ist es auch bei vertraglich eingeräumten Gestaltungsrechten, z.B. einem vertraglichen dreimonatigen Rücktrittsrecht oder einer Kündigungsoption bis zu einem bestimmten Tag. Denn diesen Rechten ist es – nach dem gemeinsamen Willen beider Parteien – immanent, dass sie bis zum Ablauf der vereinbarten Frist ausgeübt werden können. Ein Abstellen auf die objektive Möglichkeit der Ausübung hingegen würde gegen die Vereinbarung der Parteien verstoßen.
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Beispiel 25 (Präklusion bei vertraglich eingeräumten Ausübungsfristen):
Vermieter V hat an Mieter M ein Lager vermietet. Der Mietvertrag läuft bis Ende 2016. M kann durch Ausübung einer Option vor dem 31.10.2016 den Mietvertrag um ein Jahr verlängern. Bereits im Mai 2016 erhebt V mit Erfolg Räumungsklage. Ende Oktober übt M die Option aus. Gegen die Räumungsvollstreckung wendet er sich mit der Vollstreckungsabwehrklage.
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Rücktritts- und Optionsrechte sind ebenfalls Gestaltungsrechte. In Beispiel 25 hätte M seine Option bereits vor Mai 2016 – also vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung – ausüben können. Daher stellt sich die Frage, ob er nunmehr mit der Ausübung nach § 767 II ZPO präkludiert ist. Grundsätzlich müsste auch hier auf die objektive Möglichkeit der Ausübung abgestellt werden (Rn. 230). Zu beachten ist aber, dass bei einem vertraglich eingeräumten Optionsrecht die Entscheidungsfreiheit des Berechtigten gerade zwischen den beiden Parteien vereinbart wurde und damit gewissermaßen in ihrem Wesen liegt. Deshalb ist in dieser Situation ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Ausübung des Rechts durch den Berechtigten abzustellen[36]. Der Einwand der Option ist daher nicht präkludiert.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit › 3. „Doppelte Vollstreckungsabwehrklage“ (§ 767 III ZPO)
3. „Doppelte Vollstreckungsabwehrklage“ (§ 767 III ZPO)
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Beispiel 26 (Präklusion nach § 767 III ZPO):
Schuldnerin S hat sich eine neu zu errichtende Eigentumswohnung gekauft. Wegen des Kaufpreises in Höhe von 200 000 Euro hat sie sich gegenüber dem Bauträger B in einer notariellen Urkunde wirksam der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen. Gezahlt werden soll (wie üblich) nach Bauabschnitten. Die letzte Rate in Höhe von 30 000 Euro bezahlt S dann aber wegen erheblicher Baumängel nicht. Als B aus der notariellen Urkunde gegen S vollstreckt, beruft sie sich erfolgreich auf die fehlende Fälligkeit der Forderung (wegen der Baumängel). Einige Tage nach ihrem Erfolg bei Gericht besichtigt sie erneut die Wohnung. Als sie all die schweren Baumängel sieht, entscheidet sie sich, nun doch von dem Kaufvertrag zurückzutreten. B ignoriert dies, repariert die Mängel, so wie es ihm im Urteil aufgegeben ist, und beginnt danach erneut, die Forderung zu vollstrecken. Kann S sich auf den (materiell-rechtlich rechtmäßigen) Rücktritt berufen und sich damit erfolgreich gegen die Zwangsvollstreckung wegen der letzten Rate wehren?
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Das Problem in Beispiel 26 besteht darin, dass S bereits einmal (erfolgreich) Vollstreckungsabwehrklage eingelegt hat. Fristen waren dabei nicht zu beachten, da sie sich gegen die Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde wendete (§ 797 IV ZPO, Rn. 220). Nunmehr möchte sie erneut Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus der gleichen Forderung einlegen – nur dass sie sich diesmal nicht auf die Einrede fehlender Fälligkeit, sondern auf die Einwendung beruft, der Anspruch auf Kaufpreiszahlung sei entfallen, als sich der Kaufvertrag durch Ausübung des Rücktritts in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelte (§§ 346 ff, 349 BGB). Grundsätzlich kann die Vollstreckungsabwehrklage wiederholt werden. Doch unterliegt die Wiederholungsmöglichkeit Grenzen.
Nach herrschender Ansicht ist für die Trennung von zulässigen und unzulässigen Wiederholungen die Regelung in § 767 III ZPO gemacht. Die Norm soll dafür sorgen, dass der Schuldner alle Einwendungen, die er hat, so weit als möglich bündelt[37].
Hinweis:
Wegen seines Wortlauts wird § 767 III ZPO von der herrschenden Meinung in der Literatur so verstanden, dass es auf die subjektive Möglichkeit der Geltendmachung der Einwendung schon im Rahmen der ersten Vollstreckungsabwehrklage ankommt[38]. Der BGH stellt dagegen auch hier auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung ab[39].
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Somit scheint § 767 III ZPO genau zu passen. Bedenken gegen eine Anwendung von § 767 III ZPO könnten aber daraus folgen, dass auch das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht ist. Die Einwendung des Zurücktretenden entsteht erst mit Ausübung dieses Gestaltungsrechts durch Erklärung des Rücktritts (§ 349 BGB). S kannte ihr Rücktrittsrecht zwar bereits bei Klageerhebung. Sie hatte aber den Entschluss zum Rücktritt noch nicht gefasst und das Rücktrittsrecht noch nicht ausgeübt. Will man S diese materielle Möglichkeit, mit der Ausübung zuzuwarten, auch prozessual erhalten, ließe sich mit den Argumenten der zu § 767 II ZPO vertretenen Literaturauffassung eine Präklusion auch im Anwendungsbereich von § 767 III ZPO ablehnen. Jedoch wird diese Meinung (wegen des abweichenden Wortlauts) zu § 767 III ZPO kaum vertreten. In Beispiel 26 kann daher S auch mit ihrer zweiten Vollstreckungsabwehrklage nicht durchdringen.
§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit › 4. Sonderfall: Rücktritt durch Pfändung beim Verbraucherkreditgeschäft?
4. Sonderfall: Rücktritt durch Pfändung beim Verbraucherkreditgeschäft?[40]
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Beispiel 27 (Rücktrittsfiktion durch Zwangsvollstreckung):
Käufer K kauft ein Auto vom Autohändler V zum Preis von 24 000 Euro. V gewährte K Ratenzahlung zu monatlich 800 Euro. Anfänglich konnte K die Raten noch fristgerecht bezahlen. Als er dann seinen festen Arbeitsplatz verlor, kam er jedoch mit vier aufeinander folgenden Ratenzahlungen in Verzug. V setzte K erfolglos eine Frist zur Zahlung und verklagte daraufhin K erfolgreich auf Zahlung der noch ausstehenden Raten. V beauftragte sodann die Gerichtsvollzieherin mit der Pfändung des PKW. Kann K Vollstreckungsabwehrklage erheben?
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In Beispiel 27 wird auf den ersten Blick nicht ersichtlich, welche Einwendung K erheben könnte. Entscheidend ist hier jedoch, dass es sich um ein Teilzahlungsgeschäft nach § 506 I, III BGB handelt, weil eine Ratenzahlung für den Kaufpreis vereinbart worden ist. Von einem solchen Teilzahlungsgeschäft kann der Unternehmer grundsätzlich nach § 498 I iVm. § 508 II BGB zurücktreten, wenn ein Zahlungsverzug des Verbrauchers nach § 498 BGB vorliegt. Obwohl hier die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen, hat V das Teilzahlungsgeschäft aber nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat er nur aus seiner titulierten Kaufpreisforderung in den Kaufgegenstand vollstreckt. Einer solchen Vollstreckung in die „eigene“ Sache des Verkäufers steht im Allgemeinen nichts entgegen. Man muss aber, wegen der Besonderheiten des Verbraucherschutzes, doch genauer überlegen: Wäre V hier zurückgetreten, löste dies die Rechtsfolgen der §§ 346, 348 BGB aus. Der Verbraucher hätte einen Anspruch auf Rückzahlung der bisher geleisteten Raten nach § 346 I BGB abzüglich etwaiger Nutzungsersatzansprüche des Unternehmers (§§ 346 I, 347 BGB) Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufgegenstands. Nun liegt eine Rücktrittserklärung hier zwar gerade nicht vor. Aber das Verbraucherschutzrecht kennt zum Schutz des Kreditnehmers eine Rücktrittsfiktion (§ 508 S. 5 BGB), die hier eingreifen könnte. Danach fingiert die Wegnahme des Kaufgegenstands durch den Unternehmer den Rücktritt vom zugrunde liegenden