der Männchen und Weibchen und die Fähigkeit der Weibchen, die Spermien, welche sie von verschiedenen Männchen erhalten haben, zu speichern. Das Fortpflanzungssystem spielt dabei die wichtigste Rolle. In der Regel ist die genetische Vielfalt am geringsten bei Arten mit klonaler Fortpflanzung. Populationen von Pflanzen, die sich ausschließlich vegetativ fortpflanzen, können aber aus verschiedenen Klonen bestehen. Bei Arten mit häufiger oder obligater Selbstbefruchtung (z.B. gewisse zwittrige Landschnecken) ist die genetische Vielfalt eher gering. Bei Säugetieren spielt das in den Populationen vorherrschende Paarungssystem eine wichtige Rolle für die genetische Vielfalt. Sie ist am größten bei Arten mit herumstreifenden Männchen, gefolgt von Arten mit Revierverhalten. Bei Populationen mit Harems-Bildung (z.B. See-Elefanten) und Balzplatz-Fortpflanzungsverhalten ist die genetische Vielfalt geringer, weil die Gene von einigen wenigen Männchen überdurchschnittlich häufig im Genpool vertreten sind.
Evolutionsprozesse
Verschiedene Prozesse tragen zu Veränderungen der genetischen Vielfalt innerhalb und zwischen Individuen sowie zwischen Populationen |14◄ ►15| bei. Mutationen bedeuten eine Veränderung im genetischen Material. Durch Mutationen können neue Varianten (Allele) der Gene entstehen, die veränderte oder neue Merkmale verursachen. Mutationen können spontan auftreten oder durch äußere Einflüsse wie radioaktive Strahlung oder erbgutverändernde Chemikalien (Mutagene) verursacht werden. In der Evolution sind Keimbahnmutationen von Bedeutung. Dies sind Mutationen, die an die Nachkommen über die Keimbahn weitergegeben werden. Sie betreffen Eizellen oder Spermien sowie deren Vorläufer. Mutationen können unter anderem durch Fehler bei der Replikation der DNA und bei Reparaturvorgängen sowie durch falsche Zusammenlagerung von DNA-Sequenzen bei der Meiose entstehen. Bei Punktmutationen wird nur ein Nukleotid im genetischen Code verändert (z.B. eine Base ausgetauscht). Mutationen können negative Auswirkungen für den Organismus haben, oder ohne Fitnesskonsequenzen für das betroffene Individuum sein. Nur in sehr seltenen Fällen hat eine Mutation positive Folgen für den Organismus.
Die von Charles Darwin (1809 – 1882) entwickelte Evolutionstheorie stellt natürliche Selektion als Mechanismus in den Vordergrund. Survival of the fittest bedeutet nach Darwin, dass diejenigen Individuen überleben und sich vermehren können, welche an die vorherrschenden Bedingungen (extreme Temperaturverhältnisse, Prädatorendruck, verändertes Nahrungsangebot, usw.) am besten angepasst sind. Individuen mit bei den vorherrschenden Bedingungen vorteilhaften Merkmalen (z.B. Farbe, Größe oder Verhalten) können mehr Nachkommen produzieren als Individuen ohne diese Merkmale. Die vorteilhaften Merkmale kommen deshalb in der nächsten Generation häufiger vor, während die nachteiligen seltener werden, vorausgesetzt, dass diese Merkmale vererbbar sind. Über viele Generationen betrachtet, können durch diesen Prozess unterschiedliche Anpassungen an verschiedene Umweltbedingungen entstehen. Wenn sich zwei oder mehrere Populationen von Lebewesen immer stärker in ihren Merkmalen unterscheiden, d.h. immer größere genetische Differenzen auftreten, kann sich die Art in neue Arten aufspalten (siehe: Wie entstehen neue Arten?). Eine wichtige Voraussetzung für Anpassungen durch natürliche Selektion sowie für Artbildung ist das Vorhandensein von genetischen Unterschieden zwischen Individuen (genetische Vielfalt).
Der englische Biomathematiker Ronald Fisher (1890 – 1962) kombinierte das Evolutionsmodell von Darwin und nachfolgende Beiträge von verschiedenen Genetikern zur einheitlichen Synthetischen Theorie der Evolution (oder Neodarwinismus). Er entwickelte damit die Grundlage|15◄ ►16| für quantitative Untersuchungen, welche auf Allelfrequenzen basieren (Fisher 1930). Evolution findet statt, wenn sich die Häufigkeiten von Allelen in einer Population verändern. Durch Mutationen können neue genetische Varianten entstehen. Durch Rekombination werden Allele in neuen Kombinationen an die Nachkommen weitergegeben.
Das zufällige Weitergeben von Allelen an die nächste Generation wird genetische Drift genannt. Dabei spielt die Populationsgröße eine wichtige Rolle. Das Allel-Set, das eine Generation an die Nachfolgegeneration weitergibt, ist statistisch gesehen immer eine Zufallsstichprobe. In großen Populationen werden auch Allele, welche in geringen Häufigkeiten vorkommen, an die nächste Generation weitergegeben, während bei kleinen Populationen seltene Allele verloren gehen. Durch genetische Drift kann sich die Nachfolgegeneration in den Allelhäufigkeiten deutlich von der Vorgängerpopulation unterscheiden.
Beim Gründereffekt besiedeln wenige Individuen einen neuen Lebensraum, etwa eine Insel. Diese Tiere repräsentieren nicht die ganze Bandbreite der in der Ausgangspopulation vorhandenen Allele. Wegen der geringen Vielfalt an mitgebrachten Allelen kann die neu entstandene Inselpopulation sich unter den veränderten Bedingungen anders entwickeln als die Ausgangspopulation. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass auf der Insel eine neue Art entstehen kann (siehe: Wie entstehen neue Arten?).
Was ist eine Art?
Diese auf den ersten Blick triviale Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. In verschiedenen Artkonzepten wird mithilfe eindeutiger Kriterien versucht, die Vielfalt der Lebensformen auf unserem Planeten in diskrete Einheiten aufzuteilen. Da Evolution aber ein ständig fortschreitender Prozess ist, gibt es viele unterschiedlich stark ausgeprägte Übergangsformen zwischen Arten, die kaum durch eine gängige Definition taxonomisch zweifelsfrei abgegrenzt werden können. Die beiden am häufigsten verwendeten Definitionen für eine Art lauten:
• Eine Art ist eine Gruppe von Individuen, die sich in morphologischer, physiologischer oder biochemischer Hinsicht von anderen Gruppen unterscheidet (morphologische Definition einer Art, Morphospezies).
• Eine Art ist eine Gruppe tatsächlich und potenziell kreuzbarer Individuen, die sich mit Individuen anderer Gruppen unter natürlichen |16◄ ►17| Bedingungen nicht fortpflanzen (biologische Definition der Art, Biospezies).
Das Morphospezies-Konzept ist nützlich zur Unterscheidung der großen Zahl von lebenden, aber auch ausgestorbenen und nur fossil überlieferten Pflanzen- und Tierarten. Die folgenden Fakten zeigen aber die Grenzen dieses Konzeptes auf:
• Innerhalb einer Art können die Merkmale kontinuierlich variieren. Ein Phänotyp ist nicht vollständig durch den Genotyp determiniert, sondern ist das Ergebnis der Wechselwirkung von Genotyp und Umwelt. Ein und derselbe Genotyp kann je nach Lebens- und Umweltbedingungen unterschiedliche Formen und Größen bewirken. Viele Arten zeichnen sich durch eine hohe phänotypische Plastizität aus. So variiert beispielsweise die Blattform und Größe des Löwenzahns (Taraxacum officinale) stark in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge, Sonneneinstrahlung und Jahreszeit zum Zeitpunkt der Blattbildung.
• Innerhalb einer Art können Merkmale diskret variieren (intraspezifischer Polymorphismus). Individuen der Hain-Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) weisen eine gelbe, rosa oder braune Gehäusefarbe auf. Zusätzlich können die Gehäuse mit einem bis fünf, manchmal zusammenhängenden dunkelbraunen Bändern verziert sein. Alle diese Merkmale sind genetisch determiniert (Murray 1975). Das sehr variable Aussehen der Hainbänderschnecke verleitet zu einer Zuordnung von Individuen in verschiedene Arten.
• Viele Arten durchlaufen während der Individualentwicklung verschiedene Stadien (z.B. Larvenstadien bei Fliegen, Raupen und Puppe bei Schmetterlingen). Larvenstadien lassen sich oft nur mit großen Schwierigkeiten einer bestimmten Art zuordnen. Es ist auch vorgekommen, dass Larven einer schon bekannten Art als eigene, neue Art beschrieben wurden.
• Bei zahlreichen Arten sehen weibliche und männliche Individuen unterschiedlich aus (z.B. Stockente, Auerhuhn, Rothirsch, zahlreiche Insekten). Dieser sogenannte Sexualdimorphismus hat in verschiedenen Fällen dazu geführt, dass Weibchen und Männchen derselben Art ursprünglich verschiedenen Arten zugeordnet wurden.
• Biologisch völlig verschiedene Arten können aufgrund ähnlicher Selektionsbedingungen in ihrem Phänotyp konvergieren, sodass sie rein äußerlich kaum mehr zu unterscheiden sind.
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Das biologische Artkonzept basiert auf der Annahme, dass die Isolationsmechanismen zwischen den einzelnen Arten auf biologischen Eigenschaften der Organismen beruhen. Zwischenartliche Kreuzungen werden durch ethologische, morphologische, physiologische oder genetische Isolationsmechanismen verhindert. Dadurch