Stefan Brönnimann

Klimatologie


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       Die Entdeckung der Tropopause und der Ozonschicht

      In den 1890er-Jahren wurden vor allem von zwei Forschungsgruppen in Frankreich (in Trappes bei Versaille) und im Deutschen Reich (in Straßburg, später in Berlin und Lindenberg) Registrierballone entwickelt, die Vorläufer der heutigen Wetterballone. Die Registrierballone trugen meteorologische Geräte, welche die Daten auf Papierstreifen aufzeichneten. Man musste die Geräte also jedesmal wiederfinden, was für operationelle Zwecke wie die Wettervorhersage natürlich unbrauchbar war. Trotzdem war diese Technologie für die Wissenschaft enorm wichtig. Bald erreichten Ballone Höhen von über 10 km. In diesen Höhen fand der französische Meteorologe Gustave Hermite höhere Temperaturen als erwartet. Lange Zeit hielt man diese für Messfehler: Das Messgerät erhitzte sich aufgrund der Sonnenstrahlung, und diese Wärme konnte in der immer dünner werdenden Luft nicht mehr abgeführt werden (der Strahlungsfehler betrifft in abgeschwächter Form auch heutige Ballonmessungen und muss korrigiert werden). Erst duch viele Aufstiege mit unterschiedlichen Systemen, am Tag und in der Nacht, und letztlich sogar mit einem gleichzeitig mit einem Wetterballon aufsteigenden bemannten Ballon 1901 konnte der Einfluss der Strahlung ausgeschlossen werden. In diesem Aufstieg führten die beiden Piloten Arthur Berson und Reinhard Süring in einer offenen Gondel bis auf 10.5 km Höhe Messungen durch und stellten damit gleichzeitig einen Höhenrekord auf, der 30 Jahre Bestand hatte.

      Innerhalb kurzer Zeit, im Jahr 1902, publizierten die beiden Gruppen um Louis Teisserenc de Bort und Richard Assmann unabhängig voneinander ihre Resultate. Zwei Aufstiege Assmanns in Berlin sind in Abb. 2-5 (rechts) gezeigt; die Tropopause zeigt sich deutlich bei knapp 10 km Höhe. Assmanns Assistent Arthur Berson führte 1908 erstmals Messungen in den Tropen durch und fand, dass dort die Temperatur auch oberhalb von 10 km weiter abnimmt und erst bei 16–18 km konstant wird. Er vermutete, dass seine dort gefundene Temperatur von –90 °C die wohl niedrigste bis anhin gemessene Temperatur der Atmosphäre war. Die Bezeichnungen «Stratosphäre» und «Tropopause» folgten erst später, anfangs nannte man das Phänomen einfach «obere Inversion» (eine Inversion ist eine Sperrschicht, welche vertikalen Austausch unterbindet; vgl. Kap. 4).

      Interessanterweise fand Berson in der äquatorialen Stratosphäre Westwinde statt der erwarteten (und nach dem Krakatauausbruch anhand der Zugrichtung der Aschewolke beobachteten) Ostwinde. Es gelang erst 55 Jahre später, die beiden Beobachtungen zu vereinen: Die Winde in der äquatorialen unteren Statosphäre wehen jeweils ungefähr ein Jahr von West nach Ost, danach ungefähr ein Jahr von Ost nach West, die «Quasi-Bienniale Oszillation» (vgl. Kap. 10.2).

      Fünf Jahre nach Bersons Messungen bestimmte Charles Fabry anhand der Absorption ultravioletter Strahlung erstmals die Ozonmenge in der Atmosphäre. Er fand, dass diese sehr viel größer war, als aufgrund der Konzentrationen in der Troposphäre erklärt werden konnte. Weiter oben musste sich also eine große Menge Ozon befinden. Er postulierte eine stratosphärische Ozonschicht. Seit den 1920er-Jahren wurde dann die gesamtatmosphärische Ozonmenge zuerst in Oxford, dann in Arosa in der Schweiz mittels UV-Absorption fast täglich gemessen. Die Reihe in Arosa wird bis heute weitergeführt.

      Chemische Vorgänge spielen in der Atmosphäre eine wichtige Rolle. Die Ozonschicht in der Stratosphäre schützt Leben auf der Erdoberfläche vor schädlicher Strahlung und bestimmt durch Strahlungsabsorption das Temperaturprofil der Stratosphäre. In der Troposphäre besorgen chemische Reaktionen, meist ausgelöst durch das Hydroxylradikal OH, die Entfernung von Schadgasen. Dabei können auch flüssige oder feste Teilchen – Aerosole – entstehen. Da viele Spurengase und Aerosole Strahlung absorbieren, sind die chemischen Vorgänge und die klimatischen Vorgänge miteinander gekoppelt. In diesem Kapitel werfen wir einen kurzen Blick auf chemische Vorgänge in der Atmosphäre. Dabei stellen wir die Ozonchemie in den Vordergrund, da Ozon nicht nur in mehrfacher Weise für Mensch und Klima relevant ist, sondern beispielhaft für das Zusammenspiel von chemischen Vorgängen, Strahlung und Transportprozessen steht. Ozon stellt außerdem via Bildung von OH-Radikalen den Ausgangspunkt vieler anderer chemischer Vorgänge der Troposphäre dar.

      In der Stratosphäre befindet sich am meisten Ozon; in Bodennähe kann es zu menschgemachtem Ozonsmog kommen

      Ozon ist in der Atmosphäre vertikal sehr ungleich verteilt ( Abb. 2-3). Abb. 2-6 zeigt ein Ozonprofil über der Schweiz an einem Sommertag, einmal ausgedrückt als Partialdruck (Skala unten), was der Massenkonzentration entspricht, einmal als Volumenmischungsverhältnis (Skala oben). Der größte Teil des Ozons (also der Masse) befindet sich in der Stratosphäre. Mengenmäßig liegt das Maximum bei 20–25 km, die Konzentration ist auf etwa 30–35 km am höchsten. In Bodennähe kann es im Sommer zu photochemischer Produktion von Ozon aus menschgemachten Vorläuferschadstoffen kommen, sogenanntem Sommersmog. Allerdings sind die Ozonkonzentrationen deutlich geringer als diejenigen in der Stratosphäre. Ein Volumenmischungsverhältnis von 75 ppb Ozon (vgl. Box 2.2) in der bodennahen Luft ist aus gesundheitlicher Sicht bedenklich; in der Stratosphäre erreicht das Mischungsverhältnis das Hundertfache.

       Konzentrationsmaße

      In einem Kontinuum wie der Atmosphäre interessiert uns oft nicht die Stoffmenge sondern die Konzentration. Stoffkonzentrationen können auf ganz verschiedene Arten angegeben werden. Da das Volumen eines idealen Gases nur von Temperatur und Druck abhängig ist (vgl. Kap. 4.2), also die gleiche Stoffmenge unterschiedlicher Gase immer dasselbe Volumen hat, bietet sich das Volumenmischungsverhältnis als Maß an. Dieses kann in Prozent ausgedrückt werden, dies macht aber nur für die drei häufigsten Gase Stickstoff, Sauerstoff und Argon Sinn, da alle anderen Gase nur winzige Bruchteile eines Prozents ausmachen (vgl. Tab. 2-1). Kleinere Einheiten sind parts per million (ppm, entspricht 0.0001 %), parts per billion (ppb, oder 0.0000001 %) oder parts per trillion (ppt). Oft werden Volumenmischungsverhältnisse auch in Mol ausgedrückt: 1 ppm ist dasselbe wie 1 μmol/mol (1 ppb = 1 nmol/mol). Ein großer Vorteil von Volumenmischungsverhältnissen ist, dass sie sich bei Vertikalbewegungen eines Luftpakets nicht ändern.

      In der Chemie, insbesondere bei der Angabe von Reaktionsraten, werden Konzentrationen meist als Teilchendichten in Molekülen pro Volumen angegeben (englisch molecules/cm3). Grenzwerte für Luftschadstoffe sind dagegen oft als Massenkonzentrationen angegeben, in der Regel μg/m3. Diese beiden Maße sind allerdings nicht mehr invariant bei Vertikalbewegungen. Die Massenkonzentration eines Schadstoffs wird geringer, wenn sich ein Luftpaket nach oben bewegt und dabei ausdehnt.

      Absolut kann eine Gasmenge auch als Partialdruck angegeben werden. Das ist der Druck, den dieses Gas alleine ausüben würde. Die Summe der Partialdrucke aller Gase eines Gasgemischs wie Luft ergibt den Luftdruck. In Abb. 2-6 wird die Ozonmenge in nbar (= Nanobar = 10–9 bar) angegeben. Mit der Gasgleichung, die in Kap. 4 eingeführt wird, können die Einheiten ineinander umgerechnet werden.

      Ozonbildung aus Sauerstoff mit UV-Strahlung

      Wie entsteht Ozon? Sauerstoff kann durch sehr kurzwellige UV-Strahlung (Wellenlängen kleiner als 240 nm, vgl. Abb. 3-7) aufgespalten