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Vegane Ernährung


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und gesellschaftliche Aspekte einer pflanzlichen Ernährung

      Die drei häufigsten Motive, sich vegan zu ernähren, sind ethische bzw. tierethische Überlegungen (Stichwort: Massentierhaltung), ökologische Überlegungen (Stichwort: Klimawandel) und die eigene Gesundheit (KERSCHKE-RISCH 2015). Das Spektrum der Motive unterscheidet sich bei den Veganern nicht wesentlich von jenem der Vegetarier, jedoch variiert die Interpretation und Konsequenz bei der Umsetzung. Für die meisten Veganer ist der Vegetarismus ein erster Schritt, um das Tierleid etc. zu mindern, aber als finale Ernährungsform nicht konsequent genug. Auch lässt sich beobachten, dass sich der primäre Beweggrund im Laufe einer individuellen fleischlosen Karriere verändern kann bzw. unterschiedlich gewichtet wird. So können z. B. Personen, die sich aufgrund ethischer Bedenken für den Veganismus entschieden haben, zu einem [22] späteren Zeitpunkt feststellen, dass für sie gesundheitliche Gründe für die Fortführung der veganen Ernährung immer bedeutender geworden sind (HOFFMANN et al. 2013). PRIBIS, PENCAK und GRAJALES (2010) konstatierten, dass die Motive zwischen Generationen oft unterschiedlich bewertet werden. Ihre Studienergebnisse zeigen, dass junge Menschen sich eher mit ethischen Motiven identifizierten, während ältere Menschen vornehmlich gesundheitliche Beweggründe für ihre Ernährungsumstellung nannten. Zudem spielten umweltbezogene Aspekte für jüngere Menschen eine wichtigere Rolle als für Ältere (PRIBIS, PENCAK und GRAJALES 2010).

      Ethische Aspekte

      Ethische bzw. tierethische Aspekte stellen für viele Veganer das Hauptmotiv für eine konsequent vegane Lebensweise dar und sind vor allem von der Empathie gegenüber Tieren und der Ablehnung des Tötens geprägt (vgl. WOSCHNAK 2012). Dabei steht das Verhältnis zwischen Mensch und Tier im Mittelpunkt der Betrachtung. Seit den 1970er-Jahren wird eine angeregte tierethische Debatte geführt (vgl. RIETHER und WEISS 2012; GRUBE 2006) und werden moralische Fragen formuliert und diskutiert wie etwa «Wie ist die Legitimität der Nutzung von Tieren für menschliche Interessen?», «Dürfen Tiere getötet werden?», «Wiegen viele Tötungsakte (z. B. Fische und Kücken) schwerer als ein einziger (z. B. Rind)?» etc. (vgl. RIETHER und WEISS 2012; BECVAR und RADOJICIC 2008; KAPLAN 2011). Für viele Veganer sind Berichte über Massentierhaltung ausschlaggebend für eine vegane Ernährung. Medien, Tierschutzorganisationen oder gemeinnützige Vereine leisten durch Informationen über nicht artgerechte Tierhaltung, Mastverfahren, Tiertransporte und Tiertötungen einen großen Beitrag zum steigenden Bewusstsein in der breiten Bevölkerung (BECVAR und RADOJICIC 2008). Nicht zuletzt sprechen sich viele Veganer mit der Entscheidung für eine tierfreie Kost gegen kapitalistische Systeme und industrielle Nahrungsmittelproduktion aus und wollen Unternehmen, die für die Massenproduktion tierischer Lebensmittel verantwortlich sind, nicht unterstützen (vgl. GUERIN 2014).

      [23]

      Karnismus

      Die amerikanische Sozialpsychologin Melanie Joy prägte den Begriff «Karnismus», der das Gegenteil von Vegetarismus und Veganismus verkörpert. Fleischkonsum als natürlich und notwendig anzusehen, ist für den Karnismus charakteristisch. Durch diese Überzeugung gelingt es Fleisch essenden Menschen, ihren Fleischverzehr zu legitimieren und sich von der empfundenen Empathie für die betroffenen Tiere zu distanzieren (JOY 2010).

      Gesundheitliche Aspekte

      CAMPBELL und CAMPBELL (2011) kritisieren die Entwicklung der Ernährungsgewohnheiten in der industrialisierten Welt und konstatieren, dass der verstärkte Verzehr tierischer Lebensmittel die Morbidität und Mortalität ernährungsbedingter Krankheiten in der Bevölkerung erhöht. Sie stützen sich dabei auf die Ergebnisse einer von ihnen als «China-Study» bezeichneten Studie (in ihrem gleichnamigen Buch). Diese Studie wurde in den 1980er-Jahren durchgeführt und korrelierte den Lebensmittelverbrauch (basierend auf Agrarstatistiken) in vielen Regionen Chinas mit den Krankheitsraten in diesen Regionen. Die Ergebnisse zeigen, dass in Regionen, in denen weniger tierische und mehr pflanzliche Lebensmittel verzehrt wurden, viele chronische Krankheiten wie Herz-Kreislaufkrankheiten oder Krebs weniger häufig auftreten.

      Im Zusammenhang mit der Gesundheit sind auch Hygiene-Aspekte zu nennen: Fleisch und andere tierische Lebensmittel sind häufige Quellen für Lebensmittelvergiftungen. Auch Lebensmittelskandale, «food borne diseases» (z. B. BSE) oder der Einsatz von Masthilfen, Antibiotika und Hormonen in der Intensivtierhaltung sind für einige Verbraucher Grund genug, sich ausschließlich pflanzlich zu ernähren (DYETT et al. 2013; RADNITZ et al. 2015).

      Religion und Spiritualität

      Das religiöse Motiv einer veganen Ernährung kann, ähnlich wie das ethische, an das Leid der Tiere gebunden sein. Als Ausdruck von Mitgefühl, Liebe und Gnade gegenüber der gesamten Schöpfung – also auch gegenüber den Tieren – wird auf den Verzehr von Fleisch verzichtet. Es treten aber auch andere Aspekte, wie das eigene Seelenheil, hinzu, welches man durch Abtöten von Begierden und eine asketische Lebensweise (z. B. Fleischverzicht) zu finden versucht (SZÜCS et al. 2012; GUERRAIN 2014; NATH 2010).

      Vegane Ernährung als Ersatzreligion?

      [24] Nicht selten beschreiben Veganer den Übergang von der omnivoren zur veganen Ernährung als eine Art Erwachen (GUERIN 2014). Der Veganismus wird dabei als sinn- und strukturgebendes Element erfahren; als Teil einer philosophischen, ideologischen und spirituellen Weltanschauung. Malcolm Hamilton beschreibt den Veganismus daher als quasireligiöses Phänomen. Viele Aspekte des Veganismus zeigen seiner Meinung nach Parallelen zu Religionen wie etwa hinsichtlich Verboten, Vermeidungsverhalten, Einhaltung von Disziplin oder Ehrfurcht vor dem Leben (HAMILTON 2000; HAMILTON 2006). Helmut Kaplan kritisiert in seinem Buch Vegan soll keine Religion sein, dass es den religiös motivierten Veganern nicht unbedingt um die Tiere geht, sondern vielmehr um das persönliche psychische Gleichgewicht und die Bekehrung anderer, eine vegane Glaubenshaltung anzunehmen. Nach Kaplan sehen viele Veganer ihren Lebensstil als Inbegriff ihrer eigenen Existenz an. Er ist der Ansicht, dass «Religions-Veganer» durch ihr extremes Verhalten das größte Hindernis für eine unvoreingenommene Auseinandersetzung der allgemeinen Bevölkerung mit dem Veganismus darstellen (vgl. KAPLAN 2013).

      Ökologie

      Ökologische Motive werden selten als primäre Gründe für die Hinwendung zu einem veganen Ernährungsstil genannt und sind oft eng mit ethisch bzw. moralischen Ansichten verknüpft (FOX und WARD 2008). Die Ernährungsumstellung hin zur veganen Ernährung wird von ökologisch motivierten Veganern als Beitrag zum Erhalt des Planeten gesehen, da eine vegane Kost, die auf Produkten ökologischer Herkunft beruht, im Vergleich zur omnivoren und (in geringerem Ausmaß) zur vegetarischen Ernährung mit der geringsten Umweltbelastung verbunden ist (BARONI et al. 2007).

      Verteilungsgerechtigkeit

      Die Welt wird mit Nahrungsknappheit und Welthunger konfrontiert. Fast 800 Millionen Menschen leiden weltweit unter Hunger, und bis zum Jahr 2050 wird ein Bevölkerungswachstum um weitere zwei bis drei Milliarden Menschen erwartet. Zeitgleich gibt es eigentlich mehr als genug Nahrung auf der Welt, um die gesamte Erdbevölkerung ausreichend zu ernähren. Je mehr tierische Produkte produziert werden, desto weniger Nahrung steht den Menschen zur Verfügung. Durch den Verzicht auf tierische Produkte könnte die gesamte derzeitige Weltbevölkerung angemessen ernährt werden, ohne dass eine Steigerung [25] der landwirtschaftlichen Produktion erforderlich ist (vgl. FAO 2015; WORLD WATCH INSTITUTE 2004).

      Identität

      Nach FOX und WARD (2008) ist Veganismus für die Praktizierenden ein zentraler Aspekt ihrer Identität, und die oft ideologisch geprägte Lebensmittelwahl ist eng mit der individuellen Persönlichkeit verknüpft (SNEIJDER und TE MOLDER 2009). Die Hinwendung zum Veganismus wird oft als eine sehr wichtige Entscheidung im Leben angesehen und kann als identitätsstiftendes Moment betrachtet werden (vgl. GRUBE 2006; LINDQUIST 2013). Mit der Wahl pflanzlicher Lebensmittel/Produkte bzw. dem Verzicht tierischer Lebensmittel/Produkte wird zum einen eine bestimmte Wertehaltung ausgedrückt, zum anderen definiert die Person damit, wer sie ist, sein möchte und wie