vergleichsweise neuzeitliche Phänomen der Verschleppung von nicht-einheimischen Arten von den früheren historischen Prozessen trennen möchte. Wenn auch die Römer mit ihren Getreidelieferungen die häufigsten Ackerunkräuter aus dem europäischen Mittelmeerraum in Germanien etablierten, so ähnelt dieser Vorgang doch nur vordergründig dem modernen Transport von Kleesaatgut aus Kanada nach Europa, mit dem ebenfalls die entsprechenden Unkrautarten Kanadas in Europa etabliert wurden. Die zeitliche Grenzziehung bei 1500 zu setzen, könnte willkürlich genannt werden, ist jedoch recht geschickt gewählt. Bei der zeitlichen Analyse des Auftretens nicht-einheimischer Arten stellt man für Europa eine erste Welle neuer Arten zur Zeit des römischen Imperiums fest. Während der nachfolgenden Klimaänderung, die die germanische Völkerwanderung des 4. bis 6. Jahrhunderts und den Zusammenbruch der römischen Weltordnung auslöste (Nentwig 2005), sowie während der fast 1000 Jahre dauernden christlich-feudal geprägten gesellschaftlichen Stagnation im Mittelalter erhöhte sich die Zahl nicht-einheimischer Arten kaum. Mit der dann einsetzenden Renaissance änderte sich die Situation jedoch grundlegend und führte kontinuierlich bis zum heute noch anhaltenden Boom von nicht-einheimischen Arten.
Abb. 1: Zunahme der Anzahl nicht-einheimischer Pflanzen in Abhängigkeit von der Zahl der dauerhaften Siedler auf den Galapagosinseln. Nach Myers & Bazely (2003).
Dem zeitlichen Nullpunkt von 1492 haftet allerdings etwas Künstliches an, und er entspringt eindeutig unserem eurozentrischen Weltbild. Wenn dieser Nullpunkt auch in den weitaus meisten Fällen seine Berechtigung hat und unser Bedürfnis nach begrifflicher Klärung erfüllt, so ist aus ökologischer Sicht eine funktionale Definition eindeutig vorzuziehen. Diese bezieht sich auf die biogeografischen Grenzen zwischen den Kontinenten und das Kriterium der natürlichen Ausbreitung bzw. eigenständigen Erreichbarkeit eines neuen Lebensraumes.
Der historische Transport von Arten erfolgte in benachbarte Regionen. Selbst römische Ansiedlungen von Nutztieren und Nutzpflanzen erfolgten meist noch innerhalb von Europa. Im Wesentlichen war es erst ab 1492 möglich, Arten in zunehmend kurzer Zeit über biogeografische Grenzen hinweg zu verbreiten, also etwa von Übersee nach Europa. Somit konnten erst ab 1492 Arten in Lebensräumen erscheinen, in die sie auf natürliche Weise nie gekommen wären. Daher ist es ein prinzipieller Unterschied, ob ein Ackerunkraut von den Römern aus dem Mittelmeerraum nach Mitteleuropa verschleppt wurde oder ob es aus Kanada stammt.
Aus der großen Bedeutung von biogeografischen Grenzen geht hervor, dass es oft wenig sinnvoll ist, das Auftreten einer Art im Nachbarland als nicht-einheimisch zu interpretieren. Politische Grenzen sind für Arten unbedeutend, und es ist, etwa bei großräumigen Landnutzungsänderungen oder bei Klimaänderungen, jederzeit damit zu rechnen, dass einzelne Arten ihr Areal neu in ein Nachbarland ausweiten. Von nicht-einheimischen Arten zu reden, ist daher erst gerechtfertigt, wenn eine wichtige biogeografische Grenze überschritten wurde. Dies trifft zweifellos auf eine nordamerikanische Art zu, die nach Europa verschleppt wird, und in der Regel stimmt es auch für eine mediterrane Art, die in Skandinavien erscheint. Es macht jedoch keinen Sinn, von einer nicht-einheimischen Arte zu reden, wenn diese sich von Holland nach Norddeutschland ausbreitet. Die Bezeichnung einer Art als nicht-einheimisch erfordert daher eindeutig eine große geografische Distanz, die hier (zumindest aus europäischer Sicht) meist mit außerkontinental gleichgesetzt wird.
Zusammen mit dem Überschreiten von natürlicherweise sonst unüberwindbaren Barrieren spielt die für das Zurücklegen des Weges benötigte sehr kurze Zeit eine wichtige Rolle. Das plötzliche Auftauchen einer bisher unbekannten Art aus einer anderen biogeografischen Region lässt keine evolutive Anpassung von einheimischen und nicht-einheimischen Arten zu. Sofern sich die nicht-einheimische Art in der neuen Umwelt etabliert, kann sich ihre Anwesenheit daher dramatisch auf die einheimischen Arten auswirken. Diese hatten sich ihrerseits über lange Zeiträume optimal an ihre Umgebung angepasst. Für eine Anpassung an die neu auftauchende und offensichtlich erfolgreichere nicht-einheimische Art fehlt aber nun die erforderliche Zeit, sodass einheimische Arten seltener werden oder sogar lokal verschwinden können.
Bei nicht-einheimischen Pflanzen spricht man von Neophyten, bei Tieren von Neozoen und bei Pilzen von Neomyceten. Der Oberbegriff für alle gebietsfremden Organismen lautet Neobioten. Arten, die vor 1492 eingeschleppt wurden, werden als Archaeophyten, Archaeozoen, Archaeomyceten und Archaeobioten bezeichnet.
Warum immer mehr nicht-einheimische Arten?
Die weltweit in den letzten Jahrhunderten gestiegene Mobilität und der globalisierte Handel führen immer häufiger zum Auftreten von nicht-einheimischen Arten (Abb. 2). Ein überwiegender Teil dieser Neobioten kann sich am neuen Standort nicht etablieren, sodass sie wieder aussterben. Häufig ist es auch so, dass wenige Individuen für längere Zeit an einem Ort überdauern, es aber kein erkennbares Populationswachstum gibt. Ein kleiner Anteil der nicht-einheimischen Arten verhält sich aber entgegengesetzt: Diese Arten vermehren sich stark, vergrößern ihr Areal und zeigen schnell negative Auswirkungen auf ihre Umwelt. Diese sogenannten invasiven Arten wirken sich nachteilig auf die einheimische Biodiversität aus, verursachen wirtschaftliche Schäden und/oder schädigen den Menschen gesundheitlich.
Abb. 2: Zunahme