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Christlich-soziale Signaturen


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müssen aufgrund der Verantwortungszuschreibung unterschiedliche Ergebnisse möglich sein; aber extreme Ungleichheit macht es manchen Menschen unmöglich, überhaupt Eigenverantwortung auszuüben. (c) Eigenverantwortung steht in Spannung zur Solidarität, denn zu viel Solidarität reduziert oder beseitigt das Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit, während wohlverstandene Eigenverantwortung auch den Blick auf Gemeinwohl und Gemeinschaft, also Solidarität, einschließt. So könnte man fortfahren.

      Zu einem christlich-sozialen Weltbild10 gehört das Leben in Widersprüchen, in der Ausbalancierung – einfach deshalb, weil ein nüchterner Blick auf die Welt verrät, dass es anders gar nicht geht. Einerseits kommt unser Wohlstand aus Kreativität und Dynamik; andererseits kann Geld die Sitten verderben. Einerseits ist der Staat gut, wir brauchen ihn; andererseits kann er repressiv, korrupt und bevormundend werden. Der Markt und seine Zähmung. Die Technik und die Skepsis ihr gegenüber. Die Demokratie und ihre Beschränkung. Die Individualität und ihre Wiedereinbettung. ‚Checks and balances“. Die christlich-soziale Perspektive konzipiert das Leben in der stets verbesserbaren Unvollkommenheit. Es geht um das Leben im richtigen Maßstab. Eigenverantwortung heißt also auch: das richtige Maß anstreben. Nicht die Mittelmäßigkeit, Durchschnittlichkeit oder Normalität zum Prinzip erheben, sondern in freier Beurteilung jenes richtige Maß finden, welches Extremismen (und ihre zuverlässig schädlichen Folgen) vermeidet.

       Literatur

      Bayertz, Kurt (Hg.): Solidarität. Begriff und Problem. Frankfurt am Main 1998.

      Becker, Joachim: Der erschöpfte Sozialstaat. Neue Wege zur sozialen Gerechtigkeit. Frankfurt am Main 1994.

      Berger, Peter A. / Hitzler, Ronald (Hg.): Individualisierungen. Ein Vierteljahrhundert ‚jenseits von Stand und Klasse‘? Wiesbaden 2010.

      Bolz, Norbert: Lebensführung. In: Heinz Bude, Joachim Fischer und Bernd Kauffmann (Hg.): Bürgerlichkeit ohne Bürgertum. In welchem Land leben wir? München 2010.

      Bracher, Karl Dietrich: Zeit der Ideologien. Eine Geschichte politischen Denkens im 20. Jahrhundert. Stuttgart 1982.

      Eicker-Wolf, Kai: Money for Nothing? Das bedingungslose Grundeinkommen. In: Sozialer Fortschritt 62 (6/2013), S. 172–177.

      Etzioni, Amitai: Jenseits des Egoismus-Prinzips. Ein neues Bild von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Stuttgart 1994.

      Gehlen, Arnold: Urmensch und Spätkultur. Philosophische Ergebnisse und Aussagen, 6., erw. Aufl. Frankfurt am Main 2004.

      Große Kracht, Hermann-Josef: Solidarität und Solidarismus. Postliberale Suchbewegungen zur normativen Selbstverständigung moderner Gesellschaften. Bielefeld 2017.

      Hecker, Christian: „Soziale Gerechtigkeit“ als Befähigungsgerechtigkeit – Subsidiarität, Verantwortungsfähigkeit und Eigenverantwortung im Rahmen liberaler Ordnungspolitik und christlicher Gesellschaftsethik. In: ORDO: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 64/2013, S. 99–133.

      Herder-Dorneich, Philipp: Der Sozialstaat in der Rationalitätenfalle. Grundfragen der sozialen Steuerung. Stuttgart 1982.

      Hessel, Stéphane: Empört Euch! 11. Aufl. Berlin 2011.

      Hondrich, Karl Otto / Koch-Arzberger, Claudia: Solidarität in der modernen Gesellschaft, Orig.-Ausg. Frankfurt am Main 1992.

      Issing, Otmar (Hg.): Zukunftsprobleme der Sozialen Marktwirtschaft. Berlin 1981.

      Kaelble, Hartmut / Schmid, Günther (Hg.): Das europäische Sozialmodell. Auf dem Weg zum transnationalen Sozialstaat, Berlin 2004.

      Kaufmann, Franz-Xaver: Herausforderungen des Sozialstaates. Frankfurt am Main 2004.

      Kaufmann, Franz-Xaver: Bevölkerung – Familie – Sozialstaat. Kontexte und sozialwissenschaftliche Grundlagen von Familienpolitik.

       Wiesbaden 2019.

      Kersting, Wolfgang (Hg.): Kritik der Gleichheit. Über die Grenzen der Gerechtigkeit und der Moral. Weilerswist 2002.

      Keupp, Heiner: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne, Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg 1999.

      Kirchschläger, Peter G.: Gerechtigkeit und ihre christlich-sozialethische Relevanz. In: Zeitschrift für katholische Theologie 135 (4/2013), S. 433–456.

      Krastev, Ivan: Europadämmerung. Ein Essay. Deutsche Erstausgabe, erste Auflage. Berlin 2017.

      Lübbe, Hermann: Subsidiarität. Zur europarechtlichen Positivierung eines Begriffs. In: Zeitschrift für Politik 52 (2/2005), S. 157–168.

      McIntyre, Lee C.: Post-Truth. Cambridge, Massachusetts, London, England 2018.

      Messner, Johannes: Kulturethik. Mit Grundlegung durch Prinzipienethik und Persönlichkeitsethik. Wien 2001.

      Müller, Jan-Werner: Was ist Populismus? Ein Essay. Erste Auflage, Originalausgabe, Berlin 2016.

      Müller-Armack, Alfred: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Studien u. Konzepte zur Sozialen Marktwirtschaft u. zur europ. Integration, 2., unveränd. Aufl. Bern u. a. 1976.

      Palmer, Gesine: Das seltsame Erbe der Sünde. In: APUZ (52/2014).

      Prisching, Manfred: Solidarität: Der vielschichtige Kitt menschlichen Zusammenlebens. In: Stephan Lessenich (Hg.): Wohlfahrtsstaatliche Grundbegriffe. Historische und aktuelle Diskurse. Frankfurt am Main 2003, S. 157–190.

      Prisching, Manfred: Das Selbst, die Maske, der Bluff. Über die Inszenierung der eigenen Person. Wien 2009.

      Prisching, Manfred: Solidarität und europäische Lifestyles. In: Clemens Sedmak (Hg.): Solidarität. Vom Wert der Gemeinschaft. Darmstadt 2010, S. 59–76.

      Renöckl, Helmut: Christlich-sozialethische Anmerkungen zur Neugestaltung Europas. In: Kirchliche Zeitgeschichte 20 (1/2007), S. 22–46.

      Rüstow, Alexander: Wirtschaftsordnung und Menschenbild. Geburtstagsgabe für Alexander Rüstow. Köln 1960.

      Salamun, Kurt: Ideologie, Wissenschaft, Politik. Sozialphilosophische Studien. Graz, Wien u. a. 1975.

      Scheler, Max: Vom Ewigen im Menschen. Band 1: Religiöse Erneuerung. Leipzig 1921.

      Sen, Amartya Kumar: Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München 2002.

      Spieker, Manfred: Notwendigkeit und Grenze des Sozialstaats. Der Beitrag der christlichen Gesellschaftslehre. In: Wolfgang Kersting (Hg.): Politische Philosophie des Sozialstaats, 1. Aufl. Weilerwist 2000, S. 293–330.

      Strasser, Johano: Grenzen des Sozialstaats? Soziale Sicherung in der Wachstumskrise, 2. Aufl. Köln 1983.

      Strenger, Carlo: Zivilisierte Verachtung. Eine Anleitung zur Verteidigung unserer Freiheit, 2. Aufl. Berlin 2015.

      Wiemeyer, Joachim: Die Finanzkrise aus wirtschaftsethischer Sicht. In: Jahrbuch für Recht und Ethik 18/2010, S. 269–294.

      Wilhelms, Günter: Christliche Sozialethik. Paderborn 2010.

      1Das bedeutet nicht, dass die Reflexion über alle derartigen Begriffe von vornherein sinnlos ist, man muss sich nur im Klaren sein, dass die Begriffe selbst keinen „anwendbaren“ Inhalt besitzen, sondern dieser Inhalt in einer konkreten Situation erst hinzugefügt werden muss. Es handelt sich ja auch um kein Spezifikum der christlichen Soziallehre, gerade der Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ kommt häufig in sozialistischen Argumentationen vor. Man kann auch dieselben Inhalte auf unterschiedliche Weise begründen; in der christlichen Soziallehre ist der Bezug zur Transzendenz gegeben.

      2In die Gestaltung der europäischen Strukturen ist die Subsidiarität beispielsweise explizit eingebracht worden. Im EG-Vertrag heißt es: „Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig. In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip