Rödiger Voss

Studi-Coach: Studieren für Anfänger


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1.2.2 Selbstkritisch denken

       Die Schuld nicht immer bei anderen suchen

      Sie gestalten Ihre Umwelt weitest möglich mit. Statt die Verantwortung immer nur bei anderen zu suchen oder sich zu beklagen, fangen Sie bei sich selbst an. Weist man die Schuld immer einseitig einem anderen zu, z.B. einem Dozierenden wegen einer schlechten Note, vergibt man ein Stück Kontrolle über sich. Schwächere Studierende machen oft den Fehler, zu wenig kritisch mit ihrer eigenen Leistung zu sein (Halbach 2000). Bessere Studierende sehen ihre guten Leistungen kritisch und versuchen stetig, Verbesserungspotenziale abzuleiten. Das heißt nicht, dass man alles schlecht oder überkritisch sehen sollte. Vielmehr ist eine normal kritische Selbstanalyse angesprochen. Auch offensichtliche Fehler bei der Notengebung (z.B. fehlerhafte Addition von Punkten) eines Dozierenden sollen selbstverständlich reklamiert werden.

       Fehler als Reflexionsanreiz

      Fehler sollten als Ansporn zur Verbesserung gesehen werden, denn Irren ist menschlich. Das perfekte Studium und der perfekte, fehlerlose Studienweg, bei dem nichts schief geht, existiert schließlich nicht. Sich einer solchen Illusion hinzugeben, bindet nur unnötig Energie und Kraft. Studieren trägt, wie das reale Leben, immer ein Stück Unvollkommenheit und Probleme in sich. Wo wäre sonst der Reiz? Ecken und Kanten gilt es zu akzeptieren und bestmöglich damit umzugehen, indem man daraus lernt und vermeidet, den gleichen Fehler mehrfach zu wiederholen. Wichtig ist es also, die Schwachstellen zu identifizieren und anzugehen.

       Negative Sichtweisen schränken ein

      Es bringt wenig, negativ über das Studium und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zu denken. Gerade das Positive zu finden und dadurch Motivation zu gewinnen, unterscheidet die erfolgreichen von den erfolglosen Studierenden (Çetingöza & Özkal 2009). Emotionen wie Ärger und Frust sind Hauptgründe für Versagen und Unzufriedenheit und rauben die Studienfreude. Aversionen gegen bestimmte Fächer („Statistik habe ich schon immer gehasst“) oder Dozierende („Der Idiot kritisiert immer nur“) sind kontraproduktiv. Auch im Beruf und übrigen Leben muss man mit Dingen umgehen, die einem auf den ersten Blick weniger sympathisch erscheinen. Von Bedeutung ist also, eine positive Grundstimmung zu gewinnen.

       Nutzen identifizieren

      Es ist sinnvoll, selbst in den „unbeliebten“ Fächern einen Nutzen zu identifizieren und sich ihnen emotional zu öffnen. Stellen Sie sich z.B. die Frage: „Was kann dieses Fach für meinen aktuellen oder potenziellen Beruf bringen?“ oder „Welche neue Kompetenzen kann ich durch das Fach erlangen?“ Anregungen eines Dozierenden können Sie gut als Chance für Ihre persönliche Entwicklung interpretieren. Schreiben Sie seine Kritik nieder und leiten Sie sofort Verbesserungsmaßnahmen daraus ab. Das positive Element kann auch indirekt gesucht werden: „Freunden imponieren“, „Dozierende für sich begeistern“ oder „ein Fach und seine Prüfung für seinen späteren Traumjob bestehen“. Wenn Sie nicht sofort für jedes Fach einen Nutzen herausfinden, schalten Sie Ihre Gefühle am besten in eine Art Standby-Modus, bevor eine Abneigung aufkommt. Ein Nutzen kristallisiert sich in vielen Fällen erst heraus, wenn Sie das Fach näher kennengelernt und verstanden haben.

       Studi-Tipp: Positiven Nutzen suchen

      Sie sind kein Fan des Fachs „Wissenschaftliches Arbeiten“, weil Zitierregeln und Literaturangaben einfach nur langweilen. Auch für ein kleines Forschungsprojekt in einer Arbeitsgruppe finden Sie kein großes Interesse. Suchen Sie einen positiven Nutzen. Denken Sie z.B. daran, dass in vielen Jobs das Arbeiten in Projektgruppen ein wichtiger Bestandteil ist. Denken Sie auch daran, dass eben diese Genauigkeit bei vielen Tätigkeiten strikt gefordert ist und man durch wissenschaftliches Arbeiten (z.B. exakte Zitierweise oder Literaturangaben) darin trainiert wird.

       Studi-Tipp: Einen motivierenden Ansatz suchen

      Sie hassen die Mathematik, die Sie für Ihr Studium brauchen. Alle Formeln sind für Sie böhmische Dörfer. Leider ist das Bestehen der Prüfung für den weiteren Studienweg entscheidend. Suchen Sie einen motivierenden Ansatz: Im Studium ist es wichtig, die Konzentration zu schulen und dies können Sie durch das Lernen und Analysieren der Formeln sicher. Zugleich trainieren Sie logisches und abstraktes Denken – auch eine elementare Voraussetzung für einen erfolgreichen Studien- und Berufsweg.

       Wie finde ich das Positive sonst noch?

      Suchen Sie bei anderen: Beobachten und befragen Sie z.B. Ihre Kommilitonen und Dozierenden, um das positive Element in den Fächern zu identifizieren und lassen Sie sich gegebenenfalls von deren Begeisterung anstecken. Durch deren positive Sichtweise schwört man auch keine bösen Geister herauf. Man umgeht, negative, sich selbst erfüllende Prophezeiungen hervorzurufen. Bei Letzteren handelt es sich um Annahmen oder Vorurteile, die rein aus der Gegebenheit heraus, dass sie gesetzt wurden, das vorhergesagte Ereignis zur Wirklichkeit werden lassen. Die Richtigkeit der negativen Grundannahme wird somit bestätigt (Merton 1948).

       Studienbeispiel

      Sie sind fest davon überzeugt, dass ein Dozierender Sie nicht besonders schätzt. Aus dem Grund werden Sie ihm gegenüber misstrauisch und respektlos, was sich in einem schlech-ten Verhalten (z.B. ins Wort fallen) zeigt. Durch Ihre Taten rufen Sie beim Dozierenden eventuell jene Geringschätzung hervor, die Ihrer im Vorhinein getroffenen Annahme entspricht. Er denkt über Sie „Mensch, hat der eine schlechte Kinderstube“.

       Fehlende Achtung kostet Kontakte

      Mangelnde Achtung vor anderen Meinungen und Personen schränkt die eigene mentale Freiheit ein. Urteilen Sie im Studium z.B. nicht immer kritisch über Kommilitonen („Der hat die gute Note nicht verdient, weil der dumm ist“) oder Dozierende („Der sollte einmal richtig sprechen lernen“). Die Urteile rufen bei Ihnen negative Gefühle hervor und verursachen Stress. Zudem beeinträchtigen Sie Ihre Fähigkeit zum sozialen Kontakt, weil man mit jemandem, den man gedanklich herabwürdigt, wenig oder nichts zu tun haben will. Man mindert also seine eigene Kontaktfähigkeit durch sein negatives Denken.

       Urteilsfreie Individuen sind glücklicher

      Sinnvoller ist es, mit anderen auch in seinen eigenen Werturteilen achtsam umzugehen. Ein solcher Ansatz entspricht nicht nur dem Kontext buddhistischer Lehre von Befreiung und Erleuchtung, sondern wird auch von einer Reihe westlicher Psychologen verfolgt. Kabat-Zinn (2003) spricht in diesem Zusammenhang von einer „nicht-urteilenden Qualität“ beim Umgang mit ablehnenden Gedanken: Nicht-urteilende Individuen treffen Entscheidungen mit größerer Klarheit, sind effektiver im Handeln und fühlen sich glücklicher als urteilende. Negative Gefühle werden durch die Würdigung von anderen Leistungen vermieden. Wer Achtsamkeit praktiziert, lernt auch, Erlebnisse mit anderen zu erleben, ohne sie unmittelbar in existierende negative Eindrücke einzufügen und mit früheren Erfahrungen zu verknüpfen. Dies eröffnet eine größere Offenheit gegenüber neuen Situationen und positiven Erlebnissen.

       Angst macht im Kopf unfrei

      Angst wirkt negativ auf das Leistungsverhalten, z.B. wenn Sie sich vor Prüfungssituationen zu viele Gedanken hinsichtlich der späteren Leistungsbewertung oder eines möglichen Versagens machen. Die Angst wird schnell zu Ihrem stetigen Begleiter –