psychischer Abläufe („kognitive Modellierung“, engl. cognitive modeling), die in Bereichen der Kognitiven Psychologie etwa bei Denk-, Urteils- oder Handlungsmodellen erprobt werden (z.B. ACT-R-Modell von Anderson, Matessa & Lebiere, 1997; Sun, 2009; Farrell & Lewandowsky, 2019).
Die Vorteile qualitativer Erhebungsmethoden (z.B. durch sprachliche Schilderungen, Fotos, Videos) sind vor allem in folgenden Punkten zu sehen:
• Sie verfremden die Befragungssituation weniger (als z.B. eine Laborsituation).
• Die Beobachtungen können uneingeschränkt gewonnen werden (z.B. ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten).
• Die Interaktionen zwischen Forschenden und beforschten Personen werden explizit gemacht.
• Die subjektiven Eindrücke der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden in die Auswertung miteinbezogen.
Es handelt sich hier um eine hermeneutische, d.h. sinn- und kontextbezogene, „verstehende“ Art der Interpretation von Daten. Als Nachteile qualitativer Methoden werden ein Mangel an Vergleichbarkeit mit anderen einschlägigen Untersuchungen, eine geringere Generalisierbarkeit der Ergebnisse und ein Mangel an Objektivität angeführt, d.h. eine geringere Übereinstimmung von Interpretationen gleicher Daten durch verschiedene Forscherinnen und Forscher (s. Flick et al., 1995; Döring & Bortz, 2016). Eine pointierte Gegenüberstellung von Merkmalen quantitativer und qualitativer Methoden gibt Lamneck (1995), ein prononcierter Vertreter qualitativer Auswertungsverfahren.
Merksatz
Der Gegensatz zwischen „quantitativer“ und „qualitativer“ Forschung dürfte sich im Sinne einer komplementären, einander ergänzenden Anwendung beider Ansätze immer mehr auflösen.
Ähnlich wie Karl Bühler vor etwa achtzig Jahren eine methodische Integration für die Psychologie vorgeschlagen hat, empfehlen nun auch Bortz und Döring (1995, 281) – ein Autor und eine Autorin, die den quantitativen Methoden verpflichtet sind – in ihrem weithin beachteten Werk „Forschungsmethoden und Evaluation“ eine Zusammenführung quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden. Nicht nur seien diese im Sinne eines interdisziplinären Arbeitens parallel einzusetzen, sondern es sollten auch Erhebungs- und Auswertungstechniken entwickelt werden, „die qualitative und quantitative Operationen vereinigen“. Die vermehrte Nutzung von Computern und elektronischen Arbeitsmitteln in der Forschung fördert in der Tat nicht nur den Einsatz mathematisch-statistischer Verfahren (z.B. statistischer Programmpakete), sondern eröffnet auch für die Weiterentwicklung qualitativer Verfahren große Chancen (Beispiele für qualitativ orientierte Auswertungsprogramme: ATLAS.ti, RQDA, MAXQDA, QDA Miner).
2.4 | | Gegenwärtige Forschungsorientierungen der Psychologie |
Innerhalb von Wissenschaften existieren zumeist unterschiedliche Grundkonzepte (wissenschaftliche Paradigmen) darüber, welche Forschungsfragen aufgegriffen, welche wissenschaftlichen Instrumente für Untersuchungen herangezogen und welche Erklärungsmodelle bevorzugt werden. Die häufigsten in der Fachliteratur genannten derartigen Forschungsperspektiven sind folgende:
Biologische Perspektive: Bei dieser Forschungsausrichtung werden psychologische Phänomene hauptsächlich durch die Funktionsweise der Gene, des Gehirns, des Nervensystems oder anderer biologischer Systeme erklärt.
Merksatz
Die Erforschung eines psychischen Phänomens kann aus verschiedenen Perspektiven erfolgen, die sich hinsichtlich der theoretischen Annahmen, der verwendeten Untersuchungsmethoden und der bevorzugten Erklärungsmodelle unterscheiden.
Psychodynamische Perspektive: Ein Erklärungsansatz, bei dem psychische Prozesse auf die Verarbeitung vergangener Erfahrungen (z.B. Kindheitserlebnisse, Elternbeziehungen), auf teils unbewusste motivationale Kräfte (Triebe) oder auf die Anpassung an soziale Zwänge (Kultur) zurückgeführt werden.
Behavioristische Perspektive: Ein auf das „objektiv“ beobachtbare Verhalten (amerikan.: „behavior“) des Menschen (und von Tieren) ausgerichteter Ansatz, bei dem die gesetzmäßige Aufklärung von Reiz-Reaktions-Beziehungen im Vordergrund steht und der auf Aussagen über „innere“ – bewusste oder unbewusste – Prozesse verzichtet.
Humanistische Perspektive: Eine Strömung, welche den Menschen als freies und aktives Wesen interpretiert, das sich von selbst entwickelt, wenn man sich ihm nur wertschätzend, empathisch, ehrlich und „non-direktiv“ zuwendet („Selbstaktualisierung“).
Kognitive Perspektive: Hier sind Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen, Denken, Problemlösen, Emotion und Motivation als informationsverarbeitende Prozesse gesetzmäßig zu beschreiben („Computer-Metapher“).
Evolutionäre Perspektive: Die Struktur der Psyche sowie ihre Dynamik werden als Resultat der evolutionsgeschichtlichen Entwicklung des Menschen betrachtet, bei der das Verhaltensrepertoire (z.B. Erbkoordinationen, Ritualisierungen) durch Selektion und Mutation an die jeweiligen (frühmenschlichen) Umweltbedingungen angepasst und genetisch weitergegeben wurde.
Kulturvergleichende Perspektive: Dabei stehen Einflüsse von Kulturen (z.B. ihre Normen, Medien, Religionen) auf das Erleben und Verhalten des Menschen im Zentrum der Betrachtung, eine Richtung, die auf fast alle psychischen Phänomene anwendbar ist.
| Abb 2.2
Von Coan (1968) wurden 34 Merkmale psychologischer Theorien so in einen geometrischen Raum projiziert, dass das Ausmaß ihrer inhaltlichen Verwandtschaft durch ihre räumliche Nähe wiedergegeben wird. Die Schwerpunkte von sechs Bündelungen solcher Merkmale wurden als „Faktoren“ dargestellt, welche inhaltlich als oberbegriffliche Charakterisierungen der Merkmalsbündel aufzufassen sind. Diese sechs Faktoren konnten dann selbst wieder über zwei Faktoren (Koordinaten) beschrieben werden, von denen der eine (A) die naturwissenschaftliche und der andere (B) die geisteswissenschaftliche Forschungsorientierung symbolisiert.
Idealerweise sollten die Forschungsergebnisse der verschiedenen Ansätze zusammengeführt und zu einheitlichen Theorien integriert werden. Leider wird dieses Vorhaben durch die große Menge an empirischen Resultaten erschwert. Jährlich erscheinen weltweit nicht weniger als 2.500 psychologische Zeitschriften und etwa 40.000 wissenschaftliche Publikationen zu psychologischen Themen (Schönpflug, 2013).
Zusammenfassung
Die Psychologie befasst sich mit menschlichem Verhalten, Erleben und Bewusstsein, deren Beschreibung, Erklärung, Vorhersage und eventuelle Veränderung sie anstrebt. Wie in jeder anderen Wissenschaft finden sich auch hier zwischen den Fachangehörigen Diskrepanzen hinsichtlich axiomatischer Annahmen (z.B. Leib-Seele-Dualismus, Anlage-Umwelt-Einfluss, Forschungsmethoden), aus denen sich unterschiedliche Präferenzen für theoretische Erklärungen und Forschungsthemen ergeben. Der Theorienraum der Psychologie lässt sich grob in eine naturwissenschaftliche und in eine geisteswissenschaftliche Orientierung gliedern, eine Unterscheidung, die sich auch in den gegenwärtigen Forschungsperspektiven widerspiegelt, die aber als wechselseitig befruchtend angesehen werden können.
Fragen
1. Woran orientieren sich Definitionsversuche für das Wissenschaftsfach Psychologie?
2. Wie lautet eine möglichst umfassende Definition der Psychologie, bei der auch die Hauptforschungsthemen berücksichtigt sind?
3. Wie lassen sich Psyche und Bewusstsein in ihrem Wechselbezug charakterisieren?
4. Welche allgemeinen Zielsetzungen gelten für die Psychologie als Wissenschaft?
6. Mit welchen Verfälschungen (Artefakten) muss man bei Befragungen rechnen?
7. Was versteht man in der Psychologie unter Objektivitäts-, Reliabilitäts- und Validitätsproblem?
8. Nennen Sie Möglichkeiten des Einsatzes psychologischen Wissens zur Veränderung und Optimierung menschlichen Erlebens und Verhaltens!
9. Welche gegensätzlichen Grundannahmen lassen sich in psychologischen Forschungsfeldern unterscheiden?
10. Beeinflussen