festgelegt. Aus dem Wortlaut der Art. 86 S. 1, 87 Abs. 3 S. 1 GG, die begrifflich zwischen bundeseigener Verwaltung und bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterscheiden, sei abzuleiten, dass „bundeseigene Verwaltung“ keine rechtliche Verselbstständigung gestatte[580].
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Soweit – wie für die Regulierung der Energiemärkte und die Finanzmarktaufsicht, aber auch andere Bereiche der Wirtschaftsaufsicht – eine solche spezielle Regelung fehlt, kann der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 GG (sog. fakultative Bundesverwaltung) eigene Behörden wie die BNetzA, aber auch eine Bundesanstalt wie diejenige für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung einrichten.
Dazu muss ihm die Gesetzgebungskompetenz zustehen. Sowohl für die Regulierung des Strom- und Gasmarktes als auch für die Finanzmarktaufsicht folgt eine solche aus Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG. Entsprechendes würde eigentlich auch für eine Gewerbeaufsichtsbehörde gelten. Aus dem Begriff der selbstständigen Bundesoberbehörde und einem Vergleich mit Art. 87 Abs. 2 und Abs. 1 GG leitet das BVerfG aber weiter ab, dass eine solche Behörde nur für Aufgaben errichtet werden darf, die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und ohne Inanspruchnahme der Länder – außer für reine Amtshilfe – wahrgenommen werden können[581]. Damit zieht Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG der Begründung einer Verwaltungszuständigkeit auch insofern eine Grenze, als nur bestimmte Sachaufgaben zur zentralen Erledigung geeignet sind. Bei der Einführung einer bundeseinheitlichen Bankenaufsicht durch das KWG 1961 war diese Frage der Hauptstreitpunkt[582]. Während das BVerfG dies dort bejahte, wäre es bei der allgemeinen Gewerbeaufsicht sicherlich nicht der Fall. So ließe sich die Kontrolle vor Ort ohne einen Unterbau nicht effektiv wahrnehmen. Für die Beteiligung der Bundesbank an der Aufsicht ist Art. 88 GG, nicht Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, einschlägig.
179
Dabei ist der Bundesgesetzgeber nicht auf die Organisationsformen des öffentlichen Rechts beschränkt. Eine ausdrückliche Regelung für „bundeseigene Verwaltung“ in privatrechtlicher Form findet sich in Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG[583]. Angesichts des weiten organisatorischen Spielraums des Bundes[584] ist deshalb in Art. 87 Abs. 3 GG lediglich eine beispielhafte Aufzählung der möglichen (öffentlichrechtlichen) Organisationsformen zu sehen, die privatrechtliche Organisationsformen nicht ausschließt[585]. Aus der Verfassung wird allerdings ein „Prinzip der quantitativen Begrenzung“ entnommen, so dass die öffentlichrechtliche Organisationsform der Regelfall zu bleiben hat[586].
180
Im Fall 12 (Rn 170) würde eine Organisationsprivatisierung der BaFin also nicht an Art. 87 Abs. 3 GG scheitern. Selbstverständlich bedürfte sie einer gesetzlichen Grundlage; ein besonderer sachlicher Grund, der eine solche rechtfertigen würde, ist allerdings schwer vorstellbar, bietet doch gerade die gewählte Anstaltsform die notwendige Flexibilität (s. etwa zur Möglichkeit von Vergütungen außerhalb des für Behörden geltenden Besoldungsrechts § 10 Abs. 2 FinDAG). Sie wäre allerdings auch an den weiteren Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 GG zu messen, so dass etwa ein organisatorischer „Unterbau“ auch bei einer privatrechtlich organisierten Finanzdienstleistungsaufsicht ausgeschlossen wäre[587]. Ob die Eingliederung der Bankenaufsicht in die Bundesbank mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, wäre ebenfalls nach Art. 87 Abs. 3 GG zu beurteilen. Denn Art. 88 GG ist Maßstab für die Übertragung zentralbankspezifischer Aufgaben; die Zuständigkeiten der Bankenaufsicht – insbesondere §§ 32 ff, 44 ff KWG – weisen keinen unmittelbaren Bezug zur Währungssicherung auf. In der Praxis lassen sich die Aufgaben der Bankenaufsicht nicht von einer zentralen Behörde ausführen[588]. Daher ist Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen[589].
a) Vom mitgliedstaatlichen zum kooperativen Vollzug
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Wie bereits angedeutet, werden die dargestellten Organisationsstrukturen des nationalen Rechts in zentralen Bereichen von europäischen Vorgaben überlagert. Die Referenzgebiete des Telekommunikations- und Energierechts, aber in der aktuellen Entwicklung vor allem auch das Bankaufsichtsrecht, sind hierfür anschauliche Beispiele. Zugleich sind Kommission und europäische Agenturen in vielfältiger Weise in die Verwaltungsorganisation eingebunden. Es ist traditionell vor allem die Kommission, die nach Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV auf europäischer Ebene exekutive Aufgaben wahrnimmt (zB in der Beihilfenkontrolle – s. Rn 960 ff, aber auch dem Telekommunikations- und Energierecht – s. Rn 183, 578), und insoweit einen kontinuierlichen Aufgabenzuwachs zu verzeichnen hat. Daneben treten unter unterschiedlicher Bezeichnung seit den 1970er Jahren Exekutivorgane (Agenturen) mit eigener Rechtspersönlichkeit, Leitung, Verwaltungspersonal und Haushalt unterhalb der Vertragsorgane. Die Kommission selbst unterscheidet zwischen den sog. Exekutiv- und Regulierungsagenturen[590]. An die Spitze der Entwicklung hat sich das Bankaufsichtsrecht gestellt. Hier übernahm zunächst 2011 die EBA (European Banking Authority) eine „Aufsicht über die Aufsicht“ (vgl Rn 198 ff), 2014 übernahm die EZB (Europäische Zentralbank) im Rahmen der Bankenunion originäre Aufsichtsaufgaben gegenüber den beaufsichtigten Instituten (dazu näher Rn 191 ff).[591]
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Insgesamt verschieben sich die Gewichte innerhalb des Verwaltungsverbundes. Im Telekommunikations-, aber auch im Energierecht entwickelten sich komplexe Strukturen eines institutionalisierten Kooperationsverwaltungsrechts. Diese Verbund- bzw Netzwerkstrukturen[592] lassen sich mit der traditionellen Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vollzug[593] kaum noch angemessen umschreiben[594]. Die Einbindung ausländischer nationaler Regulierungsbehörden und vor allem der Kommission (und europäischer Gremien bzw Agenturen) in das nationale Verwaltungsverfahren geht über Informations- und Beteiligungsrechte hinaus. Es entwickeln sich Einwirkungs- und Kontrollbefugnisse, die stark an die Rechts- oder gar Fachaufsicht erinnern, wie sie im Verhältnis der Behördenhierarchie nach deutschem Verwaltungsrecht zu beobachten ist. Sicherlich ist die Entwicklung noch nicht am Ende. Möglicherweise führen sie zu Formen der Mischverwaltung, die erst noch der dogmatischen Aufarbeitung bedürfen[595].
Die primärrechtliche Zulässigkeit dieser Aufgabenübertragung wurde vor allem in der deutschen Literatur angezweifelt[596]. Man berief sich vor allem auf die Meroni-Rechtsprechung[597], in der der EuGH schon in den fünfziger Jahren der Übertragung von Kompetenzen weg von der Kommission enge Grenzen zog. Allerdings lassen sich die Fälle schon angesichts der veränderten primärrechtlichen Ausgangslage nur bedingt vergleichen. Seit dem Lissabonvertrag setzt das Primärrecht, insbesondere in Art. 263 Abs. 4 AEUV, die Existenz von „vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Einrichtungen und sonstigen Stellen“ voraus, „denen Befugnisse zum Erlass von für natürliche und für juristische Personen verbindlichen Rechtsakten auf spezifischen Gebieten eingeräumt wurden“[598]. Damit ist freilich noch nicht über die Zulässigkeit der Hochzonung auf die europäische Ebene entschieden. Anders als das deutsche Verfassungsrecht enthält der AEUV keine speziellen Vorgaben zu den Verwaltungskompetenzen, so dass man an die Gesetzgebungszuständigkeiten (insbes Art. 114 AEUV anknüpfen kann. Allerdings bleibt der Vollzug des Unionsrechts grundsätzlich Aufgabe der Mitgliedstaaten (vgl Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EU, Art. 197 und Art. 291 Abs. 1 AEUV), so dass der direkte Vollzug zwar die Ausnahme darstellt, aber möglich ist. Der EuGH hat in der Leerverkaufsentscheidung ausführlich zur Zulässigkeit unionaler Verwaltungskompetenzen Stellung genommen und diese für grundsätzlich zulässig erachtet[599]. Damit war die Verwaltungskompetenz auch für die Bankenunion geklärt[600]. Das BVerfG hielt diese Kompetenzübertragung für verfassungskonform[601],