das System in einem Gleichgewicht befindet (Gleichgewichtslebensdauer), da sich die Lebensdauer sonst schwer quantifizieren lässt.
Die Umwälzdauer eines Volumens und die Verweilzeit eines Stoffs in einem Volumenelement oder Teilsystem können beide ausgedrückt werden als:
Verweilzeit = Inhalt des Volumens/(Summe der Flüsse aus dem Volumen),
symbolisch:
und die chemische Lebensdauer entsprechend als:
Lebensdauer = Konzentration/(Summe der Abbauraten)
Oft gibt es zwischen zwei Teilsystemen große Flüsse in beide Richtungen. In feuchter Luft über einer Wasserfläche wechseln beispielsweise fast ebenso viele Moleküle vom Wasser in die Luft wie umgekehrt; aber eben nur fast. Für Klimavorgänge sind oft weniger die absoluten Flüsse als die Differenzen (Nettoflüsse) relevant. In diesem Fall ist der Nettofluss die Verdunstung. Verweilzeit oder (Gleichgewichts-)Lebensdauer werden deshalb oft auf die Nettoflüsse bezogen.
Die Verweilzeit von Wasserdampf in der Atmosphäre beträgt 9 Tage
Im Folgenden berechnen wir die Verweilzeit von Wasser in der Atmosphäre. Die Atmosphäre enthält geschätzte 12700 Gt (Gigatonnen, vgl. → Tab. 1-4) Wasser in Form von Wasserdampf (vgl. → Kap. 1.3.4), also C = 12700 Gt. Der global aufsummierte Niederschlag (Fluss aus dem Volumen) beträgt ungefähr 2.87 mm pro Tag oder ca. 1462 Gt pro Tag. Gleichzeitig gibt es keinen anderen Fluss aus der Atmosphäre als Niederschlag, also Σ F = F = 1462 Gt d–1 (d ist das Einheitenzeichen für Tag). Somit kann die Verweilzeit von Wasser in der Atmosphäre berechnet werden:
Die Verweilzeit beträgt also 9 Tage.
Manchmal ist die Konzentration nicht im Gleichgewicht, oder man will eine Zeitskala spezifisch für einen Vorgang beziffern. Dieser Prozess ist dann oft proportional zur Stoffmenge selbst, beispielsweise beim radioaktiven Zerfall:
Hier ist N die Stoffmenge. Die Proportionalitätskonstante k ist die Zerfallsrate (in s–1). Dies ist eine lineare Differentialgleichung; die Lösung resultiert in einer exponentiell abfallenden Kurve mit N0 als Anfangsbedingung und der Zeitdauer dt:
Tab. 1-4 |Vorsilben von Einheiten und Anwendungsbeispiele in der Meteorologie.
Tab. 1-5 |Perturbationslebensdauer einiger Gase in der Atmosphäre (aus Myhre et al. 2013).
Halbwertszeit ist diejenige Zeit, die es braucht um eine Konzentration zu halbieren
Eine Zeitdauer von 1/k wird auch Lebensdauer genannt. Sie ist anders definiert als oben und wird als Abgrenzung von der Gleichgewichtslebendsauer englisch als e-folding lifetime bezeichnet: diejenige Zeit, innerhalb welcher sich die Bilanz auf (1/e) reduziert hat. Man könnte deutsch von einer e-fach Lebensdauer sprechen. Bei der Radioaktivität wird oft die Halbwertszeit angegeben: die Zeit, in welcher sich die Bilanz halbiert hat.
Umwandlungsprozesse können auch komplizierter sein. Chemische Reaktionsraten können beispielsweise von mehreren Reaktionspartnern und von der Temperatur abhängig sein. Oft erfolgt der chemische Abbau eines Stoffs über mehrere Reaktionen. Es gilt dann, den limitierenden dieser Schritte zu identifizieren.
Die Perturbationslebensdauer berücksichtigt die Reaktion des Klimasystems
Die eingangs definierte Verweilzeit geht davon aus, dass die Flüsse konstant sind. Das ist aber nicht immer der Fall, besonders wenn ein System gestört wird. Die Berechnung wird dann komplizierter. Die Perturbationslebensdauer gibt an, wie lange eine Störung im System erhalten bleibt. → Tab. 1-5 gibt die Perturbationslebensdauer einiger wichtiger Gase in der Atmosphäre an. Trichlorfluormethan ist ein Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW), der zum Abbau der Ozonschicht beiträgt, Fluroform ist ein Ersatzstoff für FCKWs, der ein geringes Ozonabbaupotential hat, aber eine längere Lebensdauer. Alle aufgeführten Gase sind Treibhausgase. Auf CO2 wird in → Kap. 1.3.5 eingegangen.
1.3.4 | Der Wasserkreislauf
Verdunstung verbindet Wasser- und Energiekreislauf
In der Folge möchten wir zwei wichtige Kreisläufe eingehender betrachten: den Wasserkreislauf und den Kohlenstoffkreislauf. Der Wasserkreislauf ist nicht nur für das Klimasystem entscheidend, er ist zusammen mit dem Kohlenstoffkreislauf die wohl wichtigste Schnittstelle im Erdsystem. Die Verdunstung und Kondensation von Wasser verbindet innerhalb des Klimasystems die Energie- und Massenbilanz, sie verbindet auch die Biosphäre, Hydrosphäre und Kryosphäre mit der Atmosphäre.
Wasser kommt im Klimasystem in allen drei Aggregatzuständen vor: fest, flüssig und gasförmig. Wasser ist nicht nur für das Leben auf der Erde wichtig, sondern spielt auch im Klimasystem eine entscheidende Rolle. Wasserdampf in der Atmosphäre ist ein Treibhausgas, ein Lösungs- oder Reaktionsmittel und leistet einen wichtigen Beitrag zum globalen Energietransport. Schließlich fällt Wasser als Niederschlag auf die Erdoberfläche und steht so der Biosphäre zur Verfügung. Nicht zufällig ist Wasser bei fast allen Klimarückkopplungsmechanismen beteiligt.
Das Wassermolekül bildet einen Dipol aus
Besonders am Wassermolekül ist seine Geometrie, mit einem 105°-Winkel zwischen den beiden Wasserstoffatomen (vgl. → Abb. 2-2). Als Folge ist die Ladung ungleich verteilt, und es bildet sich, obschon das Molekül als Ganzes elektrisch neutral ist, ein Dipol aus, also eine räumlich ungleiche Ladungsverteilung. Wassermoleküle können sich in der flüssigen Phase durch Wasserstoffbrücken stärker binden (vgl. → Kap. 2.4). Es braucht zusätzliche Energie, um diese Bindungen aufzulösen (hohe Verdampfungsenthalpie, hoher Siedepunkt), und die größte Dichte wird bei 4 °C im flüssigen Zustand erreicht («Anomalie des Wassers»).
Phasenumwandlungen des Wassers benötigen viel Energie
Wegen dieser Eigenschaften spielt das Wassermolekül auch im globalen Energiehaushalt eine große Rolle. Um ein Gramm Luft von 20 °C auf 21 °C zu erwärmen, ist 1 J nötig. Um aber ein Gramm flüssiges Wasser von 20 °C auf 21 °C zu erwärmen, braucht es bereits 4.2 J. Zum Schmelzen eines Gramms Eis benötigt man sogar 333.4 J; und um ein Gramm flüssiges Wasser bei 20 °C zu verdunsten, sind schließlich 2450 J nötig. Dieses Beispiel verdeutlicht die riesigen Energiemengen, die mit der Umwandlung von Wasser verbunden sind und im Klimasystem entzogen und wieder freigesetzt werden.
Abb. 1-10 |Schematische Darstellung des globalen Wasserkreislaufs. Reservoire sind in tausend km3 angegeben, Flüsse in tausend km3 pro Jahr
96.5 % des Wassers der Erde ist in Ozeanen,