der Pharmafirma Celgene durch Bristol-Myers Squibb im Jahre 2019.
Wenn in Relation zu Sachwerten und möglichen sinnvollen Investitionen zuviel Geld vorhanden ist, „sucht dieses verzweifelt profitable Anlagemöglichkeiten.“ Dazu korrespondiert auch der massive Abzug von Finanzmitteln der entwickelten Staaten (bzw. deren Finanzinstitutionen) aus den sogenannten Emerging Markets zu Beginn der Finanzkrise, der Wiederanlage und dem erneuten Abzug im Zuge der Corona-Krise.
Abbildung 1.4 verdeutlicht, dass unsere wichtigsten Handelspartner im Gegensatz zu den meisten europäischen Partnerstaaten nicht nur in Europa liegen. Wenn man von der EU als Ganzes abstrahiert, war China 2019 bereits das vierte Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner.
Während das lange heiß diskutierte Transatlantic Trade and Investment Partnership-Handelsabkommen (TTIP) auf absehbare Zeit erledigt zu sein scheint, bleibt es für Deutschland von besonderem Interesse, zu erahnen, welche Auswirkungen das Ende 2020 unterzeichnete Regional Comprehensive Economic Partnership-Abkommen (RECP) und eine mögliche Wiederbelebung des ebenfalls totgesagten Trans-Pacific-Partnership-Abkommen (TPP) haben können.
Exporte und Importe der wichtigsten Handelspartner Deutschlands 2019 in Mrd. Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt[7])
Tatsächlich sind die USA relativ gesehen gering in den Welthandel integriert. Daran ändern auch die Militärexporte, die amerikanische Ölindustrie, weltbekannte und geschätzte Marken wie Microsoft, Apple, Google, Facebook, Coca Cola, Levi Strauss, Hollywood und Mickey Mouse und die Diskussion zum Außenhandelsüberschuss Chinas nichts. Die Summe von Importen und Exporten dividiert durch das BIP betrug im Jahre 2017 lediglich 27,54% im Vergleich zu 86,53% für Deutschland bei einem Weltdurchschnitt von 58,02%. M.a.W.: Die USA können es sich bei ihrer geografischen Größe, vorhandenen Rohstoffen und ihren Streitkräften noch am ehesten leisten, aus der Weltwirtschaft weitgehend „auszusteigen“.4[8]
Handelspolitik ist auch oder vor allem Machtpolitik. Das Paradigma des weltweiten Freihandels, repräsentiert durch die World Trade Organization (WTO), wurde in den letzten Jahren weitgehend aufgegeben. So waren die USA in die bis dato gescheiterten Abkommen TTIP und TPP involviert, während China (neben Russland und Indien) an keinem der beiden Verträge teilhaben sollte. Ende 2020 war es schließlich China,unter dessen unbestrittener Führung das RECP unterzeichnet wurde. Jenseits der bis dato gescheiterten beiden großen Verträge sind das Zustandekommen von Freihandelsverträgen der EU mit Vietnam, Schwellenland mit über 90 Mio. Einwohnern, im Jahre 2015, Kanada im Jahre 2017, der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft Japan im Jahre 2019 und Mexiko im April 2020 für Deutschland als Teil der EU sehr erfreulich.
Wir müssen uns, wenn wir mögliche zukünftige Pfade der gesellschaftlichen (und damit natürlich der wirtschaftlichen) Entwicklung Deutschlands erahnen wollen, auf historische wie juristische, wirtschaftliche, soziale und machtpolitische Argumentationen einlassen.
Eine bzw. die große Unbekannte stellt dabei die rasante TechnologieentwicklungTechnologieentwicklung und die dazu korrespondierende Machtkonzentration von Individuen, Unternehmen und Staaten dar (Stichworte Big Data, soziale Netzwerke, Autonomie des Individuums, öffentliche Sicherheit).
Noch vor weniger als einer Generation5 gab es keine Smartphones, kaum Internet, damit auch keine internetbasierten sozialen Netzwerke, kein GPS u.v.m.: Wir können also nicht wissen, welche technischen Innovationen unser Leben zukünftig verändern werden. Fahrerlose Züge und selbstlenkende Lkws erscheinen in näherer Zukunft wahrscheinlich, anders sieht dies (noch?) mit autonomem Fahren von Pkws aus. Abgesehen davon, was Nassib Taleb das unbekannte Unbekannte nannte, wovon wir noch überhaupt nichts ahnen! Letztlich kann sich moderne Technologie durchsetzen, wenn sie hinreichend skalierbar ist und die rechtlichen Rahmenbedingungen bzw. die Absenz von Verboten gegeben sind. Sie muss sich dann aber nicht durchsetzen.
Schauen Sie sich zum Beispiel in Ost- wie Westdeutschland verlegte Comics aus den 1950er Jahren an, in denen es jeweils von atomgetriebenen selbstlenkenden Autos u.v.m. wimmelt. Sehr zu empfehlen ist diesbezüglich auch die Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“, deren 1. Teil im Jahr 1985 präsentiert wurde.
Wenn man sich grafische Darstellungen der Entwicklung des Welthandels vor Augen führt, die in den letzten 10 bis 20 Jahren erstellt wurden, so suggerieren diese ein ungebremstes zukünftiges Ansteigen des Welthandels (mit einer „kleine Delle“, die zum Ausbruch der Finanzkrise korrespondiert), das mit unserem heutigen Wissen in dieser Form nicht eintreten wird (vgl. z.B.[9]).
Unklar sind die mittel- und langfristigen Auswirkungen der DigitalisierungDigitalisierung als wichtigster Treiber von Technologie auf den Arbeitsmarkt. Während die DigitalisierungDigitalisierung von Dienstleistungen naturgemäß Grenzen hat, zeichnet sich bereits ab, dass der WelthandelWelthandel insgesamt rückläufig werden muss, wenn zahlreiche Güter zukünftig vor Ort z.B. aus einem 3D-Drucker kommen. Ob und inwieweit die Anwendung der Blockchain-Technologie (derzeit sind etwa die Hälfte der Kosten im internationalen Handel mit Zolldokumenten und weiterer Bürokratie verbunden) diesen zur kostengetriebenen Hyperglobalisierung gegenläufigen Trend verlangsamen oder aufhalten kann, bleibt abzuwarten (vgl. Kapitel 10).
Übertriebenes Beispiel?!
Bekannt ist, dass die durchschnittliche Körperlänge der deutschen Bevölkerung im 20. Jahrhundert pro Generation (annahmegemäß 25 Jahre) um 3,8 cm zunahm. In diesem Zusammenhang lesen wir die fiktive Behauptung einer gedachten deutschen Boulevardzeitung „Deutsche im Jahr 3000 4 Meter lang!“
Lassen Sie uns zunächst über die zahlreichen Annahmen und die Art des Zustandekommens der Behauptung nachdenken. Nicht gegeben ist hier, ob es sich um Aussagen zur männlichen, zur weiblichen oder zur Gesamtpopulation handelt. Nehmen wir einmal an, dass es sich um die deutsche Gesamtbevölkerung handelt. (Auch hierzu sollten Ihnen bereits einige weitere Fragen einfallen.6)
In der fiktiven Schlagzeile sind weder die durchschnittlichen Körperlängen im Jahre 1900 noch im Jahre 2000 gegeben. Nehmen wir nun an, dass die das 20. Jahrhundert betreffende Aussage stimmt. Dann reicht es uns, einen dieser beiden Eckwerte zu kennen. Wenn die deutsche Gesamtbevölkerung im Jahre 2000 fiktiv durchschnittlich 175 cm lang war, dann war sie im Jahre 1900 175 cm – 3,8 ∙ 4 cm = 159,8 cm lang oder anders herum.
Die 159,8 cm Durchschnittslänge im Jahre 1900 und die 175 cm im Jahre 2000 gehören also zusammen. Mehr wissen wir erst einmal nicht. Nur, dass die Durchschnittslänge der Deutschen von 1900 bis 2000 um 15,2 cm gestiegen ist. Oder glauben Sie, dass 1925, 1950 und 1975 so genau gemessen wurde? Die Teilung durch die Anzahl der Generationen (deren gewählte Länge, wenn man den Begriff wörtlich nimmt, mit fortschreitender Zeit nichtlinear länger geworden sind) ist ebenso willkürlich.
Im 20. Jahrhundert gab es zwei Weltkriege mit insgesamt mehr als 70 Millionen Toten allein in Europa und darauf folgenden Hungersnöten und Grippen (das bekannteste Beispiel ist die Spanische Grippe nach dem I. Weltkrieg). Glauben Sie wirklich, dass die Deutschen im Durchschnitt kontinuierlich gewachsen sind? Ihnen fallen sicher noch viele weitere Fragen ein …
Die „Analytik“ ist nun, wenn wir die bereits gestellten Fragen verdrängen, ziemlich simpel. Die geschätzte Körperlänge im Jahr 3000 ergibt sich hier als Körperlänge im Jahre 2000 in cm + Anzahl der Generationen von 2000–3000, also 40, mal 3,8 cm. Damit sind wir bei 175 cm + 40 ∙ 3,8 cm = 327 cm (das sind „großzügig“ nach oben aufgerundet 4 Meter).
Die wirkliche „Frechheit“ ist, dass Sie aus einer kurzen Beobachtungsperiode (bzw. nur aus deren Eckpunkten), bei der mit Sicherheit kein lineares Wachstum der Körperlänge vorlag, auf eine viel längere Schätzzeit linear extrapolieren.
Überprüfen Sie sich selbst, inwieweit Sie den „Betrug“ bereits am Anfang bemerkt haben und erinnern Sie sich ggf. an dieses „Beispiel“, wenn Sie in den Medien bzw. im Beruf mit Behauptungen konfrontiert werden, bei denen