geltend machen[467]. Diese gesetzliche Regelung ist nach der Rechtsprechung abschließend, was aber vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips in doppelter Hinsicht problematisch ist[468]. Bereits bei der Vollversammlung überzeugt es nicht, dass nur das Gesamtorgan die entsprechenden Befugnisse geltend machen kann, da es gerade keine „Fraktionen“ gibt und damit Minderheiten ihre Rechte nicht durchsetzen können. Zum Schutz der Minderheitsmeinung muss man daher jedenfalls den Mitgliedern der Vollversammlung die entsprechenden Befugnisse zuerkennen[469]. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob dies für alle Mitglieder gelten muss. Insoweit leitet das BVerwG aus dem weiten gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung der funktionalen Selbstverwaltung ab, dass ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung das einzelne Mitglied keine organschaftlichen Befugnisse hat[470]. Überzeugender ist es jedoch, angesichts des verfassungsrechtlichen Junktims von Zwangsmitgliedschaft und Partizipationsbefugnissen jedenfalls bestimmte Mindestbefugnisse des einzelnen Mitglieds zu fordern bzw eine Zwangsmitgliedschaft ohne jegliche Möglichkeit zur Partizipation an den Entscheidungsprozessen der Kammer als unverhältnismäßig anzusehen[471].
5. Der Gleichheitssatz
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Art. 3 Abs. 1 GG verbietet wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Grundsätzlich ist die Auswahl der Sachverhalte Sache des Gesetzgebers. Er muss aber eine sachgerechte Auswahl treffen. Sein Spielraum ist abhängig von „der Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll“[472]. Daraus folgt aber weder ein genereller Anspruch auf Chancengleichheit noch auf schematische Gleichbehandlung.
a) Anforderungen an den Gesetzgeber: Kohärenzgebot und Systemgerechtigkeit
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Eine Ausprägung des Art. 3 GG ist der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit. Dieser wird verstanden als Ausprägung der im Gleichheitssatz enthaltenen Verpflichtung auf Konsequenz, Folgerichtigkeit und Regelhaftigkeit einer vom Gesetzgeber getroffenen Regelung[473]. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist schon wegen den funktionellen Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit das vom Gesetzgeber gewählte (und innerhalb der verfassungsrechtlichen Wertungen frei wählbare) System[474]. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung in einem inneren Widerspruch zu der Gesamtkonzeption des Regelungssystems steht, dem sie angehört. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber bei der Auswahl der Sachverhalte, an die er unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, einen großen Spielraum. Der Gesetzgeber kann also durch eine Regelung bestimmte Unterschiede erst schaffen. Hat er sich aber für ein bestimmtes System entschieden, wird die Kontrolle innerhalb des vom Gesetzgeber gewählten Systems intensiver[475]. Vor allem wird der Gesetzgeber verpflichtet, diejenigen Sachverhalte gleich zu behandeln, die sich nach den Wertungen der betreffenden Grundkonzeption als gleich darstellen[476], dh er muss innerhalb dieses Systems konsequent regeln[477] und Abweichungen jedenfalls sachlich begründen[478]. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht Untersysteme auf ihre Wertungskonsistenz mit einem Obersystem überprüft werden sollen und die Verfassungsgerichtsbarkeit zwangsläufig an ihre funktionellen Grenzen stößt, sondern wenn es sich um „kleinräumige Binnenkritik“ handelt (vgl auch ▸ Klausurenkurs Fall Nr 2).
Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das BVerfG hat mehrfach betont, dass eine solche Systemwidrigkeit als Durchbrechung des vom Gesetzgeber selbst statuierten Regelungssystems einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indizieren könne[479]. In der Entscheidung zum Rauchverbot in Gaststätten hat es die Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der Regelung zu den Diskotheken in BW, die von der Lockerung des gaststättenrechtlichen Rauchverbotes ausgenommen waren, ausdrücklich auf Art. 3 GG gestützt[480]. In anderen Entscheidungen hat das BVerfG zwar nicht allein die Systemwidrigkeit als Indiz ausreichen lassen, aber jedenfalls verlangt, dass für die Durchbrechung des vom Gesetzgeber gewählten Systems plausible Gründe sprechen müssen bzw dass ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung besteht[481].
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Ein gutes Beispiel zur Illustration liefert das novellierte Handwerksrecht. Der Gesetzgeber hat von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und den Schutzzweck des Handwerksrechts erheblich modifiziert (s. bereits Rn 125), muss sich jetzt aber an diesem selbstgewählten System festhalten lassen. Werden die Zulassungsbeschränkungen nunmehr vor allem mit den Gefahren für Dritte gerechtfertigt, müssen sich auch die einzelnen Regelungen an dieser Grundentscheidung messen lassen. Dies führt gleich in mehrfacher Hinsicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hier könnte man bereits die Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen den besonders gefahrgeneigten Handwerken in Anlage A und den sonstigen Handwerken als eine unzulässige Typisierung ansehen, soweit bestimmte (ebenfalls gefahrgeneigte) Tätigkeiten in die Anlage B1 aufgenommen wurden[482]. Auch die Rückführung bestimmter Handwerke in die Anlage A (dazu Rn 458) ist an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Allerdings steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist auch insoweit nicht überschritten, als der Gesetzgeber auch am Ausbildungspotential des Handwerks als Rechtfertigungsgrund für subjektive Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich festgehalten und deswegen bestimmte Handwerke unabhängig von ihrer Gefährlichkeit als zulassungspflichtige Handwerke ausgestaltet hat.
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Innerhalb des vom Gesetzgeber gewählten Systems, also hinsichtlich der Regelungen für das (weiterhin der Meisterpflicht unterfallende) gefahrgeneigte Handwerk, steigen die Anforderungen an die Kohärenz. Einerseits hält der Gesetzgeber wegen der Gefährlichkeit dieser Handwerke am Meisterzwang fest, andererseits hat er diese Regelung durch Ausnahmen verwässert. Erst recht steigen die Anforderungen an die Begründung, wenn – wie bei der letzten Novelle (dazu Rn 457) – die Meisterpflicht wieder ausgeweitet wird.
Verwässert wird der Regelungsansatz durch die sog. Altgesellenregelung in § 7b HwO[483]. Diese hebt in der Ausgestaltung, die sie im Gesetzgebungsverfahren gefunden hat[484], für die meisten Handwerke den eigentlich vom Gesetzgeber weiterhin für erforderlich gehaltenen Meisterzwang faktisch auf, was nicht nur die Geeignetheit der Regelung zur Erreichung der vom Gesetzgeber erstrebten Zwecke insgesamt in Frage stellt, sondern zusätzlich die Frage aufwirft, was es dann überhaupt rechtfertigt, bestimmte Handwerke wiederum aus der Altgesellenregelung auszunehmen (zu den Einzelheiten s. Rn 473 f). Soweit der Gesetzgeber (auch) auf die Ausbildungsleistung abgestellt hat, liegt ein Systembruch darin, dass Altgesellen zwar ein Handwerk betreiben, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen ausbilden dürfen[485]. Vor allem aber ist die Beibehaltung einiger bisheriger Regelungen systemwidrig, da sie sich nur als Vorschriften zum Schutz des Berufsstandes der Handwerker verstehen lassen und damit im Widerspruch zu den veränderten Zielen des Gesetzgebers (insbesondere Kundenschutz) stehen. Dies gilt für die Freistellung bestimmter Nebenbetriebe (die bisher nur als unwesentliche Beeinträchtigung des Berufsstandes angesehen wurden)[486] und vor allem für die Beschränkung der Vorschriften auf das stehende Gewerbe, also die Freistellung vom Meisterzwang bei der Erbringung entsprechender Leistungen im Reisegewerbe. Hier führt die Beschränkung der HwO auf das stehende Gewerbe angesichts der großzügigen Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr 1 GewO durch die Rechtsprechung (s. unten Rn 461) dazu, dass praktisch jedes Handwerk ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden kann, wenn nur bestimmte Modalitäten der Vertragsanbahnung berücksichtigt werden. Diese Differenzierung ist mit dem primären Zweck der Handwerksordnung, die seit der Novellierung in erster Linie der Gefahrenabwehr dienen soll, nicht mehr zu vereinbaren[487].
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Dennoch müssen, anders