um sich die Strecke einzuprägen.)
Mart: „Jetzt wissen die beiden Vorderen den Weg nicht mehr.“
Rebekka: „Sie beraten sich – meinst Du, sie machen weiter?“
Mart: „Wir warten noch ab – was machen wir, wenn sie noch weiter in die falsche Richtung laufen? Die finden nicht mehr zum letzten Schild zurück.“
Rebekka: „Wir bieten Ihnen einen Deal an? Zurück zum letzten Schild und dafür 5 Minuten Zeitabzug?“
Mart: „Warte mal – da tut sich was. Die drehen um! Wir warten noch ab?“
Rebekka: „Mal schauen, wo sie als nächstes hinlaufen. Siehst Du die hinteren zwei? Die trauen der Führung nicht mehr, so selbstständig, wie die herumtasten – das sieht man total deutlich!“
Mart: „Auf welches Thema richten wir nachher die Reflexion aus?“
Rebekka: „Warte mal kurz. (Zur Gruppe) Ok. Leute – Leider seid Ihr gerade auf dem besten Weg Euch weiter zu verfransen – wir bieten Euch den Deal an, Euch zurück zum letzten Schild zu bringen – gegen 5 Minuten Zeitabzug.“
Aus der Gruppe: „Wie viel Zeit haben wir denn noch?“
Rebekka: „Na, allmählich müsst Ihr Euch schon anstrengen. Aber 5 Minuten Zeitabzug sind schon noch drin.“
(In Wirklichkeit haben wir bereits gnadenlos überzogen. Die Zeit ist längst überschritten, aber wir wollen den spannenden Prozess nicht abbrechen. Darum auch die vage Aussage. Die tatsächliche Zeit ist für den Prozess bei dieser Übung vollkommen unerheblich – viel interessanter ist der Umgang der Gruppe mit dem vermeintlichen Zeitdruck. Die Gruppe wird nun blind zum letzten Schild geführt – eine Stimmung zwischen Verwirrung, Erleichterung und Diskussion entsteht. Die Gruppe einigt sich darauf, dass nur die vordersten Personen sprechen dürfen, damit die Konzentration in der Gruppe höher ist.)
Mart: „Auf welches Thema gehen wir in der Reflexion?“
Rebekka: „Das hier sieht nach ziemlichen Unstimmigkeiten zwischen Fremdbildern und Selbstbildern aus.“
Mart: „Stimmt. Die Alphas sind gerade mit vollem Elan ins Gemüse gelaufen, während die stille Tine vorhin alle langsam aber vollkommen sicher zur nächsten Station geführt hat. Hätte sicher von denen auch niemand geglaubt, dass sie das packt.“
Rebekka: „Wobei der Thomas ihr das auch am Liebsten schon wieder aus der Hand genommen hätte. Der hat das kaum ausgehalten, mal nicht an vorderster Position zu sein – vermutlich tut er sich auch mit dem Blindsein schwer. Aber es ist gut, dass wir vorhin nicht interveniert haben.
Mart: „Das ist gut – ich war mir nicht sicher, ob ich nicht hätte unterbrechen sollen…“
Rebekka: „Bloß nicht! Hey, was passiert denn jetzt?“
Mart: „Die beraten sich.“
Rebekka: „Nicht schon wieder!“
Mart: „Gegen Beratung ist doch nichts zu sagen!“
Rebekka: „Ja, aber gegen solch ausufernde Diskussionen, bei denen diejenigen am lautesten diskutieren, die den Streckenabschnitt am wenigsten kennen.“
Mart: „Vielleicht haben sie eine gute Strategie?“
Rebekka: „Wenn sich die Beratung anfängt im Kreis zu drehen, machen wir etwas Zeitdruck. “
(Die Beratung fängt an in unproduktive Gefilde abzugleiten, die Teilnehmer reden aneinander vorbei.)
Mart: „Also Leute, Ihr habt noch drei Stationen vor Euch und noch 12 Minuten Zeit. Wir bieten Euch jetzt zwei Dinge an: Wir richten Euch gegen zwei Minuten Eurer Zeit auf das nächste Schild hin aus – Alternative: Wir stoppen die Zeit und sprechen kurz – ohne die Augenbinden abzunehmen – über Eure Strategie. Alternative Nummer 3: Ich gebe Euch einen Tipp. Was hättet Ihr gerne?
(Die Gruppe entscheidet sich gegen eine Zwischenreflexion und für den Tipp.
Die Frustration ist bei einigen gerade schon ziemlich hoch – einige haben „innerlich gekündigt“, andere sind verwirrt, aber noch voller Tatendrang.)
Mart: „Also hier mein Tipp. Ihr seid an der Stelle, an der Ihr jetzt steht, schon einmal gewesen. Zwei von Euch haben sich sogar besondere Mühe gegeben, diese Stelle zu erforschen.“
(Streng genommen ist dieser Hinweis ein vollkommen nutzloser Tipp, aber der Effekt funktioniert: Es tritt eine Denkbewegung ein, zwei aus der Gruppe schreien laut auf: „Jetzt weiß ich, wo wir sind!“ Die Gruppe macht voller Elan weiter.)
Rebekka: „Meinst Du, es ist gut, wenn sie’s schaffen?“
Mart: „Jetzt gerade würde ich nicht abbrechen. Das nächste Schild finden sie. Aber wenn sie’s danach nicht packen, machen sie sich im Anschluss nur noch selbst was vor. Schauen wir mal.“
Rebekka:„Welche Reflexionsmethode nehmen wir?“
Mart: „Lass uns den Blumentopf nehmen.“
(Die Gruppe jubelt, das nächste Schild ist gefunden worden. Im Anschluss daran steigt die Motivation noch. Aber durch unsere vorher angekündigte Zeitangabe und weil wir nicht wollen, dass die Gruppe zu stolz auf ihre eher magere Leistung ist, müssen wir einen Dämpfer setzen. Außerdem fängt die Gruppe bereits wieder an, sich nicht an die selbst gesetzten, eben besprochenen Regeln zu halten.)
Mart: „Hört mal kurz bitte her. Aaaalsoo: Eure Zeit ist leider abgelaufen – ihr habt die Aufgabe nicht innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen geschafft. Ihr könnt jetzt, wenn Ihr wollt:, die Aufgabe trotzdem noch fertig machen – es ist aber so, dass die Rahmenbedingungen aufgrund verschiedener Faktoren in der Gruppe definitiv nicht erfüllt wurden. Das werden wir uns auf jeden Fall anschauen müssen. Darum jetzt an Euch die Frage: Wollt Ihr weitermachen oder sollen wir an dieser Stelle abbrechen?“
(Eine kurze Diskussion entsteht, die Gruppe beschließt weiterzumachen.
Wir beschließen, den Prozess strikt abzubrechen, wenn sich die Gruppe ab jetzt nochmals richtig verfranst.)
In diesem Beispiel lässt sich hoffentlich erkennen, wie komplex prozessorientiertes Arbeiten ist. Ständig muss man sich die Frage stellen: Intervenieren oder laufen lassen? Wenn intervenieren, dann wie? Entspricht das, was jetzt gerade beobachtbar ist dem Prozessziel? Wie reflektieren wir das anschließend? Reflektieren wir das überhaupt? Welche Frage kann die Gruppe weiterbringen? Wie ging es Einzelnen und wie müssen wir darauf eingehen? Am laufenden Band treffen Erlebnispädagogen Entscheidungen. Auch die Entscheidung NICHTS zu tun hat Einfluss auf den Prozess.
Oftmals reibt sich eine Gruppe gerade daran, dass die Leitung zwar da ist, ihr aber weder mit Tipps noch mit Abbruch der Aktion aus der Situation heraus hilft, sondern mit Engelsgeduld alle Konflikte und Reibereien mitträgt.
Doch was hat dieses Kapitel mit Reflexion zu tun?
Mit den Beispielen möchte ich folgendes zeigen: Wenn man durch die Brille der Prozessorientierung schaut, die Komplexität von Gruppenprozessen erkennt und sieht, wie viele Entscheidungen andauernd getroffen werden müssen, dann liegt auf der Hand, dass es auch praktisch keine Vorplanung von Reflexion geben kann!
Weder, ob es überhaupt eine angeleitete Reflexion gibt (oder man sie den Teilnehmern selbst überlässt), noch ob es eine verbale oder nicht-verbale Reflexion ist, noch welche spezifische Methode man einsetzen wird, noch welche Frage die beste ist, lässt sich vorher planen. Denn woher sollte man das wissen können, bevor man den Prozess beobachtet hat? All diese oben genannten