Andreas Kagermeier

Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt


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als ein Viertel der internationalen Ankünfte durch, wobei der asiatische Quellmarkt in etwa gleicher Höhe auch zur touristischen Nachfrage beiträgt. Der Anteil Afrikas an den internationalen Touristenankünften liegt – trotz der Ausweitung von Fernreisen – nur bei etwa 5 %. Und auch die spektakulären touristischen Entwicklungsprojekte der letzten beiden Jahrzehnte in den Golfstaaten machen sich im weltweiten Maßstab nur begrenzt bemerkbar. Gleichzeitig kann – in Analogie zu den Entwicklungen in Deutschland und Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts unterstellt werden, dass die Wachstumsdynamik im Tourismus in den kommenden Jahrzehnten – sofern sich die politischen und ökonomischen Grundkonstellationen nicht grundlegend ändern – stark vom asiatischen Markt (sowohl als Quell- als auch als Zielmarkt) geprägt wird.

      Abb. 20:

      QuellmärkteQuellmärkte im internationalen Tourismus 2018 (Quelle: eigene Darstellung nach UNWTO 2019, S. 15)

      Diese Entwicklung kann an einem Indikator veranschaulicht werden. Lange Zeit galten die Deutschen als „Reiseweltmeister“. Dieser Slogan bezog sich nicht auf die Reiseintensität, die Länge von Urlaubsreisen oder die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung, sondern auf die Summe der bei internationalen Reisen getätigten Ausgaben. Eine hohe Auslandsreiseintensität (höher als z. B. in Frankreich oder den USA) verbunden mit der – im Vergleich z. B. zu kleineren Ländern wie Dänemark oder Luxemburg – hohen Bevölkerungszahl resultierte in der Tatsache, dass die Deutschen die lange Zeit die höchsten absoluten Ausgaben im internationalen Reiseverkehr tätigten. Seit 2012 hat China diese Position des Landes mit der höchsten Ausgabesumme im internationalen Tourismus inne. Auch wenn dies bei zwar noch deutlich niedrigerer Auslandsreiseintensität und Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung stark durch die reine Bevölkerungszahl mit beeinflusst wird, stellt es doch einen Hinweis auf die hohe Wachstumsdynamik und eine sich mittelfristig verändernde Konstellation der internationalen Quellmärkte dar.

      Eine der Kenngrößen, die von der UNWTO mit publiziert wird, sind die Reisezwecke im internationalen Tourismus (vgl. Abb. 21). Da nicht von jedem Reisenden, der eine Grenze überschreitet auch wirklich der Reisezweck erfasst wird, handelt es sich dabei selbstverständlich um eine grobe Abschätzung, die aber mangels anderer zuverlässigerer Angaben ungeachtet möglicher methodischer Unzulänglichkeiten zumindest einen groben Eindruck des touristischen Nachfragemarkts vermittelt.

      Nach diesen Angaben entfällt nur gut die Hälfte der internationalen Ankünfte auf Reisen, die gemeinhin im lebensweltlichen Verständnis als genuin „touristisch“ angesehen werden, nämlich diejenigen mit dem expliziten Reisezweck „Freizeit und Erholung“. Etwa jede siebte internationale Reise wird dem Geschäftsreisetourismus zugeordnet. Als weiterer – in sich allerdings nicht mehr ausdifferenzierter Reisezweck wird das VFR-Segment (Visit Friends and RelativesVisit Friends and Relatives, d. h. der Besuch von Bekannten und VerwandtenBesuch von Bekannten und Verwandten), Gesundheit und Religion ausgewiesen. Wird unterstellt das religiöse motivierte Reisen, wie z. B. die Pilgerreise von Mohammedanern nach Mekka (Haddsch) oder von Christen nach Lourdes maximal 1 % der internationalen Ankünfte ausmacht und der Tatsache, dass z. B. in Deutschland der primäre Reisezweck „Gesundheit“ nur 2 % der Reisen ausmacht (FUR 2014, S. 48), entfällt etwa ein Viertel der internationalen Reisen auf den Reisezweck des Besuchs von Freunden und Bekannten.

      Abb. 21:

      ReisezweckeReisezwecke im internationalen Tourismus 2018 (Quelle: eigene Darstellung nach UNWTO 2019, S. 7)

      Für deutsche Großstädte gehen Schätzungen sogar davon aus, dass die Zahl der Übernachtungen von VFR-Reisenden mindestens genauso groß ist wie die Zahl der Übernachtungen im gewerblichen Übernachtungswesen. So wird für München angegeben, dass den 5,9 Mio. Gästen in gewerblichen Betrieben etwa 5 Mio. Besucher bei Freunden und Verwandten gegenüberstehen (Landeshauptstadt München 2012, S. 9). Dies soll als weiterer Hinweis darauf verstanden werden, dass selbst die wenigen (und methodisch nicht immer voll belastbaren) statistischen Basiszahlen im Tourismus nur einen Teil der touristischen Aktivitäten darstellen. Neben dem privaten VFR-Tourismus ist insbesondere auch der Tagestourismus ein Bereich, der sich nur begrenzt statistisch genau fassen lässt, sodass unterschiedliche Abschätzungen an die Stelle von konkret gemessenen Daten treten.

      2.2 Zunehmende Ausdifferenzierung der Nachfrageseite

      Reisen als gesellschaftliche Praxis ist immer auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Lange Zeit wurde die gesellschaftliche Struktur über ein sog. Schichtenmodell (Unter-, Mittel-, Oberschicht) angemessen beschrieben und die Zugehörigkeit zu einer Schicht hatte starken Einfluss auf das konkrete Reiseverhalten (hinsichtlich der präferierten Ziele und der Tourismusformen; vgl. Kap. 1.2.1). Operationalisiert wurde die Schichtenzugehörigkeit oft über die Parameter Bildungsniveau und Einkommensniveau. Diese Parameter haben gegen Ende des 20. Jahrhunderts an diskriminatorischer Bedeutung verloren. Gleiches gilt z. B. auch für den Indikator Alter, dessen Relevanz für die Reiseintensität abgenommen hat (vgl. ZAHL, LOHMANN & MEINKEN 2006).

      2.2.1 Reisemotive

      Parallel zum Verlust an Erklärungskraft einfacher Deutungsansätze zum Reiseverhaltens, ist die Motivstruktur von ReisenMotive von Reisen deutlich ausdifferenzierter geworden. Während früher eine grobe Unterscheidung zwischen Push- oder den sog. „Weg-von“-Motiven (weg aus der Alltagswelt) und Pull- oder den sog. „Hin-zu“-Motiven (hin zu den Aspekten des Urlaubs) als Erklärungsansatz für die Nachfrage nach Urlaub erfolgte (FREYER 2011a, S. 73f.), sind in den letzten Jahren die Anstrengungen zur Aufdeckung der Motivstrukturen deutlich intensiviert worden.

      In der Reiseanalyse werden aktuell 29 Items mit möglichen MotivenReisemotive für Reisen abgefragt, die über eine Faktorenanalyse zu sieben Gruppen von Motiven (mit absteigender Bedeutung) zusammengefasst werden (FUR 2014, S. 82f.):

      1 Entspannenentspannen, erholenerholen, frei seinfrei sein (keinen Stress haben, Abstand zum Alltag gewinnen, frische Kraft sammeln, ausruhen)

      2 SonneSonne, SpaßSpaß, MenschenMenschen, GenussGenuss (sich verwöhnen lassen, sich was gönnen, genießen, Flirt/Erotik)

      3 Neues erlebenNeues erleben (neue Eindrücke gewinnen, viel Abwechslung haben, andere Länder erleben, etwas für Kultur und Bildung tun)

      4 NaturNatur und GesundheitGesundheit (Natur erleben, etwas für die Gesundheit tun, aus der verschmutzten Umwelt herauskommen)

      5 FamilieFamilie (Zeit füreinander haben [Partner, Familie, Kinder, Freunde], mit den Kindern spielen/zusammen sein)

      6 BegegnenBegegnen (Wiedersehen, Kontakt zu Einheimischen)

      7 Risiko-AktivRisiko-Aktiv (aktiv Sport treiben, auf Entdeckung gehen, ein Risiko auf sich nehmen, Außergewöhnlichem begegnen).

      Unabhängig von den möglichen methodischen Bedenken beim standardisierten Abfragen einer so langen Item-Batterie dominieren bei den Motiven das Entspannen und der Genuss. Die im Zusammenhang von Tourismustrends oftmals betonten Aspekte „Gesundheit“, „Kulturerlebnis“, „Sport“ oder „Risiko erleben“ erreichen demgegenüber deutlich niedrigeren Bedeutungsgewichte.

      Auch wird bei den Kategorien deutlich, dass vor allem selbstbezogene Urlaubsmotive wichtig sind. Die auf die konkreten Eigenschaften von Destinationen bezogenen Motive rangieren auf weiter hinter liegenden Plätzen. Während früher die Destinationen oftmals durch soziale Konventionen, das von den Destinationen vermittelte Prestige oder ganz einfach durch Aspekte der Erreichbarkeit mitbestimmt worden sind, ist inzwischen eine gewisse Beliebigkeit und Austauschbarkeit von Destinationen zu konstatieren. Da auch die Motive nur partiell auf konkrete Destinationen abzielen, gleichzeitig sich aber das Spektrum möglicher Destinationen deutlich erweitert hat, resultiert daraus auch eine klare Akzentuierung der Wettbewerbskonstellation.

      Damit reicht es heute nicht mehr aus, nur ein prestigeträchtiges Image aufzubauen, um die Nachfrage auf sich zu ziehen. Vielmehr deutet