und temporäre Arbeitskräfte über mehrere Jahre aufhalten, ohne offiziell als Migranten gezählt zu werden, dafür erfassen die US-amerikanischen Behörden auch illegal anwesende Personen ohne Aufenthaltsrecht. Beim Vergleich von statistischen Daten unterschiedlicher Länder kommt es somit zu Abgrenzungsproblemen und damit notwendigerweise zu Problemen der internationalen Vergleichbarkeit.
Abzugrenzen von der internationalen Migration ist die Binnenmigration, die ebenfalls kein neues Phänomen darstellt, aber seit einiger Zeit in den deutschen Medien vermehrt thematisiert wird: Hier handelt es sich in der Gegenwart überwiegend um Wanderungsbewegungen aus dem ländlichen bzw. kleinstädtischen Raum in die Großstädte bzw. Ballungsräume und damit praktisch um die langsame „Entvölkerung“ der ländlichen Räume, in denen die Zuzüge insbesondere junger Menschen die Abgänge (vulgo: den Tod) unterschreiten.
Diese teilweise Entvölkerung ländlicher Gebiete, die mit einem vermehrten Zuzug vor allem junger Menschen in Ballungsräume wie München, Hamburg und Berlin korrespondiert (die fast die gesamte ostdeutsche Provinz, aber beispielhaft auch Teile von Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordbayern und Nordhessen trifft) ist bei Weitem kein deutsches Phänomen, wie Sie sich exemplarisch z.B. am Zentralmassiv in Frankreich oder an weiten Teilen der baltischen Staaten klarmachen können. Ob und inwiefern die Corona-Krise diesen langjährigen Trend verlangsamt oder gar umkehrt – Argumente dafür gibt es in der Tat: Weniger Menschen im Raum, geringere Mietkosten, die Möglichkeit, weitgehend online zu studieren und in einigen Berufen auch im Homeoffice zu arbeiten – wird die Zukunft zeigen.
Diese Wanderungsbewegungen wirken nicht nur auf Individuen oder geografisch verstandene „Kollektive“, sie haben auch einen schleichenden Einfluss auf die Funktionsfähigkeit von Gebietskörperschaften: Dies bedeutet nichts anderes, als dass es mittelfristig in Frage stehen wird, inwieweit Kommunen (noch dazu technologisch „abgehängte“) oder auch kleine europäische Peripheriestaaten in der Lage sein können, ihren heutigen verfassungsgemäßen Pflichten zu genügen.
Im Folgenden werden wir uns eingehender mit Fertilität und Migration beschäftigen: Die Lebenserwartung bzw. Mortalität scheint – ohne technische Innovationen – in den vergangenen Jahren im reichen Teil der Welt und damit auch Deutschland relativ konstant zu sein. Aber Vorsicht! Dieser Wert ermittelt sich als gewichtetes Mittel von etwa 84 Jahren bei Frauen und 77 Jahren bei Männern. Wenn als Durchschnittswert der Lebenserwartung in Deutschland 81 Jahre angegeben werden, ist das mathematisch sicher korrekt, inhaltlich aber sinnlos.
Ebenso wichtig sind die Aussagen einer im Sommer 2020 von Rau und Schmertmann vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock publizierten Studie, die die Lebenserwartung in allen 402 Landkreisen Deutschlands untersucht. Dabei kamen in den Extrema Differenzen von 5 Jahren bei Männern und 4 Jahren bei Frauen zu Tage.1[19]
Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 2015 ging u.a. an den US-Amerikaner Angus Deaton für seine Analyse des Konsums, der Armut und des Gemeinwohls.
Nach Analyse von Kranken- und Sterbedaten wies Deaton nach, dass die Lebenserwartung und die Gesundheit weißer US-Amerikaner mittleren Alters insgesamt rückläufig sind. Dies ist besonders ausgeprägt bei US-Amerikanern mit niedriger Bildung, d.h. mit Highschool-Abschluss oder weniger. Mit Anne Case veröffentlichte Deaton im Jahr 2020 das Buch „Deaths of Despair and the Future of Capitalism“.
Auch in Japan, dem Land mit der höchsten Lebenserwartung, scheint seit etwa 10 Jahren ein Sättigungspunkt (bzw. Sättigungspunkte für Männer und Frauen) erreicht worden zu sein; die Menschen werden im statistischen Durchschnitt derzeit nicht mehr messbar älter.
Zu ethischen Problemen der technischen Lebensverlängerung sind z.B. Hararis Überlegungen in „Homo Deus“ lesenswert. Etwas „hemdsärmliger“ ist Boris Palmers Meinungsbeitrag in der Welt „Nüchterne Analyse, keine falsch verstandene Pietät“.[20]
2.1 Fertilität
Wenn über den Alterungsprozess in unserer Bevölkerung berichtet wird, fallen zumeist zwei Begriffe. Die Fertilität oder Fruchtbarkeitsrate und die durchschnittliche Lebenserwartung.
Tabelle 2.1 gibt Ihnen einen Überblick über die Fertilität im Sinne von Definition 2.2 in Europa und einigen ausgewählten entwickelten Volkswirtschaften Asiens für das Jahr 2017.
Land | Fertilität |
---|---|
Belgien | 1,78 |
Dänemark | 1,73 |
Deutschland | 1,591 |
Frankreich | 2,07 |
Italien | 1,43 |
Lettland | 1,51 |
Russland | 1,61 |
Schweden | 1,88 |
Spanien | 1,49 |
China | 1,70 |
Japan | 1,41 |
Singapur | 0,82 |
Süd-Korea | 1,25 |
Taiwan | 1,12 |
Tab. 2.1:
Fertilitäten in ausgewählten Ländern (Quellen: CIA-Factbook 2017 und laenderdaten.de)
Wenn wir 2,1 Kinder pro Frau als groben Richtwert für das Bestandserhaltungsniveau in Mitteleuropa akzeptieren, d.h. dass sich so langfristig die Geburten und die Todesfälle ausgleichen, sehen wir, dass Frankreich das einzige Land in dieser Liste ist, in dem dieser Wert näherungsweise erreicht wird.
Tatsächlich ist aber Vorsicht geboten, eine Argumentation auf einer so verkürzten Datenbasis aufzubauen. Eine brauchbare statistische Analyse erfordert die Betrachtung der betreffenden Größe im Zeitverlauf. Dies werden Sie unmittelbar verstehen, wenn Sie versuchen, Daten zur Fertilität für einzelne Länder für z.B. 2016 oder 2018 mit den hier angegebenen Werten in Beziehung zu setzen (s. auch Selbsttestaufgaben am Ende dieses Kapitels).
Weil die Daten Stichtermin- (bzw. Kalenderjahr-)Charakter haben, können sie auch per definitionem nicht die Anzahl der Kinder heute lebender junger Frauen angeben. Ein etwas besserer, aber trotzdem unvollständiger Eindruck entwickelt sich, wenn man diese Daten um einen deutlich umfangreicheren Überblick zur Entwicklung der Geburtenzahlen weltweit ergänzt, wie in Tabelle 2.2 von 2005 bis 2017. Dabei sind die Ländernamen entsprechend ihren englischen Namen alphabetisch geordnet.
Land | 2017 | 2013 | 2011 | 2009 | 2007 | 2005 |
---|---|---|---|---|---|---|
Albanien ** | 13,20 | 12,57 | 12,15 | 15,29 | 15,16 | 15,08 |
Algerien ** | 22,00 | 24,25 |
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