dafür ist der Inselkontinent Australien. Nach der Auflösung Gondwanas in die einzelnen Erdteile driftete die australische Platte lange Zeit weitgehend isoliert in östlicher Richtung. Ein Kontinente übergreifender Artenaustausch konnte nicht mehr stattfinden. In der Isolation Australiens|26◄ ►27| konnten so Organismengruppen überdauern, die sonst fast überall ausgestorben sind, wie etwa die Kloakentiere (Protheria). Auch die Beuteltiere (Metatheria) konnten hier überleben und entwickelten sich zu einer artenreichen Gruppe, während es mit Ausnahme weniger Arten in Amerika auf der Erde sonst keine Vertreter dieser einstmals weit verbreiteten Gruppe mehr gibt.
Abb. 2: Anordnung der Landmasse in der Trias, frühen und späten Kreidezeit sowie in der Neuzeit (nach Cloud 1978).
Fossilien belegen die Zu- und Abnahmen in der Diversität einzelner Gruppen. Neue Arten haben sich entwickelt, viele sind auch wieder ausgestorben. In Organismengruppen, über die aufgrund von Fossilfunden ausreichende Erkenntnisse vorliegen, ist die Artenzahl seit ihrem ersten Auftreten meistens angestiegen. Die heute lebenden Pflanzen- und Tierarten machen – je nach Schätzung – weniger als 1 % bis maximal 4 % der Arten aus, die jemals auf der Erde gelebt haben. Das Aussterben einer Art ist demnach ein fast ebenso häufiges Ereignis in der Erdgeschichte wie das Erscheinen einer neuen. Es gab aber auch Phasen der Abnahme der Diversität. Aufgrund der Fossilienfunde konnten in der Vergangenheit mindestens sechs Aussterbeereignisse, die sich innerhalb bestimmter Erdepochen auf relativ kurze Zeitabschnitte konzentrierten, dokumentiert werden (Abb. 3). Ein solches Massenaussterben ereignete sich beispielsweise am Ende des Perms vor rund 250 Millionen Jahren. Damals verschwanden in den marinen Flachwasserbereichen rund 90 % aller Wirbellosen. Ein weiteres Massenaussterben gab es am Ende der Kreidezeit vor rund 65 Millionen Jahren, als die Dinosaurier verschwanden. Heute befinden wir uns mitten in einem weiteren Massenaussterben. Es wird geschätzt, dass im 21. Jahrhundert zwischen 10 000 und 25 000 Arten jährlich auf der Erde aussterben; dies entspricht ein bis drei Arten pro Stunde. Das Artensterben verläuft gegenwärtig mindestens tausend Mal schneller als jemals zuvor in der Erdgeschichte. Zudem wird im Unterschied zu den früheren Ereignissen das jetzige Massenaussterben durch eine einzelne Art verursacht, nämlich durch den Menschen. Die Ursachen für das zurzeit stattfindende Massenaussterben werden detailliert in Kapitel 8 behandelt.
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Tabelle 2: Entwicklung der Artenvielfalt im Verlauf der Erdgeschichte
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Abb. 3: Die Zahl der Familien mariner Tiere hat im Lauf der Erdgeschichte zugenommen, wurde aber mehrmals durch Perioden massenhaften Artensterbens reduziert (beziffert mit 1 bis 6). Die aktuelle Reduktion (gestrichelt) ist nicht mit Fossilien belegt (ergänzt nach Erwin 1998).
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Nach jedem Massenaussterben waren freie ökologische Nischen vorhanden, die die Entwicklung und Entfaltung (Radiation) anderer Organismengruppen ermöglichten oder sogar beschleunigten. So konnten die landlebenden Säugetiere nach dem Aussterben der Dinosaurier die frei werdenden Nischen besetzen und eine sehr große Artenvielfalt entwickeln.
Veränderung der Biodiversität in neuester Zeit
Die globale Klimaerwärmung wird die regionale Biodiversität in kurzer Zeit verändern (Kapitel 8). Der Klimawandel verändert sowohl die Verbreitung von Arten als auch die Entwicklungsgeschwindigkeit der Individuen, die aus diesem Grund jahreszeitlich früher erscheinen und zum Teil mehr Generationen pro Jahr bilden (z.B. Schmetterlinge). Viele Arten zeigen eine Tendenz zur Ausbreitung in höhere Lagen. Im Alpenraum wird der Lebensraum für Arten der nivalen Hochgebirgsstufe kleiner, während sich derjenige der aus dem Tiefland und unteren Höhenlagen eingewanderten Arten nach oben ausdehnt. Insgesamt wird mit zunehmenden Temperaturen, welche ein besseres Überleben im Winter sowie eine stärkere Vermehrung und erhöhte Einwanderung im Sommer ermöglichen, die Anzahl neuer Arten in den Alpen zunehmen. Diese Arten dürften aber in ihrem Herkunftsgebiet meist noch häufig sein. In den Alpen und in anderen Gebirgen werden jedoch gefährdete Arten verloren gehen. Dies sind kälteadaptierte Endemiten (siehe Exkurs: Endemische Arten), die ihre ökologische Nische verlieren, oder konkurrenzschwache Arten, die von einwandernden Arten verdrängt werden. Diese Verluste – auch wenn sie vergleichsweise eher wenige Arten betreffen – sind qualitativ gravierender für die weltweite Biodiversität als die lokalen quantitativen Gewinne durch die zahlreichen Einwanderer.
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Endemische Arten
Eine Art, die nur in einem einzigen Gebiet vorkommt, bezeichnet man als in diesem Gebiet endemisch (= Endemit). Manche Arten sind nur in einem sehr kleinen Gebiet anzutreffen, z.B. auf einer Insel, in einem Vulkankrater, auf einem Berggipfel oder in einem See, während andere Arten in einem sehr großen Gebiet endemisch sind (z.B. in Australien oder Südamerika).
Beispiele für Endemiten mit geschätzter Arealgröße:
■ | Österreichische Miere (Minuartia austrica), eine Pflanze in den Ostalpen: | mehrere 100 km2 |
■ | Komodo-Waran (Varanus komodoensis), Riesenechse auf vier kleinen Inseln im Indonesischen Archipel: | mehrere 10 km2 |
■ | Schweizer Goldschrecke (Podismopsis keisti), eine Heuschreckenart auf Kalkfelsrasen im Churfirsten-Gebirge, Schweiz: | wenige km2 |
■ | Canariella jandiaensis, eine Schneckenart in Felshängen des Jandia-Gebirges auf Fuerteventura, Spanien: | weniger als 1 km2 |
(Quellen: Alonso et al. 2006; Sauberer et al. 2008)
Da Endemiten einmalig und unersetzbar sind, haben Staaten mit endemischen Arten eine besonders hohe Verantwortung für deren Erhaltung und Schutz.
Die in den letzten Jahrhunderten gestiegene Mobilität und der globalisierte Handel führen immer häufiger zum Auftreten von nicht-einheimischen Arten. Ein großer Teil dieser nicht-einheimischen Arten stirbt am neuen Standort bald wieder aus. Häufig ist es auch so, dass wenige Individuen für längere Zeit an einem Ort überdauern, aber kein erkennbares Populationswachstum zeigen. Einige nicht-einheimische Arten vermehren sich am neuen Standort stark und vergrößern ihr Areal auf Kosten der einheimischen Arten (Kapitel 8). Diese sogenannten invasiven Arten wirken sich nachteilig auf die ursprüngliche Biodiversität aus, verursachen wirtschaftliche Schäden und/oder schädigen den Menschen gesundheitlich. In der Regel erhöhen eingeführte Arten nicht die lokale Biodiversität, sondern reduzieren die Vielfalt.
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Wie viele Arten gibt es?
Unsere Kenntnisse über die einzelnen Artengruppen sind sehr unterschiedlich. Große, auffällige Organismen und solche von wirtschaftlicher oder medizinischer Bedeutung (Schädlinge, Krankheitserreger) sind relativ gut erforscht. Riesige Wissenslücken gibt es hingegen bei kleinen, eher unscheinbaren Organismen und solchen, die Lebensräume bewohnen, welche für Menschen schwer zugänglich sind (Boden, Tiefsee, Kronendach des tropischen Regenswaldes). Momentan sind etwa 1,8 Millionen Arten bekannt (Tabelle