Rainer Maderthaner

Psychologie


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      Erklären

      Vorhersagen

      Verändern

      2.3 Kontroversielle Grundannahmen der Psychologie

      Leib – Seele

      Anlage – Umwelt

      Vergangenheit – Gegenwart

      Freier Wille – Determiniertheit

      Bewusst – unbewusst

      Allgemeingültigkeit – Einzigartigkeit

      Wertfreiheit – Wertbekenntnis

      Objektivität – Subjektivität

      Zergliederung – Ganzheitlichkeit

      Statik – Dynamik

      Quantitativ – qualitativ

      2.4 Gegenwärtige Forschungsorientierungen der Psychologie

Definitionen von Psychologie| 2.1

      Das Wort Psychologie bedeutet, wie erwähnt, „Seelenkunde“ oder „Seelenlehre“ (griech. „psyche“: Hauch, Leben, Seele; griech. „logos“: Wort, Begriff). Die Auffassungen darüber, was unter Seele verstanden wird, unterscheiden sich jedoch ziemlich. Nachfolgend sollen einige innerhalb des Wissenschaftsfaches Psychologie verbreitete Definitionen und Umschreibungen für „Psychologie“ präsentiert werden.

      „Die Psychologie ist eine empirische Wissenschaft. [...] Ihr Gegenstand ist das (zumeist menschliche) Erleben und Verhalten, ihr Ziel ist es, allgemeingültige Aussagen über diesen Gegenstand zu machen – ihn zu beschreiben, beobachtbare Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge aufzudecken, diese zu erklären, und womöglich Vorhersagen zu machen“ (Hofstätter & Wendt, 1974, 1). In ähnlicher Weise versteht Traxel (1974, 15) die Psychologie als Erfahrungswissenschaft, die als ein „System methodisch gewonnener Aussagen über einen bestimmten Gegenstand“ zu definieren ist.

      Merksatz

      Psychologie untersucht die Zustände und Veränderungen des Verhaltens, des Erlebens und des Bewusstseins.

      Als zentral für die Definition von Psychologie wird oft die Angabe des Forschungsgegenstands angesehen, mit dem sich das Fach zu beschäftigen hat. Bourne und Ekstrand (1992, 2) formulieren: „Die Psychologie ist die wissenschaftliche Erforschung von Verhalten.“ Bei dieser breiten Definition könnte das Missverständnis entstehen, es sei nur das „äußere“ (beobachtbare) Verhalten gemeint. In Rohrachers international viel beachtetem Werk „Einführung in die Psychologie“ gelten dagegen die bewussten Prozesse mit ihren Auslösern und Effekten als Hauptcharakteristikum des Forschungsfelds der Psychologie: „Psychologie ist die Wissenschaft, welche die bewußten Vorgänge und Zustände sowie ihre Ursachen und Wirkungen untersucht“ (Rohracher, 1965, 7). Hier werden die zahlreichen unbewussten, automatisch ablaufenden psychischen Vorgänge noch vernachlässigt, zumindest aber ergibt sich eine Abgrenzung zu anderen Humanwissenschaften.

      Zimbardo und Gerrig (1999, 2) definieren: „Gegenstand der Psychologie sind Verhalten, Erleben und Bewusstsein des Menschen, deren Entwicklung über die Lebensspanne und deren innere (im Individuum angesiedelte) und äußere (in der Umwelt lokalisierte) Bedingungen und Ursachen.“ Diese Definition ist bereits spezifischer. Die Bedeutung „innerer“ (introspektiver) Prozesse für die psychologische Forschung – der europäischen Tradition entsprechend – wird ebenso angesprochen wie der Aspekt des „Interaktionismus“ mit Einflüssen seitens der Umwelt.

      Regulation ist eine Steuerung, welche die Stabilität eines dynamischen Systems aufrechterhält.

      Mandler (1979, 32) dagegen formuliert: Psyche ist ein komplexes, einem Individuum zugeschriebenes Informationsverarbeitungssystem, „das Input verarbeitet (einschließlich dem Input aus seinen eigenen Handlungen und Erfahrungen) und Output an die verschiedenen Subsysteme und die Außenwelt abgibt.“ In dieser Umschreibung des Forschungsfeldes der Psychologie wird Mandler sowohl den unbewussten als auch den bewussten Prozessen gerecht, indem er die Psyche als komplexes Regulationssystem definiert, innerhalb dessen dem Bewusstsein nur eine „Lupenfunktion“ zukommt (s. unten).

      Merksatz

      Psychologie ist eine Erfahrungswissenschaft, die in möglichst erschöpfender Breite und mit möglichst großer Realitätsnähe die Psyche bzw. ihre „Produkte“ erforscht, nämlich das Verhalten, Erleben und Bewusstsein von Lebewesen.

      Interdisziplinarität ist die Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zur Lösung eines Problems. Transdisziplinarität erfordert den Einbezug von Praktikerinnen und Praktikern in den wissenschaftlichen Diskurs.

      Dörner und Selg (1996, 20) definieren im Sinne der Kybernetik: Psychologie ist die „Wissenschaft von den offenen oder variablen Regulationen“ (Bischof, 2016). Als „offen“ werden Regulationen dann bezeichnet, wenn sie „nicht genau durch genetische Vorprogrammierungen“ festgelegt sind (Dörner & Selg, 1996, 20). Gemeint sind kybernetische Regelsysteme, die sich plastisch entwickeln können (z.B. Lern- und Denkvorgänge) und nicht genetisch fixiert sind (z.B. Reflexe oder Erbkoordinationen). Dass die Unterscheidung zwischen variablen und stabilen Regulationen auf empirischer Basis – zumindest bis heute – noch äußerst schwerfällt, erschwert allerdings die Anwendung dieser Definition.

      Dörner und Selg (1996, 24) formulieren weiter: „Gegenstand der Psychologie kann alles werden, was erlebbar ist und / oder sich im Verhalten äußert [...]“. Übereinstimmend mit einigen vorigen Definitionen werden hier introspektives Erleben und beobachtbares Verhalten als gleichwertige Datenquellen der Psychologie verstanden. Vorteilhaft an dieser breiten, aber pragmatischen Definition erscheint außerdem ihre Orientierung in Richtung Interdisziplinarität - und Transdisziplinarität, ohne die eine erschöpfende und realitätsnahe Erklärung psychischer Phänomene kaum möglich ist.

Allgemeine Zielsetzungen wissenschaftlicher Psychologie| 2.2

      In verbreiteten Einführungswerken der Psychologie (vgl. etwa Bourne & Ekstrand, 2005; Gerrig & Zimbardo, 2008; Ulich, 2000) finden sich – gut vergleichbar mit anderen empirischen Sozial- und Humanwissenschaften (wie etwa der Soziologie, der Ökonomie oder der Medizin) – vier Hauptziele für die Wissenschaftsdisziplin Psychologie:

      Box 2.1 | Häufige Artefakte bei Befragungen

      ŸŸ• Unklarheiten in der Formulierung von Fragen (z.B. Mehrdeutigkeit, zu komplizierte Sätze)

      ŸŸ• Fehlinterpretationen von Anweisungen („Instruktionen“)

      ŸŸ• Sequenzeffekte (Ermüdung, „Trainingseffekte“)

      ŸŸ• Hawthorne-Effekt (sich beobachtet oder analysiert zu fühlen, erhöht zumeist die Leistungsbereitschaft)

      ŸŸ• Mangelnde Bereitschaft zur Selbstenthüllung (bei privaten Inhalten)

      ŸŸ• Motive zur Selbstdarstellung, Effekt der sozialen Erwünschtheit (bei Interviewpartnerinnen und -partnern einer Befragung einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen, sich nicht zu blamieren etc.)

      ŸŸ• Befürchtung negativer Konsequenzen (Zweifel an anonymer Verarbeitung der Daten)

      ŸŸ• Sponsorship-Bias (Vermutungen über die Absichten der Auftraggeberinnen und -geber von Befragungen)

      ŸŸ• Kontext-Effekte (z.B. Einfluss von Stimmungen)

      ŸŸ• Urteilsheuristiken (pragmatische, zeitsparende und oft unlogische Art der Schlussfolgerungen)

      ŸŸ• Anwesenheitseffekte (Beeinflussung des Antwortverhaltens durch anwesende Personen)

      In Anlehnung an Bortz & Döring (1995)

2.2.1 |Beschreiben

      Merksatz

      Die Beschreibung von Forschungsphänomenen in der Psychologie (Datenerhebung) geschieht hauptsächlich über Selbst- und Fremdbeobachtung, Befragung, Messung, Experiment, Test, Textanalyse, Inhaltsanalyse, Skalierung, Simulation oder Fallstudien, wobei einer verfälschungsfreien