Reinhard J. Wabnitz

Grundkurs Familienrecht für die Soziale Arbeit


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werden insbesondere konkretisiert durch: das Buch 4. BGB (Familienrecht) –– §§ 1626 ff. Elterliche Sorge –– §§ 1773 ff. Vormundschaft Art. 6 Abs. 3 GG und das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe): Schutzaufgaben des Jugendamtes (§§ 8a, 42 ff. SGB VIII); ferner: Eingriffsbefugnisse des Familiengerichts (§§ 1666 ff. BGB) „Dazwischen“ gibt es umfassende präventive sowie Familien unterstützende, ergänzende und ggf. ersetzende Leistungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe (§§ 11 bis 41 SGB VIII).

      Im Grundgesetz selbst können nur ganz zentrale Wert- und Verfassungsentscheidungen getroffen werden. Von daher bedürfen Normen des Grundgesetzes der Konkretisierung durch die so genannten einfachen Gesetze des Bundes und der Länder. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird dementsprechend vor allem konkretisiert durch das elterliche Sorgerecht in den §§ 1626 ff. des Buches 4. BGB Familienrecht. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG („staatliches Wächteramt“) wird zum einen konkretisiert durch die genannten Paragraphen des Sozialgesetzbuches Achtes Buch – SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) mit Aufgaben des Jugendamtes und andererseits durch Eingriffsbefugnisse des Familiengerichts (aufgrund von § 1666 BGB; siehe dazu Kapitel 10). Zwischen diesen beiden Polen liegt ein breites Feld von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe.

      Unter dem „Dach“ von Art. 6 Abs. 2 GG entfalten sich mithin Familienrecht und Kinder- und Jugendhilferecht in einer mannigfach aufeinander bezogenen Weise. In Buch 4. BGB Familienrecht wird an zahlreichen Stellen auf das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) verwiesen, und umgekehrt wird an etlichen Stellen im SGB VIII das Regelwerk des Buches 4. BGB Familienrecht vorausgesetzt. Das 4. Buch Familienrecht (BGB) und das SGB VIII bilden also in weiten Teilen gleichsam eine Einheit, die getrennt voneinander nicht vollständig begriffen werden kann. Allein aus didaktischen und systematischen Gründen empfiehlt es sich allerdings, den Einstieg in das Familienrecht und in das Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) zunächst „getrennt“ zu suchen, um danach verstärkt auf die jeweiligen Zusammenhänge und Verflechtungen einzugehen.

      Vertiefung: Aus der Sicht des Elternrechts rankt sich das Kinder- und Jugendhilferecht gleichsam „zwiebelförmig“ um dieses herum. Das SGB VIII beinhaltet grundsätzlich freiwillige Leistungen, die in Anspruch genommen werden können, aber nicht in Anspruch genommen werden müssen. Entsprechend den in Übersicht 3 gekennzeichneten vier Alternativen gestaltet sich das Kinder- und Jugendhilferecht – aus Sicht der grundgesetzlich verbürgten Elternrechte – jedoch schrittweise „intensiver“: bis hin schließlich zu dem Punkt, wo etwa bei Kindeswohlgefährdung sogar Eingriffe in die Elternrechte (durch das Familiengericht) erforderlich sind.

      Übersicht 3

      Elternrecht und Kinder- und Jugendhilfe

      Eltern / Alleinerziehende haben die Pflicht, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen (Art 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie §§ 1626 ff. BGB):

      1. Alternative: Die Eltern gewährleisten günstige Entwicklungsbedingungen für ihre Kinder (entsprechend §§ 1626 ff. BGB): Es sind keine Maßnahmen nach dem SGB VIII erforderlich.

      2. Alternative (faktisch der häufigste Fall!): Die Eltern suchen ergänzende / unterstützende Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe: z. B. in Form von Kindesbetreuung oder -pflege (§§ 22 ff. SGB VIII), Familienbildung, -freizeiten, -erholung, Frühen Hilfen (§ 16 SGB VIII) oder von speziellen Angeboten der Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 19 bis 21 SGB VIII).

      3. Alternative: Die Eltern suchen Unterstützung in schwierigen Situationen: z. B. durch Eheberatung oder Beratung in Fragen von Trennung, Scheidung oder bei Sorge-, Umgangs- oder Unterhaltsfragen (§§ 17, 18 SGB VIII).

      4. Alternative: Die Eltern haben im Falle von (drohenden) Erziehungsdefiziten Bedarf hinsichtlich spezieller sozialpädagogischer Hilfe und Unterstützung im konkreten Einzelfall und damit Anspruch auf Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff. SGB VIII):

      – Beantragen die Eltern eine solche Hilfe nicht, erhalten sie auch keine Hilfe / Unterstützung. Der Grundsatz lautet: keine Zwangshilfen in die Familie!

      – Grenze jedoch bei Kindeswohlgefährdung – dann Maßnahmen ggf. auch gegen den Willen der Eltern nach §§ 8a, 42 SGB VIII sowie § 1666 BGB.

      Es gibt eine große Anzahl von Gesetzen des Familienrechts im BGB und in anderen Gesetzen. Dabei kann man systematisch folgende Arten von familienrechtlichen Gesetzen unterscheiden:

      • Familiengesetze des Zivilrechts: Im Zivilrecht geht es um Rechtsbeziehungen zwischen natürlichen und juristischen Personen (des Zivilrechts), die sich regelmäßig „gleich geordnet“ gegenüberstehen.

      • Familiengesetze des öffentlichen Rechts: Das öffentliche Recht ist dadurch gekennzeichnet, dass auf zumindest einer Seite der Rechtsbeziehungen ein Träger hoheitlicher Verwaltung steht – oft, aber nicht immer, in einem Überordnungsverhältnis gegenüber dem Bürger.

      • Materiell-rechtliche Gesetze des Familienrechts: Materielles Recht regelt, was Recht ist bzw. was rechtens ist.

      • Formell-rechtliche Gesetze des Familienrechts: Das formelle Recht oder Verfahrens- oder Prozessrecht regelt demgegenüber, wie Recht (zumeist über Gerichte) durchgesetzt wird.

      Es gibt mithin jeweils materiell- und formell-rechtliche Gesetze sowohl des Zivilrechts als auch des öffentlichen Rechts. Über allen diesen Gesetzen steht – als oberste Rechtsquelle – das Grundgesetz.

      In den Tabellen 1 und 2 werden die wichtigsten Gesetze des Familienrechts entsprechend der oben vorgenommenen systematischen Differenzierung benannt.

Materielles Recht Formelles Recht
BGB 4. Buch Familienrecht Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
BGB 1., 2., 5. Buch Zivilprozessordnung (ZPO)
Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB)
Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
Versorgungsausgleichsgesetz Personenstandsgesetz (PStG)
Gesetz über die religiöse Kindererziehung (RKEG) Betreuungsbehördengesetz



Materielles Recht Formelles Recht
Sozialgesetzbuch VIII. Buch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe Sozialgesetzbuch VIII. Buch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
Einkommensteuergesetz (EstG)
Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG)
Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG)