Achim Bönninghaus

Schuldrecht Allgemeiner Teil II


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Fähigkeiten und persönlichen Kenntnisse des Schuldners nicht ankommt.[9] Mit dem Abstellen auf die „erforderliche“ Sorgfalt soll klargestellt werden, dass eine im Verkehr übliche „Unsitte“ nicht maßgeblich ist. Der Schuldner hat sein Verhalten so auszurichten, wie es nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger desselben Verkehrskreises erforderlich ist.[10]

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      Beispiel

      A schuldet dem Rechtsanwalt X Honorar auf Stundenbasis für eine abgeschlossene Beratungstätigkeit. Nach § 8 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) wird die Vergütung des Anwalts fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Der in Sozietät mit X verbundene Rechtsanwalt Y kümmert sich um die Akten des X in dessen Urlaubsabwesenheit. Y schickt dem A eine Mahnung wegen des noch offenen Honorars, das nicht näher beziffert wird. Y hatte allerdings übersehen, dass X dem A noch gar keine Rechnung für diese Angelegenheit geschickt hatte.

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      Bei der Schadensersatzhaftung wegen Pflichtverletzung spielt im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung vor allem der Fall eine Rolle, in dem der Schuldner einen Rechtsirrtum geltend macht und sich darauf beruft, ihm sei nicht bewusst gewesen, zur Leistung verpflichtet gewesen zu sein.

      Damit schließt der Schuldner zunächst einmal den Vorsatz aus, da dieser ja das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erfordert. In Betracht kommt daher nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf.

      V vermietet dem M im Jahr 2005 eine Wohnung. Die vereinbarte Miete beträgt monatlich 500 €. Darin sind monatliche Vorauszahlungen auf Betriebskosten in Höhe von 150 € enthalten. Den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 fügte der V trotz wiederholter Aufforderung des M keine Rechnungsbelege zu den einzelnen Kostenpositionen bei. Vielmehr bot er dem M an, die Rechnungen bei ihm einzusehen. Daraufhin teilte der M auf Empfehlung seines Rechtsanwalts R, einem Fachanwalt für Mietrecht, dem V mit, die Nebenkostenvorauszahlungen ab Januar 2008 bis zur Übersendung der Belege für die vergangenen Nebenkostenabrechnungen einzubehalten.

      Befindet sich M mit der Zahlung dieser Beträge in Verzug?

      Fraglich ist, ob M den Eintritt der objektiven Verzugsvoraussetzungen auch zu vertreten hat, § 286 Abs. 4. Daran könnte man deshalb zweifeln, weil M bei Zurückhaltung der Vorauszahlungsbeträge davon ausging, berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen.

      Nach § 276 hat der Schuldner eigenen Vorsatz und eigene Fahrlässigkeit zu vertreten. Ein vorsätzliches Verhalten scheidet hier aus, da M irrigerweise keine Pflichtverletzung angenommen hatte und ihm damit das für den Vorsatz erforderliche Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit fehlte. In Betracht kommt damit nur ein fahrlässiges Verhalten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der umsichtige Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, bei Unsicherheit Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung beachten. M ist hier den Empfehlungen seines Rechtsanwalts R gefolgt. M durfte auf die Kompetenz des R als Fachanwalt für Mietrecht vertrauen und musste daher davon ausgehen, R habe die Empfehlung in Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung erteilt. Aus diesem Grunde bestand für den M kein Anlass, noch einmal anderweitigen Rechtsrat einzuholen. Ihn trifft an der pflichtwidrigen Nichtleistung folglich kein Verschulden. Fraglich ist aber, ob er sich ein etwaiges Verschulden seines Rechtsanwalts zurechnen lassen muss.

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      JURIQ-Klausurtipp