Steuerrückstände von 350 000 € sind in ihrer absoluten Höhe beträchtlich[91]. Auch in Relation zur steuerlichen Gesamtbelastung der Zweigniederlassung dürften sie ein erhebliches Gewicht haben. Hinzu kommt, dass es sich bei der Lohnsteuer um vom Gewerbebetrieb treuhänderisch vereinnahmte Steuern handelt, weshalb ihre Nichtabführung ein gravierendes Fehlverhalten darstellt[92]. Schließlich ist auch der Zeitraum beachtlich.
Wird dem Betriebsleiter die künftige selbstständige Ausübung des bislang nur in unselbstständiger Leitungsfunktion wahrgenommenen Bewachungsgewerbes untersagt (§ 35 Abs. 7a S. 1 GewO), kommt es darauf an, ob er zukünftig nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens ein seiner bisherigen Tätigkeit entsprechendes Gewerbe als Selbstständiger ordnungsgemäß ausüben wird[93]. In Anbetracht des Fehlverhaltens ist zu befürchten, dass B auch als selbstständiger Bewachungsunternehmer seinen Steuerpflichten nicht nachkommen wird. Da es sich bei Steuerschulden um einen branchenübergreifenden Unzuverlässigkeitsgrund handelt, erweist er sich auch als unzuverlässig für den selbstständigen Betrieb anderer Gewerbe iSv § 35 GewO (§ 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 letzte Alt. GewO). Schließlich besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass B auch künftig nicht die für die ordnungsgemäße Leitung eines Gewerbebetriebs erforderliche Sorgfalt aufbringen wird (§ 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewO). Folglich ist im Ergebnis seine Unzuverlässigkeit in Bezug auf alle untersagten Tätigkeiten zu bejahen.
V. Erforderlichkeit
151
Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist eine Untersagung der Gewerbeausübung nur rechtmäßig, sofern sie zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Dieses Tatbestandsmerkmal ist ein voll überprüfbarer Rechtsbegriff. Wie bei einer gegen den Gewerbetreibenden selbst ergehenden Untersagung muss diese auch bezogen auf den Betriebsleiter erforderlich sein.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass B mit der selbstständigen Gewerbeausübung des Bewachungsgewerbes und anderer Gewerbe andere Tätigkeiten als die gegenwärtig wahrgenommene Beschäftigung als Betriebsleiter untersagt werden. Deshalb müssen die für die Erstreckung der Untersagung nach § 35 Abs. 1 S. 2 GewO entwickelten Wertungen zum Ansatz kommen (s. Fall 7). Es ist also zu fragen, ob ein Ausweichen des B in die Selbstständigkeit auszuschließen ist[94]. Mangels definitiver Anhaltspunkte für andere Pläne des B ist sein Ausweichen in die Selbstständigkeit nicht auszuschließen. Soweit dem B Leitungspositionen im Bewachungsgewerbe und in anderen Gewerben untersagt werden, handelt es sich jedenfalls bezüglich letzterer ebenfalls um materielle Erweiterungen. Auch bezüglich dieser erweist sich aber die Verfügung als erforderlich.
Hinweis:
Die Entwicklung dieses Wertungsmaßstabs ist kompliziert. Der vom BVerwG zu § 35 Abs. 1 S. 2 GewO vertretene strenge Ansatz ist aber nicht unumstritten. Es ließe sich auch vertreten, dass es positiver konkreter Anhaltspunkte für ein Ausweichen des B in die Selbstständigkeit bzw. in andere Leitungspositionen bedarf[95]. Dann würde es an der Erforderlichkeit fehlen. Auch wenn der Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO als Tatbestandsmerkmal nur die Erforderlichkeit benennt, gebietet Art. 12 Abs. 1 GG, dass sich die Untersagung auch iSd Verhältnismäßigkeitsprinzips als angemessen erweist[96]. Bei einer Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO lässt sich dieser Gesichtspunkt aber im Ermessen berücksichtigen.
VI. Ermessen
152
Anders als die Untersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO steht die Untersagung nach § 35 Abs. 7a GewO im Ermessen der Behörde. Es fragt sich, ob die Untersagung verhältnismäßig ist. Hier müssen Sinn und Zweck des § 35 Abs. 7a GewO berücksichtigt werden. Die Norm soll vor allem die Fälle erfassen, in denen gegen den Gewerbetreibenden wegen der Unzuverlässigkeit eines Dritten – Vertreter bzw. Betriebsleiter – eingeschritten werden soll[97]. Würde sich eine Untersagung gegenüber der MS Ltd. allein auf die Unzuverlässigkeit des mit der Leitung des Betriebs beauftragten Person iSv § 35 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GewO stützen, reduziert sich das Ermessen der Stadtverwaltung: Nur das Einschreiten gegenüber dem B stellt sicher, dass die Stadtverwaltung keine Volluntersagung, ggf. auch keine Teiluntersagung gegenüber der MS Ltd. erlassen muss[98]. Weil nur so das mildeste Mittel iSd Erforderlichkeit nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO gegenüber der eigentlichen Gewerbetreibenden gewahrt werden kann, ist das Ermessen der Stadtverwaltung gegenüber B auf Null reduziert[99].
D. Gesamtergebnis zum 2. Teil
153
Die auf § 35 Abs. 7a GewO gestützte Untersagung gegenüber B ist damit insgesamt rechtmäßig.
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