Fall eine qualifizierte Klausel notwendig ist, im anderen dagegen nicht. Das sei am folgenden Beispiel verdeutlicht.
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Beispiel 7 (Verfallklausel):
Schuldner S schuldet Gläubiger G ausstehende Werklohnforderungen über 50 000 Euro. S beruft sich jedoch auf eine mangelhafte Ausführung der Werkarbeiten und verweigert beharrlich die Bezahlung. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit schließen die Parteien schließlich vor dem Oberlandesgericht Hamburg einen Prozessvergleich. In dem Vergleich vereinbaren die Parteien, dass sämtliche Forderungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen G und S durch eine Zahlung von 10 000 Euro durch S abgegolten sind. Zur Zahlung dieser 10 000 Euro wird eine spezielle Ratenzahlung vereinbart:
a) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann. Wenn S mit einer Rate in Verzug kommt, soll die gesamte Restsumme sofort fällig werden. |
b) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann, wobei insgesamt nur 9000 Euro getilgt werden müssen. Wenn S aber mit einer Ratenzahlung in Verzug kommt, lebt die Gesamtsumme von 10 000 Euro wieder auf und wird sofort fällig. |
c) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann. Wenn er 5000 Euro ordnungsgemäß und pünktlich gezahlt hat, reduziert sich die Gesamtschuld auf 9000 Euro. |
S kommt gleich mit der Zahlung der ersten Rate in Verzug. G will seinen Anspruch in Höhe von 10 000 Euro vollstrecken. Welche Klausel soll G beantragen?
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In allen drei Varianten des Beispiels 7 soll die Restzahlung erst dann fällig werden, wenn der Schuldner mit einer Rate in Verzug kommt (sog. Verfallklausel). Die Vollstreckbarkeit ist daher von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig. Eine Bedingung nach § 726 ZPO liegt vor. Fraglich ist aber jeweils, ob G die Beweislast für die Fälligkeit der Gesamtforderung trägt. Trägt G diese, so muss er eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO beantragen und deren Voraussetzungen mit Hilfe einer öffentlichen Urkunde beweisen. Auch hier sind die allgemeinen Beweislastregeln anzuwenden. Danach trägt jede Partei, soweit nicht das Gesetz eine günstigere Regelung trifft, die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand einer ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist. In Variante a) haben G und S eine echte Verfallklausel gewählt. Bei der Verfallklausel handelt es sich um eine ratenweise Stundung bzw. einen Vollstreckungsaufschub der geschuldeten Gesamtsumme. Nur wenn der Verzug eintritt, ist die Gesamtsumme sofort vollstreckbar. Der Tatbestand der Stundung bzw. des Vollstreckungsaufschubs ist für den Schuldner eine günstige Tatsache. Daher muss er auch selbst die Tatsachen behaupten und beweisen, die den Nichteintritt des Verzugs begründen[27]. Somit trägt der Gläubiger nicht die Beweislast. Eine qualifizierte Klausel ist nicht erforderlich.
In Variante b) soll die Gesamtsumme dagegen erst wieder aufleben und vollstreckbar sein, wenn der Schuldner mit einer Rate in Verzug kommt (sog. Wiederauflebensklausel). Bei der Wiederauflebensklausel hat der Gläubiger dem Schuldner zunächst einen Teilbetrag erlassen. Erst der Verzug des Schuldners lässt den erlassenen Betrag wieder aufleben. Deshalb ist der Verzug eine für den Gläubiger günstige Tatsache, für die er die allgemeine Beweislast trägt. Daher muss G eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO beantragen.
In Variante c) soll sich nach der im Vergleich getroffenen Vereinbarung die Gesamtsumme nur dann reduzieren, wenn der Schuldner einen Teilbetrag ordnungs- und fristgerecht bezahlt hat. Kommt er hingegen in Verzug, tritt keine Reduzierung der Restschuld ein (sog. Wegfallklausel). Die Reduzierung ist eine für den Schuldner günstige Tatsache, so dass er auch die Umstände beweisen muss, die eine Reduzierung begründen. Er muss also das Nichtvorliegen des Verzugs darlegen und beweisen. G trägt keine Beweislast und kann eine einfache Klausel nach § 724 ZPO beantragen.
bb) Titelumschreibende Klausel
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In den §§ 727–729 ZPO sind die „titelumschreibenden Klauseln“ geregelt. Eine titelumschreibende Klausel – man spricht auch von „titelübertragender Klausel“ – ist notwendig, wenn eine Rechtsnachfolge (§ 727 ZPO), eine Nacherbfolge (§ 728 I ZPO), eine Testamentsvollstreckung (§ 728 II ZPO) oder eine Vermögensübernahme (§ 729 I ZPO) stattgefunden hat.
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Auch eine titelumschreibende Klausel kann nur dann im Klauselverfahren vom Rechtspfleger erteilt werden, wenn die Rechtsnachfolge bzw. der Klauseltatbestand durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Ist das nicht der Fall, steht dem Vollstreckungsgläubiger auch hier nur der Weg offen, auf Erteilung der Klausel zu klagen (§ 731 ZPO). Entbehrlich ist der Nachweis durch Urkunden wiederum, wenn die zu beweisende Tatsache offenkundig ist oder vom Gegner zugestanden wurde.
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Zur Vertiefung:
§ 727 ZPO gilt bei Rechtsnachfolge auf Seiten des Schuldners ebenso wie bei Rechtsnachfolge auf Seiten des Gläubigers. Erfasst ist also z.B. der Fall, dass der Gläubiger die Forderung inzwischen an einen Dritten abgetreten hat, und dieser Dritte nun vollstrecken möchte. Erfasst ist aber auch der Fall, dass der Schuldner inzwischen verstorben ist, und der Gläubiger gegen die Erben vollstrecken will[28].
Die Norm nimmt Bezug auf die in § 325 ZPO bestimmte subjektive Rechtskraftwirkung des Titels. Sie erfasst daher nur die Fälle, in denen die Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit eingetreten ist[29]. Darauf kommt es im folgenden Beispiel an:
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Beispiel 8 (Klauselerteilung bei gutgläubigem Erwerb):
Gläubiger G hat gegen die Fabrikantin F einen komplizierten Prozess auf Herausgabe einer Maschine gewonnen. F verkauft die Maschine kurz vor der Verkündung des Urteils an den gutgläubigen S. G ist sehr erzürnt und beantragt eine Klausel nach § 727 ZPO. Muss der Rechtspfleger diese erteilen?
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Der Wortlaut des § 727 ZPO scheint anzudeuten, dass in Beispiel 8 eine Klausel gegen S nicht erteilt werden kann, weil er die Maschine gutgläubig erworben hat und daher das Urteil nach § 325 I, II ZPO nicht gegen ihn wirkt. Allgemein wird jedoch anders herum vorgegangen. Da der Erwerber (also der S) beweisen muss, dass er gutgläubig war, weil § 325 II ZPO eine Ausnahmenorm zu seinen Gunsten ist, kann die Klausel zunächst erteilt werden. S muss dann mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen die Vollstreckung vorgehen[30]. Die Beweislast für seine Gutgläubigkeit bleibt so bei ihm.
3. Zustellung
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Da der Vollstreckungsschuldner während des Vollstreckungsverfahrens nicht angehört wird, soll ihm zumindest vor Beginn der Zwangsvollstreckung eröffnet werden, warum gegen ihn vollstreckt wird. Zudem soll ihm ein letztes Mal die Möglichkeit eingeräumt werden, den Gläubiger zu befriedigen (Warnfunktion). Deshalb ordnet § 750 I ZPO an, dass die Zwangsvollstreckung erst nach der Zustellung des Urteils beginnen darf.
Aus praktischen Erwägungen heraus, und um die Zwangsvollstreckung so schnell und effektiv wie möglich durchführen zu können, reicht es nach § 750 I 1 ZPO aber aus, wenn die Zustellung gleichzeitig mit dem Beginn der Vollstreckung erfolgt. Der Gerichtsvollzieher selbst kann also den Titel