rel="nofollow" href="#u3c2759b7-c19c-5ebd-93d4-802b4e14bbdb">9 Emotion – Motivation
9.1 Affekte – Gefühle – Stimmungen – 9.2 Funktionen von Emotionen – 9.3 Emotionstheorien – 9.4 Phasen und Komponenten von Emotionen – 9.5 Klassifikation von Emotionen – 9.6 Motivation – Bedürfnisse – Motive – 9.7 Hunger – 9.8 Aggression und Dominanz – 9.9 Leistungs- und Arbeitsmotivation
10.1 Soziale Wahrnehmung – 10.2 Einstellungen – 10.3 Einstellungsänderung und sozialer Einfluss – 10.4 Autorität und Gehorsam – 10.5 Soziale Beziehungen – 10.6 Kommunikation – 10.7 Gruppenprozesse
11.1 Sexualverhalten – 11.2 Sexuelle Orientierung – 11.3 Sexualität und Internet – 11.4 Sexualität und Aggression
12.1 Wohlbefinden und Lebensqualität – 12.2 Gesundheit – 12.3 Krankheit und Mortalität – 12.4 Psychische Störungen – 12.5 Stress – 12.6 Stressbewältigung (Coping) – 12.7 Bindungsstil – 12.8 Psychologische Intervention – Psychotherapie
Abbildungsnachweis – Literaturverzeichnis – Register
Einleitung | 1
Inhalt
1.1 Trivialpsychologie und Psychologie als Wissenschaft
1.2 Seelenvorstellungen und Religion
1.3 Philosophie als Vorläuferin der Psychologie
1.4 Die Entwicklung der akademischen Psychologie
Trivialpsychologie und Psychologie als Wissenschaft | | 1.1 |
Jeder Mensch sammelt im Laufe seines Lebens Erfahrungen mit sich selbst sowie mit anderen und erwirbt somit ein beträchtliches, oft subjektiv gut bestätigtes Allgemeinwissen über Psychologie. „Dieses Wissen wird häufig ‚naive Psychologie‘, ‚Volkspsychologie‘ (engl. folk psychology), ‚Laienpsychologie‘ (engl. lay psychology)“ oder – soweit es übereinstimmt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen – Popularpsychologie genannt (Schönpflug, 2000, 26). Nicht selten konkurrieren aber solche persönlichen Überzeugungen mit fachwissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sich an manchen sogenannten Lebensweisheiten zeigt, die nicht unbedingt nur der Lebenserfahrung entspringen, sondern manchmal auch in Bequemlichkeit, Ängsten, Wünschen, allgemeinen Vorurteilen und Vorbildern wurzeln (Box 1.1).
Merksatz
Kaum eine andere Wissenschaft hat so viele Bezüge zu Alltagserfahrungen wie die Psychologie, weshalb ihre Erkenntnisse oft tatsächlich oder scheinbar in Widerspruch zu subjektiv gewonnenen Einsichten stehen.
In dieser Konkurrenzsituation zwischen natürlich und wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnissen entwickelte sich die akademische Psychologie – repräsentiert durch wahrscheinlich mehr als 200.00 Psychologen in der ganzen Welt (Schönpflug, 2000; Pawlik, 1985). Sie ist gekennzeichnet durch ein Instrumentarium exakter, zumeist den Naturwissenschaften entliehener Methoden (statistische Auswertungsverfahren, mathematische Modelle, standardisierte Tests etc.). Oft führte diese naturwissenschaftliche Orientierung zwar zu methodenbedingten Beschränkungen der erforschten Phänomene, doch verhalf sie in etwa 150 Jahren psychologischer Forschung bereits zu umfassenden und verlässlichen Erkenntnissen in allen Anwendungsbereichen.
Box 1.1 | Sogenannte „Lebensweisheiten“, die alle falsch sind
• Aggressionen sollten abreagiert werden, wenn man sie loswerden möchte.
• In Liebesbeziehungen ziehen sich Gegensätze an.
• Aus der Handschrift eines Menschen lässt sich sein Charakter ablesen.
• Wenn man an Ängste nicht denkt, verliert man sie mit der Zeit.
• Im Allgemeinen verwenden wir nur etwa 10 % unseres Gehirns.
• Nur wenn man die Ursache einer psychischen Störung kennt, kann sie auch geheilt werden.
• Das Grundwissen wissenschaftlicher Psychologie ist die Psychoanalyse.
• Jeder Mensch kann hypnotisiert werden.
• Psychologinnen und Psychologen können in relativ kurzer Zeit ihre Mitmenschen durchschauen.
In Anlehnung an Dörner & Selg (1996), Forgas (1999), Schönpflug (2000) sowie Passer & Smith (2004).
Rückschaufehler: engl. hindsight bias
Die Schwächen des Laienurteils offenbaren sich oft schon am Beispiel des sogenannten gesunden Menschenverstandes. Hier hat sich in psychologischen Studien nicht selten das genaue Gegenteil dessen herausgestellt, was im „common sense“ angenommen wird (Box 1.2).
Verzerrungen der Realität liefert zum Beispiel der Rückschaufehler, der uns vergangene Ereignisse aus dem Blickwinkel der Gegenwart uminterpretieren lässt. Eigene Prognosen, etwa über die Karrierechancen eines Jugendlichen, über den Ausgang einer Wahl oder über die Wirtschaftsentwicklung, werden im Nachhinein gerne entsprechend der tatsächlichen Entwicklung „korrigiert“. Ähnlichen Irrtümern unterliegt die Einschätzung der Geschwindigkeit geistiger Leistungen. So schätzt man die Dauer, die die Lösung der Anagramme SERWAS und TESSMY braucht, mit ungefähr zehn Sekunden, während es tatsächlich durchschnittlich etwa drei Minuten sind (Lösung: WASSER und SYSTEM; Myers, 2005, 23). Dieser I-knewit-all-along-Effekt zeigt unser Bedürfnis auf, recht zu behalten (Box 1.3; Hölzl & Kirchler, 2005).
Sagt einem das wirklich der „gesunde Menschenverstand“? | Box 1.2
1. Erstgeborene neigen mehr / weniger dazu, die Gesellschaft anderer zu suchen als nachgeborene Geschwister.
2.Europäer kommunizieren Emotionen mit ähnlichen / anderen Gesichtsausdrücken wie / als die Eingeborenen Neuguineas.
3.Das Aussehen des Menschen hat einen / keinen Einfluss darauf, ob man ihn eines Verbrechens für schuldig befindet.
4.Wenn einem sehr kompetenten Menschen eine Ungeschicklichkeit unterläuft, nimmt seine Attraktivität in den Augen anderer zu / ab.
5.Wenn ein Versuchsleiter von Probanden verlangen würde, einem anderen gefährliche Elektroschocks zu verabreichen, würde sich die Mehrheit weigern / nicht weigern.
(Lösung: 1: mehr, 2: ähnlichen, 3: einen, 4: zu, 5: nicht weigern)
Forgas, J. P. (1999, 6)
Viele scheinbar widersprüchliche Erfahrungen des Alltages können durch psychologische Experimente präzisiert und unter Bezugnahme auf die Eigenheiten der menschlichen Informationsverarbeitung aufgeklärt werden. Beispiele dafür sind optische Täuschungen („impossible figures“, s. Kap. 5.) oder die Tendenz, Probleme selbst dann noch nach altbewährten Rezepten zu lösen, wenn es eigentlich viel einfachere Wege gäbe („Analogietendenz“; s. Abschn. 8.3.2).
Box 1.3 | Befragung: „Hätte ich auch so gewusst ...“
In einer Studie über die Genesungsdauer nach Unfällen (Rogner, Frey & Havemann, 1987) wurde festgestellt, dass verletzte Personen häufig dann eine längere Krankenhausaufenthaltsdauer hatten, wenn sie glaubten, sie hätten den Unfall vermeiden können. Dies war für manche eine Überraschung, denn grundsätzlich wäre es auch denkbar