Stefan Brönnimann

Klimatologie


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den Weltraum abgestrahlt wird, wie von der Sonne eingestrahlt wird. Für Masse ist das System geschlossen, sofern man den geringen Massenverlust an den Weltraum, der für meteorologische Fragestellungen nicht relevant ist, vernachlässigt. Dasselbe gilt für den Impuls. Man kann also davon ausgehen, dass im Klimasystem Energie, Masse und Impuls erhalten bleiben. Diese Eigenschaften macht man sich bei der Formulierung der atmosphärischen Grundgleichungen (vgl. Kap. 5) zunutze.

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      Innerhalb eines Systems kann Masse oder Energie in Elementen oder Teilsystemen gespeichert werden. Manche Stoffe haben zudem Quellen und Senken inner- oder außerhalb der Systemgrenzen. Außerdem kann es zu chemischen Umwandlungen kommen.

      Eine zentrale Rolle im Verständnis des Klimas nimmt die Energiebilanz ein. Die Energie kommt im Klimasystem in unterschiedlichen Formen vor. Strahlung, die von der Sonne oder Erde abgegebene elektromagnetische Strahlung verschiedenster Wellenlänge, ist die wichtigste Energieform und wird über die Systemgrenzen ausgetauscht. Zur Energiebilanz an der Erdoberfläche tragen neben der Strahlung, welche als steuernde Größe wirkt, auch drei Wärmeflüsse bei: der Fluss sensibler Wärme (die fühlbare Wärme der Luft), der Fluss latenter Wärme (die Energie, welche in Form von Wasserdampf gespeichert ist und bei der Kondensation wieder frei wird) sowie die Wärmeleitung in den Untergrund. Weitere Energieformen in der Atmosphäre sind kinetische Energie und potentielle Energie, welche ineinander umgewandelt werden. In Kap. 4.6 werden gängige Diagnostiken des atmosphärischen Energiegehalts vorgestellt.

      Energiegefälle ist Antrieb des Klimasystems

      Räumliche Unterschiede in der Energiebilanz sind der Antrieb des Klimasystems, welches danach strebt, diese Unterschiede auszugleichen. Außer bei Strahlungsvorgängen geschieht dies vor allem über Massenflüsse (beispielsweise in Form von fühlbarer oder latenter Wärme) sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean, welche wiederum an Impulsflüsse gebunden sind. Dadurch sind Energie-, Massen- und Impulsbilanz miteinander gekoppelt.

      Energie-, Masse- und Impulsflüsse verbinden das Klimasystem mit anderen Systemen

      In der Systemsicht lassen sich atmosphärische Prozesse hinsichtlich ihrer Rolle für die Flüsse und Bilanzen von Energie, Masse und Impuls darstellen. Umgekehrt sind die Flüsse wichtig als Diagnostik der zugrunde liegenden Prozesse. Energie-, Masse- und Impulsflüsse verbinden das Klimasystem mit anderen Aspekten des Mensch-Umwelt-Systems, wie beispielsweise marinen Ökosystemen oder der Landwirtschaft.

      1.3.3 | Physikalische Beschreibung

      Wie werden diese Flüsse und Bilanzen dargestellt? Bevor wir uns den Wasserkreislauf und Kohlenstoffkreislauf anschauen, werden in diesem Kapitel die physikalischen Grundlagen zu deren Beschreibung repetiert, beginnend mit den Einheiten.

      Wer in alten meteorologischen Arbeiten blättert, findet oft eine Vielzahl von heute nicht mehr gebräuchlichen Einheiten. Im Internationalen Einheitensystem, kurz SI (frz. «Système international d’unités»), werden Einheiten für physikalische Größen festgelegt, und heute richtet sich die Meteorologie danach. Einheiten sind aber nicht nur eine Konvention, sondern sind auch für das Verständnis der Vorgänge wichtig. Die Einheitenkontrolle ist ein unabdingbares Mittel zur Fehlerdetektion, und mit der Dimensionsanalyse können anhand von Einheiten sogar physikalische Gesetze gefunden werden. In diesem Buch sind die Einheiten jeweils hinter den Formeln in eckigen Klammern angegeben. Tab. 1-3 stellt die wichtigsten physikalischen Basisgrößen, abgeleitete Größen sowie deren Einheiten vor. In Box 4.1 gehen wir dann auf meteorologische Größen und Variablen ein.

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      Masse m, Impuls Image und Energie E sind die drei wichtigen Systemeigenschaften, für welche wir Bilanzen bilden und Austauschvorgänge betrachten. Flüsse (im Folgenden F) beschreiben den Austausch und sind definiert als Größe pro Zeit. Die Einheiten sind kg s–1 für den Massenfluss, kg m s–2 für den Impulsfluss und J s–1 für den Energiefluss. Die Stärke des Impulsflusses ist bezüglich den Einheiten eine Kraft, die Stärke des Energieflusses eine Leistung. So können Flüsse in und aus einem Speicher, also einem Volumen, quantifiziert werden. Wenn wir von Flüssen sprechen, meinen wir allerdings oft Flussdichten, das sind Flüsse pro Fläche. Die Massenflussdichte hat dabei die Einheit kg m–2 s–1, die Impulsflussdichte die Einheit kg m–1 s–2 und die Energieflussdichte J m–2 s–1 oder W m–2 (da letztere besonders wichtig ist, beispielsweise als Einheit für Strahlung, ist sie in Tab. 1-3 angegeben). Strahlungsflussdichten werden in diesem Buch mit Q bezeichnet. Die Fläche, auf welche sie sich beziehen, ist in der Regel die Erdoberfläche oder die Obergrenze der Atmosphäre.

      Die Atmosphäre ist ein Kontinuum und die Betrachtung von Volumeneinheiten manchmal wenig sinnvoll. Flüsse innerhalb der Atmosphäre können auch als Vektorfeld dargestellt werden. Dabei wird die Eigenschaft duch das Volumen dividiert und mit dem Windvektor multipliziert. Der Massenfluss wird zu:

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      Bezüglich der Einheit ist das eine Massenflussdichte.

      Bilanzgleichung

      Mit Flüssen und Bilanzen lassen sich für ein Volumen Bilanzgleichungen in der folgenden Art formulieren (schematisch in Abb. 1-9 dargestellt):

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      Hier steht C für eine Eigenschaft (Masse, Impuls, Energie), t für die Zeit, F1 ist der Fluss in das Volumen hinein, F2 ist der Fluss aus dem Volumen heraus (Einheit: Eigenschaft pro Zeit). Die Gleichung geht davon aus, dass C im Volumen nicht entsteht oder zerstört wird und besagt, dass die Flüsse in und aus dem Volumen durch eine Änderung des Inhalts des Volumens ausgeglichen werden. Wenn mehr ausströmt (F2) als einströmt (F1), dann sinkt die Menge C, also ist dC/dt negativ (vgl. Box 1.4 für die Notation dC/dt). Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass nicht die Flüsse an sich, sondern nur deren Differenz zu einer Veränderung der Eigenschaft C in dem Volumen führen können.

       Differenz, Gradient, partielle Ableitung, Differential

      In der Klimatologie – und in diesem Buch – kommen die Begriffe «Differenz», «Gradient», «partielle Ableitung» und «Differential» oft vor. Hier sind diese Begriffe kurz erklärt.

      Die Differenz zwischen zwei Werten der Funktion h, beispielsweise h1 – h0, braucht nicht weiter erklärt zu werden. Ist h eine Funktion im dreidimensionalen Raum, also h = f (x, y, z), oder in der Zeit, h = f (t),