Ralph Westerhoff

Sachenrecht III


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bedarf aber dann doch der Form des Rechtsgeschäftes, für die sie erteilt wird, wenn ansonsten die Formvorschrift umgangen würde. Das ist dann der Fall, wenn der Vertretene durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise gebunden wird wie durch die Vornahme des formbedürftigen Rechtsgeschäftes.[14] Die Bürgschaft ist dafür ein Paradebeispiel.

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      In diesen Zusammenhang gehört auch die Problematik der Blanketturkunde. Der Bürge unterschreibt zwar die vorgesehene Bürgschaftsurkunde, in der aber noch wesentliche Elemente (z.B. Höhe der gesicherten Schuld, Schuldgrund etc.) nicht enthalten sind. Gleichzeitig bevollmächtigt er einen Dritten (Gläubiger, Schuldner oder eine andere Person) die noch fehlenden Elemente nachträglich einzufügen (sog. Ausfüllungsermächtigung).

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      Fraglich ist aber, was passiert, wenn der Ermächtigte die ihm vom Erklärenden übergebene Blanketturkunde ohne schriftliche Ermächtigung oder abredewidrig falsch ausfüllt, und/oder abredewidrig in den Verkehr bringt.

      Beispiel

      B unterschreibt eine Bürgschaft und gibt sie seinem Neffen, damit er damit bei der Bank einen Kredit absichern kann. Die Höhe der Schuld lässt er offen und weist den N an, keinesfalls mehr als 100 000 € einzutragen. Als die Bank eine Bürgschaft über 200 000 € verlangt, füllt N die Urkunde abredewidrig aus und schickt sie der Bank.

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      Eine Ausnahme vom strengen § 766 enthält aber § 350 HGB. Wenn ein Kaufmann eine Bürgschaft abgibt, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, ist diese auch ohne Beachtung der Form des § 766 gültig. So klar diese Norm auf den ersten Blick ist, bietet sie doch einige „Fallen“:

      JURIQ-Klausurtipp

      (Ist-)Kaufmann ist nach § 1 HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Das ist jeder Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 HGB).

      Achten Sie in der Klausur auf Schlüsselwörter bei der Beschreibung eines Geschäftsbetriebes: ‚klein‘ oder ‚handwerksmäßig betrieben‘ sind Indizien dafür, dass der Klausursteller einen Nichtkaufmann im Auge hatte. Danach prüfen Sie, ob der Schuldner Kaufmann nach §§ 2 oder 3 HGB („Kann-Kaufmann“), nach § 5 HGB („Fiktivkaufmann“) oder § 6 HGB („Formkaufmann“) ist. Wenn auch das nicht zur Kaufmannseigenschaft führt, ist schließlich an den Scheinkaufmann zu denken.

      Zweitens muss die Bürgschaftserklärung zum Betrieb des Handelsgewerbes gehören. Zwar wird bei Geschäften eines Kaufmannes nach § 344 HGB vermutet, dass das Geschäft zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört und deshalb ein Handelsgeschäft ist. Aber diese Vermutung ist widerleglich.

      Beispiel

      Ein nervöser Bankangestellter ruft beim Kaufmann K an und fragt an, ob er für die neuerliche Überziehung des Girokontos seines volljährigen Sohnes S die Bürgschaft übernehme. K ist in Hektik und sagt leichtsinnig zu. S erhält deshalb von der Bank 250 000 €, mit denen er sich absetzt.

      In diesem Fall dürfte K der Beweis gelingen, dass die Bürgschaftserklärung nicht zu seinem Handelsgewerbe gehört hat und deshalb die mündliche Bürgschaft nach §§ 766, 125 S. 1 nichtig ist.

      Beispiel

      Übernimmt der Geschäftsführer einer GmbH persönlich im eigenen Namen die Bürgschaft z.B. für Schulden der von ihm geführten GmbH, so bedarf diese Erklärung der Form des § 766 (dazu auch Rn. 75).

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      Grundsätzlich reicht es für die Wahrung des Formerfordernisses aus, dass der Verbürgungswille und die essentialia negotii der Bürgschaft – Gläubiger, Bürge, Hauptschuldner, Schuldgrund – in der Erklärung genannt sind. Beim Schuldgrund genügt, wenn sie nach Art und Umfang jedenfalls durch Auslegung bestimmbar ist. Das wird z.B. bei der Verbürgung für alle „gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gegenüber dem spezifischen Gläubiger“ bejaht.

      Auf einen etwaigen Verstoß gegen §§ 305 ff. kommen wir unten Rn. 71 ff. zurück.

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      Wiederholen Sie ggf. die Anfechtung von Rechtsgeschäften im Skript „BGB Allgemeiner Teil II“ Rn. 332 ff.

      Wie Sie aus der Rechtsgeschäftslehre wissen, können etwa Willensmängel zur Nichtigkeit eines Vertrages infolge Anfechtung führen. Dazu muss der Erklärende ein Anfechtungsrecht haben und seine Willenserklärung rechtzeitig anfechten. Ein anfechtbares Rechtsgeschäft ist nach der Anfechtung nichtig, und zwar von Anfang an (§ 142, sogenannte Ex-tunc-Wirkung der Anfechtung).

      Als zweiten wichtigen Nichtigkeitsgrund müssen Sie die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen insbesondere für nahe Angehörige kennen.

      Schließlich kann eine Bürgschaft auch wegen Verstoßes gegen die Regelungen der §§ 305 ff. (Allgemeine Geschäftsbedingungen) unwirksam sein.