verantwortlich“ (Art. 6 Abs. 6 SSM-VO). Sie haben nach Art. 6 Abs. 6 UAbs. 2 die Befugnisse nach dem nationalen Aufsichtsrecht. Die EZB übt allerdings auch hier „die Aufsicht über das Funktionieren des Systems“ (Art. 6 Abs. 5 lit. c SSM-VO) aus. Dazu kann sie nicht nur nach Art. 6 Abs. 5 lit. a (allgemeine oder einzelfallbezogene) Weisungen treffen und Informationen von den nationalen Behörden anfordern (Art. 6 Abs. 5 lit. e). Sie verfügt vielmehr auch in diesen Fällen über die Untersuchungsbefugnisse nach Art. 10 bis 13 SSM-VO (vgl Art. 6 Abs. 5 lit. d und Art. 6 Abs. 6 UAbs. 2 SSM-VO).
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Die SSM-VO regelt allerdings nicht die materiellrechtlichen Anforderungen an Aufsichtsmaßnahmen, also zB auch nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Bankerlaubnis zu erteilen ist (ausf dazu Rn 542 ff). Die meisten europäischen Vorgaben finden sich (noch) in Richtlinien, die sich nur an Mitgliedstaaten richten und daher auch von einer europäischen Behörde nicht angewandt werden können. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 SSM-VO sieht in diesem Fall daher die Anwendung der nationalen Vorschriften durch die EZB vor und bereichert das Kooperationsverwaltungsrecht um eine neue und erwartungsgemäß in der deutschen Diskussion als unions- und verfassungswidrig eingestufte[678] Variante. Diese hat auch eine prozessuale Dimension, müssen doch auch die europäischen Gerichte bei der Überprüfung unionaler Beschlüsse das zugrundeliegende nationale Recht anwenden und auslegen.
b) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
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Die in der nationalen Kompetenz verbliebenen Aufgaben[679] liegen in der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese Bundesbehörde ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen untersteht, § 2 FinDAG. Sie fasst seit 2002 die „Allfinanzaufsicht“ unter einem Dach zusammen (s. unten Rn 497)[680].
Organe der BaFin sind nach § 5 ff FinDAG Präsident und Vizepräsident sowie der Verwaltungsrat. Organisatorisch ist die BaFin weit weniger selbstständig als es die Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt hätte erwarten lassen[681]. Sie besitzt keine Satzungshoheit (vgl § 5 Abs. 3 FinDAG) und auch ihre Geschäftsordnung bedarf der Genehmigung (s. § 6 Abs. 2 S. 3 FinDAG). Die sich kontinuierlich wandelnden Tätigkeitsschwerpunkte lassen sich den Tätigkeitsberichten entnehmen[682]. Bei der Finanzdienstleistungsaufsicht kooperiert die BaFin mit der Bundesbank, s. §§ 7, 44 KWG[683].
c) Die EBA: „Aufsicht über die Aufsicht“
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Seit dem 1.1.2011 gehört zu den sog. Regulierungsagenturen für den Bereich der gesamteuropäischen Bankenaufsicht die EBA (European Banking Authority)[684]. Mit dem europäischen System für Finanzaufsicht ESFS wurden auf Vorschlag des Larosière-Berichts die früheren Level 3-Ausschüsse des Lamfalussy-Verfahrens[685] durch europäische Regulierungsagenturen für die Banken-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht ersetzt. Für jede dieser Agenturen wurde eine eigene Verordnung erlassen, deren Regelungen sich allerdings bis in die Details hinein gleichen[686]. Sie sollen einen Beitrag zur Festlegung qualitativ hochwertiger gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsstandards leisten[687]. Sie sollen aber auch zur Effizienz der Aufsicht beitragen und für eine einheitliche Verwaltungspraxis sorgen. Insoweit hat sie nach Art. 21 Abs. 2 EBA-VO eine „führende Rolle“. Diese Position wurde auch durch die Übertragung von Aufsichtsaufgaben auf die EZB formal nicht angetastet[688]. Sie beschränkt sich allerdings auf eine „Aufsicht über die Aufsicht“[689] mit eigenen Entscheidungsbefugnissen nach dem Vorbild eines aufsichtsbehördlichen Selbsteintrittsrechts[690].
Bei der Novellierung der ESA-Verordnungen 2019 wurden einige Klarstellungen und Ergänzungen vorgenommen, weitergehende Reformvorschläge der Kommission allerdings nicht umgesetzt[691]. Im Hinblick auf die Kapitalmarktaufsicht wird das Prinzip der „Aufsicht über die Aufsicht“ zunehmend durchbrochen. Die ESMA übt die direkte Aufsicht über die Ratingagenturen[692] und das Register für OTC-Derivate aus.[693] Ab dem 1.1.2022 wird sie auch die direkte Aufsicht über die Datenbereitstellungsdienstleister[694] sowie kritische Referenzwerte und deren Administratoren übernehmen.
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Fall 14a (Rn 172):
Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung gegenüber D setzt zunächst eine Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme voraus. Eine solche ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 lit. f) EBA-VO, wonach die EBA die Befugnis zum Erlass von an Finanzinstitute gerichtete Beschlüssen hat, wenn Unionsrecht verletzt wird (Art. 17), als Maßnahme im Krisenfall (Art. 18) sowie im Fall der Streitschlichtung (Art. 19). Die BaFin hat es versäumt, gegenüber D entsprechende Maßnahmen zu erlassen, damit diese das unionale Finanzmarktaufsichtsrecht einhält. Dies stellt eine Verletzung des Unionsrechts dar, so dass die EBA Maßnahmen nach Art. 17 Abs. 6 EBA-VO treffen kann[695]. Voraussetzung für eine solche Maßnahme ist jedoch, neben der Einhaltung der materiellrechtlichen Vorgaben (Erforderlichkeit der Maßnahme und unmittelbare Anwendbarkeit der verletzten Normen auf das Finanzinstitut), dass vor dem Erlass die Kommission gem. Art. 17 Abs. 4 EBA-VO eine förmliche Stellungnahme abgegeben hat, in der die zuständige Behörde aufgefordert wird, die zur Einhaltung des Unionsrechts erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da eine solche Stellungnahme der Kommission nicht vorliegt, ist die Untersagungsverfügung (formell) rechtswidrig[696]. Dieses Beispiel zeigt, dass ein Einschreiten der EBA angesichts seiner Voraussetzungen sogar ein schwerfälligeres Instrument darstellt als ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission[697].
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Darüber hinaus erhält die EBA in Art. 8 Abs. 2 lit. a) EBA-VO die Befugnis zum Entwurf technischer Regulierungsstandards in den in Art. 10 EBA-VO genannten Fällen. Ziel dieser Standards ist die Harmonisierung des Rechtsstandes in Europa („single rule book“)[698]. Bei technischen Regulierungsstandards handelt es sich um delegierte Rechtsakte der Kommission gem. Art. 290 AEUV, die die von Rat und Parlament erlassenen Rechtsakte mit Gesetzescharakter modifizieren oder ergänzen können (dazu schon Rn 91).
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Rechtsgrundlage für den Entwurf von technischen Standards durch die EBA ist in Fall 14b (Rn 172) Art. 8 Abs. 2 lit. a) EBA-VO. Hierfür gibt es zunächst formelle Rechtmäßigkeitsanforderungen. So muss die EBA vor der Übermittlung ihrer Entwürfe an die Kommission grundsätzlich ein Anhörungsverfahren und eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 EBA-VO). Der Entwurf muss von der Kommission innerhalb von drei Monaten gebilligt, mittels Verordnung oder Beschluss von dieser angenommen und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden (Art. 10 Abs. 4 EBA-VO). Darüber hinaus muss die Kommission dem Parlament und dem Rat den erlassenen technischen Regulierungsstandard mitteilen, welche hiergegen Einwände erheben können (Art. 13 Abs. 1 EBA-VO). In materieller Hinsicht dürfen gem. Art. 290 Abs. 1 AEUV nur Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes erlassen werden. Sie sind ferner nur zulässig, wenn Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich im entsprechenden Gesetzgebungsakt festgelegt worden sind, Art. 290 Abs. 2 AEUV. Ähnlich wie im nationalen Recht gilt auf Unionsebene auch der Gedanke der Wesentlichkeitstheorie, wonach die wesentlichen Aspekte eines Bereichs dem Gesetzgebungsakt vorbehalten sind und eine