in Kapitel 3: Verarbeitung von Minoritäts- oder Majoritätsargumenten; in Kapitel 4: reflexive Reaktionen auf Stigmata).
1.3Gruppensozialisation
Wie „funktionieren“ Gruppen? Welche Phasen der Gruppensozialisation lassen sich unterscheiden?
1.3.1Normen und Rollen
Das individuelle Verhalten der Gruppenmitglieder wird durch soziale Normen koordiniert. Soziale Normen sind von den Gruppenmitgliedern konsensual geteilte Erwartungen; sie beziehen sich darauf, wie man sich als Gruppenmitglied in bestimmten sozialen Situationen verhalten sollte (und wie nicht). Das Befolgen dieser Erwartungen wird in vorhersehbarer Weise positiv, die Abweichung negativ sozial sanktioniert. Normen sind sozial (gesellschaftlich oder kulturell) bedingt und variieren daher zwischen Gruppen (Gesellschaften oder Kulturen). Soziale Normen können sich sowohl auf das Verhalten der Mitglieder innerhalb der Gruppe beziehen als auch darauf, wie sich Mitglieder der jeweiligen Gruppe gegenüber Mitgliedern anderer Gruppen verhalten sollen. Soziale Normen dienen u. a. den folgenden Funktionen (Cartwright/Zander 1968):
Bei der Untersuchung des Einflusses von Normen auf individuelles Verhalten hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen zwei Typen von Normen zu unterscheiden: „injunktive Normen“ und „deskriptive Normen“. Der Begriff „injunktive Norm“ bezieht sich auf die Wahrnehmung, welches Verhalten von anderen gebilligt wird und welches nicht („Man soll seinen Abfall nicht einfach herumliegen lassen.“). Normen dieses Typs motivieren Verhalten durch die Antizipation von Belohnungen (oder Bestrafungen) für normatives (oder nicht normatives) Verhalten.
Der Begriff „deskriptive Norm“ bezieht sich auf die Wahrnehmung der Gruppenmitglieder, wie sich die meisten für gewöhnlich in einer Situation verhalten („Im Kino lassen die meisten ihren Abfall liegen.“). Normen dieses Typs motivieren Verhalten dadurch, dass sie darüber informieren, was offenbar angemessen oder sinnvoll ist („Wenn alle es tun, wird es seine Richtigkeit haben.“). Je nach sozialer Situation können diese Normen gegensätzliche Verhaltensweisen stimulieren (Kallgren et al. 2000). An welcher Norm (injunktiv vs. deskriptiv) sich Menschen in einer konkreten sozialen Situation orientieren, hängt von der situativen Salienz der Norm ab. Die Forschung zeigt, dass sich Menschen über den Einfluss von Normen auf ihr eigenes Verhalten nur selten bewusst sind.
Während soziale Normen definieren, wie sich Gruppenmitglieder im Allgemeinen zu verhalten haben, definieren soziale Rollen, wie Menschen sich verhalten sollen, die eine bestimmte Position innerhalb einer Gruppe (oder im weiteren Sinne einer Gesellschaft) innehaben (z. B. Berufsrollen, Geschlechtsrollen, familiäre Rollen). Ebenso wie Gruppennormen erleichtern soziale Rollen das koordinierte Handeln innerhalb von Gruppen, da sie Handlungsroutinen und Skripte für soziale Interaktionen bereitstellen und soziale Interaktionen durch Standardisierung vorhersehbar machen.
1.3.2Phasen der Gruppensozialisation
Moreland und Levine (1982) haben ein Modell vorgestellt, das den Gruppensozialisationsprozess beschreibt und erklärt. Es wird angenommen, dass sich die Beziehung zwischen Individuum und Gruppe über die Zeit hinweg systematisch verändert und dass sowohl Individuum als auch Gruppe als Agenten zu dieser Veränderung beitragen. Das Modell ist für die Analyse von Prozessen innerhalb von Gruppen konzipiert worden, die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen, deren Mitglieder wechselseitig voneinander abhängig sind und direkt miteinander interagieren (z. B. Arbeits- oder Projektgruppen innerhalb von Organisationen oder Sportmannschaften). In dem Modell werden fünf Phasen der Gruppenmitgliedschaft unterschieden:
Menschen reagieren auf den Ausschluss aus Gruppen in der Regel äußerst sensibel (Williams 2007). Wie neuropsychologische Untersuchungen zeigen, sind in Situationen, in denen sich Menschen sozial ausgeschlossen fühlen, offenbar dieselben Hirnareale aktiviert wie bei der Empfindung körperlichen Schmerzes (Eisenberger et al. 2003). Wenn die Zugehörigkeit zur Gruppe einen hohen Stellenwert für das Individuum hat, kann die Angst davor, ausgeschlossen zu werden, dazu führen, dass es sich den Normen anpasst, auch wenn es diese eigentlich nicht