Achim Bönninghaus

BGB Allgemeiner Teil I


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779.

      JURIQ-Klausurtipp

      In der Klausur und mündlichen Prüfung müssen Sie stets darauf achten, dass Sie in Ihren Formulierungen das Trennungsprinzip beachten. Eine Aussage, wonach jemand Eigentümer einer Sache geworden sein könnte, weil er sie „gekauft“ hat, wäre ein Verstoß gegen das Trennungsprinzip. Und ein solcher Verstoß führt regelmäßig zu einer „mangelhaften“ Note.

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      Beispiel

      K kauft bei seinem Weinhändler V telefonisch eine Kiste Wein gegen Vorkasse. Als K nach Zahlung den Wein geliefert bekommt, bemerkt er beim Auspacken, dass er versehentlich die falsche Weinsorte genannt hatte und deswegen nicht den gewünschten Wein bekommen hat. Deswegen erklärt er nach § 119 Abs. 1 Var. 1 innerhalb der Frist des § 121 Abs. 1 die Anfechtung. Der Kaufvertrag ist nach § 142 Abs. 1 nichtig. Die Übereignung des Weins gem. § 929 S. 1 ist hingegen wirksam, weil K ja das Eigentum an der Kiste, die ihm gerade überreicht wurde, hatte erwerben wollen und die Verwechslung der Sorten erst im Nachhinein feststellte.

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      Beispiel

      Der beschränkt Geschäftsfähige A verkauft ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter sein Handy an den volljährigen Käufer B gegen Barzahlung des Kaufpreises. Der Kaufvertrag ist nach §§ 106, 107, 108 Abs. 1 schwebend unwirksam, da er für den A mit Pflichten verbunden und daher rechtlich nachteilhaft ist. Gleiches gilt für die Übereignung des Handys, da K dadurch sein Eigentum an dem Gegenstand verliert. Beide Rechtsgeschäfte sind also aus dem gleichen Rechtsgrund (schwebend) unwirksam. Es liegt ein Fall der Fehleridentität vor. Umgekehrt ist die Übereignung des Geldes, das A von B zum Zwecke der Kaufpreiszahlung erhält, nicht nach § 108 Abs. 1 unwirksam. Denn dieses Verfügungsgeschäft ist für A rechtlich lediglich vorteilhaft, da er Eigentum erwirbt.

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      Je nach Konstellation begegnet unsere Rechtsordnung Mängeln des Verpflichtungs- und/oder Verfügungsgeschäftes mit unterschiedlichen Folgen:

      Ist das Verpflichtungsgeschäft wirksam, das zu seiner Erfüllung eingegangene Verfügungsgeschäft hingegen unwirksam, besteht der Anspruch aus dem Verpflichtungsgeschäft fort. Er wurde mangels wirksamer Verfügung noch nicht erfüllt und ist deshalb noch nicht nach § 362 Abs. 1 erloschen.

      Ist das Verpflichtungsgeschäft unwirksam, das zu seiner Erfüllung eingegangene Verfügungsgeschäft hingegen wirksam (wie im Beispiel unter Rn. 81), entsteht ein Bereicherungsanspruch in Form einer Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1. Denn für die Verfügung fehlte der „rechtliche Grund“ i.S.d. § 812 Abs. 1. Der Empfänger muss das durch die Verfügung Erlangte wieder herausgeben. Bei einer wirksamen Verfügung nach § 929 S. 1 wäre dies Eigentum und Besitz. Der Bereicherungsanspruch dient hier der Rückabwicklung unwirksamer Verpflichtungsgeschäfte.

      Sind sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft unwirksam (wie im Beispiel unter Rn. 82), entsteht zum einen ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, soweit überhaupt etwas erlangt wurde. Zum anderen können besondere „dingliche“ Ansprüche entstehen, die mit dem Recht, über das nicht wirksam verfügt wurde, verbunden sind, insbesondere die Vindikation nach § 985.

      Beispiel

      Sind wie im vorigen Beispiel Kaufvertrag und Übereignung des Kaufobjektes unwirksam, hat der Erwerber infolge der Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 zwar nicht das Eigentum, aber immerhin den (tatsächlichen) Besitz erlangt. Diesen muss er nach § 985 an den Eigentümer herauszugeben, da er kein Eigentum erhalten hat und ihm der unwirksame Kaufvertrag kein Recht zum Besitz verschaffen kann. Dem vermeintlichen Verkäufer schuldet er die Herausgabe des erlangten Besitzes daneben auch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1.

      Wurde eine Forderung verkauft und sind Kaufvertrag sowie die Abtretung unwirksam, hat der Erwerber („Zessionar“) nichts erlangt, weswegen er ungerechtfertigt bereichert sein könnte. Anders lägen die Dinge, wenn ihm der Veräußerer („Zedent“) bereits einen Schuldschein i.S.d. § 405 ausgehändigt hätte. Das Eigentum daran stünde wegen § 952 Abs. 1 unverändert dem bisherigen Gläubiger zu. Den Besitz daran hätte er diesem nach § 985 und ebenfalls bereicherungsrechtlich nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 herauszugeben.

      2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenC. Einteilung von Rechtsgeschäften › III. Entgeltliche und unentgeltliche Rechtsgeschäfte

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      Die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften spielt allein bei Verpflichtungsgeschäften eine Rolle. Wie wir eben gesehen haben, werden durch Verpflichtungsgeschäfte Leistungspflichten geschaffen. Dabei können die Beteiligten festlegen, ob nur eine Seite eine Leistungspflicht übernimmt, oder ob zugleich auch die andere Seite zur Leistung verpflichtet werden soll.

      Hinweis

      Das Entgelt muss nicht in Geld bestehen. Klassisches Beispiel für ein Entgelt ohne Geld ist der Tausch zweier Sachen (§ 480 i.V.m. § 433). Die eine Sachleistung ist das Entgelt für die andere Sachleistung.