Achim Bönninghaus

BGB Allgemeiner Teil I


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nicht als abstraktes Gebilde. Das Rechtsgeschäft existiert immer nur in einer konkreten Ausformung: Kauf eines bestimmten Gegenstandes, Rücktritt von einem bestimmten Vertrag, Kündigung eines bestimmten Vertrages mit oder ohne Frist, etc.). Welches Ziel genau verfolgt wird, hängt vom erklärten Willen der Person ab, die das Rechtsgeschäft vornimmt. Die Willenserklärung konkretisiert also das im Einzelfall verfolgte Rechtsgeschäft. Sie legt fest, welche Wirkungen konkret gewollt sind.[3]

      Beispiel

      Für das Rechtsgeschäft „Kaufvertrag“ brauchen wir Willenserklärungen (Angebot und Annahme), die den Verkäufer, den Käufer, den Kaufgegenstand und Kaufpreis festlegen;

      für das Rechtsgeschäft „Anfechtung“ benötigen wir eine entsprechende Anfechtungserklärung, also eine Willenserklärung, die zum Ausdruck bringt, dass ein bestimmte andere Willenserklärung – und damit zugleich ein anderes Rechtsgeschäft (z.B. ein Vertrag) – wegen eines Willensmangels des Erklärenden nicht gelten soll;

      für das Rechtsgeschäft „Kündigung“ brauchen wir eine Kündigungserklärung, also eine Willenserklärung, die deutlich macht, dass ein bestimmter Vertrag mit oder ohne Frist für die Zukunft beendet sein soll.

      2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenB. Definition des Rechtsgeschäfts › II. Zusätzliche Elemente

      68

      Je nach Art des konkret gewollten Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag, Übertragung von Eigentum, Anfechtung, Aufrechnung, Kündigung, etc.) müssen zur Willenserklärung regelmäßig noch weitere Voraussetzungen hinzutreten, um die gewünschten Wirkungen auszulösen.

      69

      Zum einen kann das Rechtsgeschäft zumindest eine weitere Willenserklärung erfordern. Wie viele Willenserklärungen notwendig sind, ergibt sich aus der Art des jeweiligen Rechtsgeschäfts.

      Beispiele

      Anfechtung, Kündigung und Rücktritt bestehen aus nur einer Willenserklärung. Ebenso ist es beim Beschluss des Alleingesellschafters einer GmbH (vgl. § 48 Abs. 3 GmbHG). Anders liegen die Dinge, wenn etwa die Kündigung bei mehreren Vertragspartnern auf einer Seite nur von allen Personen erklärt werden kann. Dann besteht die Kündigung aus mehreren Willenserklärungen.

      Beim Vertrag genügt eine einzige Willenserklärung nie, da sein Zustandekommen ja eine Einigung durch zwei Willenserklärungen voraussetzt, Angebot/Antrag und die Annahme (vgl. §§ 145 ff.).

      70

      Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus gesetzlichen Regeln über das konkrete Rechtsgeschäft, die an seinen Inhalt oder an Eigenschaften der an ihm beteiligten Personen anknüpfen sowie aus den Bestimmungen der Parteien selbst.

      Beispiele

      Zustimmung eines Dritten im Fall der §§ 108, 177; Realakte wie die Übergabe bei § 929; die Eintragung im Grundbuch bei § 873; die Einhaltung einer gesetzlich oder vertraglich vorgeschriebenen Form; Befugnisse wie die Kündigungs- oder Anfechtungsbefugnis.

      2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenB. Definition des Rechtsgeschäfts › III. Abgrenzungen

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      Unsere Rechtsordnung knüpft eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse nicht nur an (wirksame) Rechtsgeschäfte. Vielmehr werden rechtliche Wirkungen auch per Gesetz angeordnet. Der Gesetzgeber lässt bestimmte Wirkungen eintreten, wenn die von ihm in den jeweiligen Normen beschriebene Umstände eingetreten sind. Der Unterschied zum Rechtsgeschäft besteht darin, dass die Wirkungen auch dann eintreten können, wenn sie von der betroffenen Person gar nicht gewollt sind. Deswegen ist es in der oben unter Rn. 65 angezeigten Definition des Rechtsgeschäfts so wichtig aufzunehmen, dass die Rechtsfolgen dort gelten, weil sie gewollt sind.

      72

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      Beispiel

      Bei der Aufforderung nach § 177 Abs. 2 geht es dem Erklärenden darum, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht genehmigt. Die Erklärung der Genehmigung ist der gewünschte tatsächliche Erfolg. Das Gesetz knüpft an diese Aufforderung Rechtsfolgen, die in § 177 Abs. 2 beschrieben sind und an die der Erklärende womöglich gar nicht gedacht hatte: Eine vor der Aufforderung gegenüber dem Vertreter erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird jetzt unwirksam (§ 177 Abs. 2 S. 1 Hs. 2). Außerdem beginnt nun nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 eine Zwei-Wochen-Frist zu laufen, auch wenn diese in der Aufforderung nicht ausdrücklich gesetzt wurde. Und schließlich gilt die Genehmigung nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 als verweigert, wenn die Frist ohne Reaktion des Vertretenen verstreicht. Dies wiederum führt zu einer Haftung des Vertreters nach § 179.

      Beispiel

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