Bruno Baur

Biodiversität


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- Biodiversität erhalten und nachhaltig nutzen

      Politische Aufgabe Nicht-staatliche Schutzorganisationen Einrichtung von Schutzgebieten Biosphärenreservat Segregation oder Integration? In situ- undex situ-Erhaltungsstrategien Renaturierungsmaßnahmen Umgang mit invasiven Arten Wissen zur Verfügung stellen und Forschung vorantreiben Biodiversität erfolgreich erhalten und fördern Weiterführende Literatur

       Anhang

      Glossar Internetadressen Literatur

      Sachregister Wolfgang Nentwig - Invasive Arten

      Einführung: Was ist Biodiversität?

      Spätestens seit der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattgefunden hat, bekennen sich die meisten Staaten zum Schutz der Biodiversität. Als wesentliches Ergebnis dieser Konferenz ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD, Biodiversitäts-Konvention) entstanden. In der Öffentlichkeit und im angewandten Naturschutz wird der Begriff «Biodiversität»aber vielfach als Synonym zur Artenvielfalt gebraucht und der Erhalt der biologischen Vielfalt mit dem klassischen Artenschutz gleichgesetzt. Ein Blick auf die Definition der Konvention zeigt hingegen, dass Biodiversität viel mehr umfasst: «Biologische Vielfalt bedeutet die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören: dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme» (CBD; Artikel 2; www.cbd.int).

      Wissenschaftlich gesehen finden sich in dieser Definition also drei Organisationsebenen wieder, die alles Leben auf der Erde beinhalten. Auf der genetischen Ebene wird die genetische Variabilität innerhalb von Individuen, zwischen den Individuen einer Population sowie zwischen Populationen betrachtet. Die organismische Ebene umfasst die Vielfalt an Taxa (Unterarten, Arten, Gattungen oder Familien), während sich die ökosystemare Ebene auf die Vielfalt an Lebensgemeinschaften von Arten und ihre Wechselbeziehungen bezieht. Somit ist Biodiversität als Objekt schwer erfassbar, da sie quasi alles umfasst, nicht nur die Arten, sondern auch die Vielfalt innerhalb der Arten.

      Entstehung des Begriffes «Biodiversität»

      Obwohl der Begriff «Diversität» in der Biologie und Ökologie seit langer Zeit gebräuchlich war, sprach Thomas Lovejoy als Erster 1980 von biological diversity, daraus wurde schnell biodiversity (Lovejoy 1980). Als einer von mehreren namhaften Wissenschaftlern machte er schon damals auf den rapiden Artenschwund in tropischen Ökosystemen aufmerksam. Im Jahre 1986 richtete der American Natural Research Council das US National Forum on BioDiversity ein. Dieses Fachgremium veröffentlichte auch bald eine erste Synthese über das Ausmaß des Artenschwundes und mögliche Konsequenzen in Form eines Buches mit dem Titel «Biodiversity» (Wilson 1988). Der neu entstandene Begriff umschrieb die Lehre von der Erforschung biologischer Vielfalt und ihrer Bedrohung auf der Erde unter gleichzeitiger Berücksichtung geeigneter Schutzmaßnahmen. Die ursprünglich relativ restriktive wissenschaftliche Bedeutung von Biodiversität wurde aber innerhalb kurzer Zeit erweitert. In dem in Rio de Janeiro 1992 verabschiedeten Übereinkommen sollte mit Biodiversität ein zusätzliches Zielpublikum angesprochen werden, nämlich politische Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit. Biodiversität wurde so zu einem Konzept weiterentwickelt, dessen drei Hauptziele der Schutz der biologischen Vielfalt, deren nachhaltige Nutzung und die gerechte Verteilung der sich aus der Nutzung ergebenden wirtschaftlichen Vorteile sind. Die Biodiversitäts-Konvention ist eng mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung (im Sinne der Brundtland-Kommission) verknüpft, stellt aber eine ökonomische Argumentation in den Vordergrund, mit der Annahme, dass derartige Argumente überzeugender sind als rein ökologische oder ethische. Der ursprünglich wissenschaftliche Begriff hat schnell in verschiedenen Bereichen des Naturschutzes sowie in Verordnungen und Gesetzen einen konzeptionellen Platz gefunden. Biodiversität ist also weit mehr als ein neues Fachgebiet der Biologie. Biodiversität umfasst die ökonomische Nutzbarkeit der Natur, beinhaltet aber auch Aspekte der sozialen Gerechtigkeit sowie Schutzbestimmungen.

      Biodiversität ist somit in der Wissenschaft, wie auch in der Politik eine feste Größe geworden. Bei genauer Betrachtung stellt man aber fest, dass unterschiedliche Auffassungen von Biodiversität existieren (Beierkuhnlein 2003). Die Komplexität von Biodiversität wird von vielen mangelhaft wahrgenommen oder missverstanden. Durch verschiedene Interessen gesteuerte Interpretationen verwässern den Begriff und lassen ihn zum umweltpolitischen Schlagwort verkommen. Die sich dahinter implizit verbergende Botschaft von der «bedrohten Natur» wird als soziales und politisches Konstrukt angesehen (Gaston 1996). Es gilt also zu unterscheiden, von welcher «Biodiversität» die Rede ist: Biodiversität als wissenschaftliche Messgröße, als strategisches Konzept zur Erhaltung, Entwicklung und nachhaltigen Nutzung der verschiedenen Bestandteile von belebter Natur oder einfach als Schlagwort.

      Ziele des Buches

      Dieses Buch stellt Biodiversität aus naturwissenschaftlicher Sicht dar und skizziert die ursprünglichen Ideen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt. Dies bedingt, dass neben Theorie und Fakten auch Wertungen und Forderungen vorgestellt werden. Es wird gezeigt, wie Biodiversität entsteht und sich weiterentwickelt und wie sie räumlich auf der Erde verteilt ist. Es werden Methoden zur Erfassung der Biodiversität auf verschiedenen Organisationsebenen vorgestellt. Ökosysteme vollbringen Leistungen, ohne die menschliches Leben auf der Erde nicht denkbar wäre. In einem anthropozentrischen Ansatz wird die Nutzbarbeit der Biodiversität ins Zentrum gesetzt und ihre «Dienstleistungen» erfasst, die sie den Menschen bereitstellt. Ökonomisch betrachtet sind die Ökosystemleistungen von großem finanziellen Wert. Aus ethischer Sicht hat jedes Lebewesen, egal ob Pilz, Pflanze oder Tier, einen Eigenwert und der Mensch hat kein Recht, eine Art auszurotten. Unsere Zeit wird aber geprägt durch einen Artenschwund von gewaltigem Ausmaß. Die Hauptursachen für dieses Massenaussterben werden vorgestellt. Maßnahmen zur Reduktion oder gar Vermeidung weiteren Aussterbens von Arten sind durchaus bekannt, und werden auch lokal und regional an zahlreichen Stellen angewendet. Die Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention verläuft aber nur schleppend, vor allem weil (kurzfristige) wirtschaftliche Interessen der grundlegenden Idee einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Umwelt entgegenwirken.

      Dieses Buch richtet sich an Studierende verschiedener Fachrichtungen mit Interesse an der biologischen Vielfalt. Es soll Einblick in die verschiedenen Ansätze und Betrachtungsweisen der Biodiversität geben und Wissen über bestehende Methoden und Modelle sowie über deren Grenzen vermitteln. Für ökologische Grundlagen wird auf die Lehrbücher von Townsend et al. (2008), Nentwig et al. (2009), oder Smith & Smith (2009) verwiesen. Grundlagen für das Fachgebiet Naturschutzbiologie sind in Primack (1995) oder Groom et al. (2006) sowie über die geografische Verbreitung der Arten (Biogeografie) in Beierkuhnlein (2007) zu finden.

      Weiterführende Literatur

      Gaston K.J. (Hrsg.) (1996) Biodiversity – a biology of numbers and difference. Blackwell Science, Oxford.

      Wilson E.O. (Hrsg.) (1988) Biodiversity. National Academy Press, Washington D.C.

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      Wie entsteht biologische Vielfalt?

      Zusammenfassung

      Genetische Vielfalt ist die Grundlage der Evolution. Sie ist Voraussetzung für die Bildung neuer Arten. In diesem Kapitel werden verschiedene Aspekte der genetischen Vielfalt vorgestellt und die Faktoren und Prozesse erläutert, die Veränderungen in der genetischen Vielfalt bewirken. Es wird gezeigt, wie Mutationen,