Zumeist reicht es aber schon aus, wenn das BVerfG sich wie die europäischen Gerichte[513] stärker mit den tatsächlichen Verhältnissen und den Auswirkungen einer Regelung als mit den in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gebrachten Regelungsabsichten des Gesetzgebers beschäftigt. Der bislang deutlichste Fall ist die Entscheidung des BVerfG zu den Sportwetten[514], in der das BVerfG bis in die Einzelheiten der vom EuGH vorgezeichneten Argumentationslinie folgte.
Das BVerfG stellte im Zusammenhang mit den Sportwetten weniger auf die gesetzgeberischen Intentionen als darauf ab, inwieweit die gesetzlichen Regelungen tatsächlich zu einer Eindämmung der Spielsucht führten[515]. Diese Entwicklung hin zu einer stärkeren Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse ist keineswegs neu. Ein frühes, auf die EMRK bezogenes Beispiel stellt der Umgang des BVerfG mit der Feuerwehrabgabe Baden-Württemberg (der höchstwahrscheinlich einzigen männerdiskriminierenden Vorschrift) dar[516]. Um einen Widerspruch zwischen GG und EMRK zu vermeiden, folgte das BVerfG in seiner Argumentation und vor allem hinsichtlich der Einbeziehung statistischen Materials zur Überprüfung der Tatsachengrundlagen des gesetzgeberischen Konzepts der Entscheidung des EGMR[517] und gab gleichzeitig eine jahrzehntelange Praxis der Vorprüfungsausschüsse auf. Spätere Fälle betreffen die faktische Diskriminierung von Frauen durch prima facie geschlechtsneutrale Regelungen[518]. Außerdem zieht das BVerfG die EMRK und die dazu ergangenen Entscheidungen des EGMR zur Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips oder Willkürverbotes heran[519]. Der Rekurs auf die EGMR-Rechtsprechung im Rahmen verfassungsrechtlicher Überlegungen wird allerdings überall dort entbehrlich, wo diese Maßstäbe auf die Ebene der GRCh verlagert werden.
c) Anforderungen an das Verwaltungsverfahren
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Die zentralen Aspekte der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG im öffentlichen Wirtschaftsrecht lassen sich nach materiellen Anforderungen an den Inhalt einer Entscheidung und formellen Verfahrensanforderungen differenzieren. In materieller Hinsicht determiniert Art. 3 GG das der Verwaltung eingeräumte Ermessen, wird also als ermessensleitender Gesichtspunkt relevant[520]. Dies gilt nicht nur bei der Subventionsvergabe, sondern ganz allgemein beim Erlass von Verwaltungsakten. Bei eigener Teilnahme des Staates am Wettbewerb ergibt sich aus dem Gleichheitssatz lediglich ein Anspruch auf „hoheitliche Respektierung der wettbewerblichen Ausgangslage“[521], nicht auf ein bestimmtes Verhalten des sich am Wirtschaftsverkehr beteiligenden Staates.
aa) Anspruch auf Begünstigung
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Während sich ein Anspruch auf Genehmigungserteilung im öffentlichen Wirtschaftsrecht bereits aus Art. 12 GG ergibt, der eine Bedürfnisprüfung ausschließt (dazu Rn 115), spielt der Gleichheitssatz überall da eine Rolle, wo gesetzliche Regelungen fehlen. Dies gilt insbesondere für die Leistungsverwaltung, so dass sich aus Art. 3 Abs. 1 GG zB im Subventionsrecht ein Anspruch auf Förderung ergeben kann (dazu Rn 791, 795 ff). Im Marktrecht folgt der Anspruch bereits aus dem einfachen Recht (dazu näher Rn 377 ff), genauso wie im Recht der kommunalen Einrichtungen. Allerdings führt Art. 3 GG bei Ermessensentscheidungen nur ausnahmsweise zu einer Ermessensreduktion auf Null[522].
bb) Anspruch auf diskriminierungsfreie Verfahrensgestaltung
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Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG, aber auch aus der Teilhabefunktion des Art. 12 GG lässt sich ein Anspruch auf diskriminierungsfreie Beteiligung an Verwaltungsverfahren zur Entscheidung von Knappheits- und damit auch Konkurrenzsituationen ableiten. Dies wird bei so unterschiedlichen Konstellationen relevant wie der Zulassung zu Märkten im Gewerberecht, im Telekommunikationsrecht aber auch der Subventionsvergabe und verpflichtet den Gesetzgeber zur Einführung entsprechender Verfahrensvorschriften. Sofern der Vorbehalt des Gesetzes eine solche Konkretisierung nicht verlangt, wird man jedenfalls aus der prozeduralen Dimension des Grundrechtsschutzes eine Pflicht zur Aufstellung und Veröffentlichung von Verfahrensgrundsätzen durch die Verwaltung ableiten können[523].
Dabei darf nicht übersehen werden, dass dieser grundrechtliche Anspruch häufig von unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten überlagert wird, insbesondere bei Wirtschaftssubventionen sowie im europäisierten Regulierungsrecht. Dort ergibt sich ein durchaus konkreterer Anspruch auf diskriminierungsfreie Verfahrensgestaltung zB aus den TK-Richtlinien und den einfachgesetzlichen Umsetzungsvorschriften des TKG[524]. Am weitesten ausdifferenziert wurden diese Grundsätze in den Vergaberichtlinien. Aber auch im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten begründet der EuGH entsprechende Anforderungen (s. Rn 50).
cc) Materielle Konzeptpflichten
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Aus Art. 3 GG lassen sich – jedenfalls außerhalb des Steuerrechts und seinem Gebot der Lastengleichheit – kaum materielle Maßstäbe für Ansprüche gegen die Verwaltung ableiten, auch nicht im Bereich der Leistungsverwaltung. So sieht man beispielsweise die Grenzen der Gestaltungsbefugnis beim Anspruch auf Zugang zu kommunalen Einrichtungen allein im Willkürverbot[525]; erst recht wird im Subventionsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (in Verbindung mit Verwaltungsvorschriften oder entsprechender Verwaltungspraxis) zwar ein Anspruch auf Subventionierung abgeleitet (s. näher Rn 795), aber kein Anspruch auf die Aufstellung eines „Vergabekonzepts“, also darauf, dass die Behörde die hierbei anzulegenden Kriterien vorab, etwa in Verwaltungsvorschriften festlegt. Die Rechtsprechung hält eine Konkretisierung von Auswahlkriterien und Verfahren zwar für „begrüßenswert“[526], verneint aber eine entsprechende Rechtspflicht zur abstrakten Festlegung von „Vergabekriterien“. Allerdings wird dies den Anforderungen an Transparenz und Diskriminierungsfreiheit sowie dem Kohärenzgebot kaum gerecht; letztlich reduziert sich auch die gerichtliche Kontrolldichte, so dass neben Art. 3 und 12 GG auch Art. 19 Abs. 4 GG relevant wird[527]. Über diese aus Art. 3 GG abgeleiteten Konzeptpflichten geht das europäisch determinierte Regulierungsrecht hinaus. Nach § 2 Abs. 3 Nr 1 TKG soll durch die Regulierungskonzepte die Vorhersehbarkeit (und damit die Rechtssicherheit) der Regulierung erreicht werden (dazu Rn 515).
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Außerdem verlangt die Rechtsprechung bisweilen ein „Eingriffskonzept“, sofern – wie regelmäßig auch im öffentlichen Wirtschaftsrecht – ein Einschreiten im Ermessen der Behörde steht. Art. 3 Abs. 1 GG beschränkt als gesetzliche Ermessensgrenze die Handlungsmöglichkeiten der Behörden hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“. Liegt eine Vielzahl von Verstößen vor, ist es ihr verwehrt willkürlich vorzugehen oder sich gar darauf zu beschränken, einen Einzelfall herauszugreifen[528]. Auch wenn sie nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zwischen mehreren Rechtsfolgen wählen kann, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, das Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig auszuüben. Hierauf muss die Begründung der Entscheidung eingehen[529]. Teilweise verlangen die Gerichte aber weitergehend, dass bereits im Vorfeld „ein im Lichte der Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG tragfähiges Konzept entwickelt wird, aus dem sich entnehmen lässt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher zeitlichen Reihenfolge“ gegen Gewerbetreibende vorgegangen wird; ein solches Eingriffskonzept kann sich zB an Marktpräsenz, Umsatz oder Gewinn orientieren[530]. Einen „Gleichheitsanspruch auf Fehlerwiederholung“, dh eine Selbstbindung an eine rechtswidrige Verwaltungspraxis kann es allerdings nicht geben[531].
a) Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG und der hM schützt