sollte es dort auch um die direkte Interaktion und Diskussion gehen!
Im Folgenden wird dieses Vorgehen anhand von 2 Beispielen demonstriert:
5.1. Interaktive “Vorlesung”
Vorträge vor der Videokamera per Livestream darzubieten und zu erwarten, dass die Zuhörer 45 min oder länger voll bei der Sache bleiben, ist unrealistisch. Wenn man an seinem Computer oder Tablet sitzt, ist man schnell von anderen Anwendungen oder Social Media abgelenkt. Hier ist es also noch wesentlich schwieriger als im Hörsaal, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu behalten.
Doch wer hier geschickt die Möglichkeiten eines virtuellen Klassenraums ausnutzt, kann in diesem Format sogar weitaus angeregteren Austausch gestalten, als es je in Präsenz möglich wäre!
Zum Beispiel empfiehlt es sich, die Vortragssequenzen auf rund 10 bis 15 Minuten zu begrenzen. Danach sollten Sie gezielte Fragen stellen, die die Lernenden zur eigenen Reflexion anregen, bevor Sie mit der nächsten Vortragssequenz fortfahren.
Sie können z.B. eine Umfrage starten und dabei
• nach eigenen Erfahrungen fragen („Trifft das, was Sie gerade gehört haben, auch auf das zu, was Sie in Ihrer Praxis erleben? Immer- teilweise – selten – nie),
• ein kleines Quiz zu dem gerade Erzählten machen oder
• neuen Stoff mit einer Frage einleiten, die an das Vorwissen der Teilnehmenden anknüpft.
Sie können auch ein Video zeigen und dazu per Umfrage gezielte Fragen stellen, genauso zu eventuellen Vorarbeiten, die die Teilnehmenden gemacht haben.
Im Unterschied zu Präsenzveranstaltungen können Sie mit dieser Methodik schnell Antworten von allen im Raum erhalten und sofort ein differenziertes und sogar quantifiziertes Bild zur Gesamtgruppe bekommen, denn die Umfragen zeigen einem sofort, mit welcher Häufigkeit jede der Antwortmöglichkeiten von den Teilnehmenden gewählt wurde.
Und natürlich sollten Sie Ihren Zuhörern jederzeit die Möglichkeit geben, im Chat direkt Fragen zu stellen. Warten Sie damit nicht bis zum Ende Ihres Vortrags, sondern pausieren Sie auch schon zwischendurch nach jeder Sequenz und bitten Sie um Fragen oder Kommentare. Das Schöne an einem Chat ist, dass dort alle gleichzeitig „sprechen“ und Input geben können und das Ganze in nur 2-3 Minuten. Sie können dann selbst steuern, welche Fragen Sie spontan herausgreifen wollen und welche Sie auf später verschieben. Wenn Ihre Zuhörer merken, dass ihre Fragen tatsächlich wahrgenommen werden, werden sie sich erfahrungsgemäß auch aktiver beteiligen.
Sie haben auch die Option, einen „Assistenten“ einzubinden, der ständig ein Auge auf den Chat hat und dann zu gegebener Zeit Fragen herausgreift und vorliest. So können Sie jeweils einen Lernenden in einer aktiven Rolle mit an der Vorlesung beteiligten und diese Rolle kann auch zu jedem Termin rotieren.
Wichtig ist, die Hände der Teilnehmenden zu aktivieren und sie etwas klicken oder tippen zu lassen. Denn wenn sie in Ihrem Klassenraum aktiv sind, können sie sich nicht gleichzeitig mit einer anderen, nicht relevanten Anwendung beschäftigen.
5.2. Interaktives Online-Seminar
Mit kleineren Gruppen bis zu 20 bis 25 Personen lassen sich natürlich weitaus vielfältigere Interaktionen gestalten als nur mit Umfragen. Sie können
• einzelne Teilnehmer auch direkt einbeziehen, auf die Kamera bringen und sprechen lassen,
• im Chat häufiger konkrete Fragen an die Teilnehmenden stellen und deren Antworten intensiver diskutieren,
• ein Whiteboard nutzen, um gemeinsam zu einem Thema ein Brainstorming abzuhalten und die Antworten auch zu gruppieren,
• die Teilnehmenden in Kleingruppen verteilen, dort z.B. Fallbeispiele persönlich miteinander diskutieren lassen und dann im Plenum die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zusammentragen.
Die Kunst guten Live-Online-Trainings besteht darin, vorab genau zu planen, über welche interaktiven Elemente man die Lernenden einbinden will, um die Lernziele zu erreichen und dafür die zur Verfügung stehenden Funktionalitäten des eigenen virtuellen Klassenraums optimal einzusetzen.
Je mehr Variationen Sie dabei bieten, desto eher werden Sie Ihre Teilnehmenden auch trotz der heute notorischen kurzen Aufmerksamkeitsspannen bei Stange halten. Bieten Sie deshalb viel Abwechslung bei dem, was die Lernenden
• hören: Keine monotonen Einzelredner, sondern interessant modulierter Vortrag und idealerweise verschiedene Sprecher,
• sehen: Keine langweiligen Textfolien, sondern einfache Botschaften und ansprechende Bilder und eventuell auch Videos,
• sprechen: Kein passives Zuhören, sondern auch aktive Wortbeiträge,
• tun: Die Hände mit tippen, klicken, zeichnen und Gesten beschäftigt halten.
6. Erfolgsfaktor „Kompetenz der Lehrenden“
Was bedeutet all dies nun für die Lehrenden? Sie müssen die Kompetenz erwerben, kurzweilig zu informieren und die aktive Beteiligung der Teilnehmenden über abwechslungsreiche Interaktionen anzuregen.
Dies beginnt mit der eigenen akustischen und optischen Wirkung im virtuellen Raum. Ein Headset sorgt für klaren Ton und gute Verständlichkeit, zusammen mit einem abwechslungsreichem Vortrag wird so die Grundlage für eine wirksame Kommunikation gelegt. Die Webcam soll möglichst viel von Mimik und Gestik zum Vortrag erfassen. Dies gelingt, wenn das Gesicht gut ausgeleuchtet ist, man nicht „von oben herab“ in die Kamera blickt und man mittig vor einem möglich ruhigen Hintergrund sitzt oder steht.
Natürlich braucht es auch eine gewisse Technikkompetenz. Inzwischen ist die Bedienung der gängigen Softwaretools für den virtuellen Klassenraum vergleichsweise einfach. Wer mit den normalen Arbeitsplatzanwendungen wie Word oder PowerPoint umgehen kann, arbeitet sich schnell in die Tools ein, die heute sehr benutzerfreundlich gestaltet sind. Die wichtigste Voraussetzung dafür, sich damit zu beschäftigen und lernen zu wollen.
Trotzdem haben viele Anfänger anfangs Befürchtungen, dass technische Probleme auftreten könnten, mit denen sie nicht umgehen können. Klar ist: Es wird immer technische Probleme geben, genauso wie es auch bei Präsenzveranstaltungen immer technische Probleme geben wird. Der Beamer springt nicht an, die Batterien im Klicker sind leer oder der Raum lässt sich nicht richtig verdunkeln. Doch damit haben die meisten gelernt umzugehen und werden nicht mehr nervös: Sie haben Ersatzbatterien dabei und treffen sich rechtzeitig vorher mit dem Techniker, um den Beamer und das Laptop zu testen und sich die Bedienung des Raums erklären zu lassen. Genauso ist es im virtuellen Klassenraum, es sind immer dieselben Probleme, die dort auftreten können. Nach ein paar Veranstaltungen wird man auch damit routiniert umgehen können. Und anfangs sollte man eben immer auch einen Technikspezialisten dabeihaben.
Die wichtigste neue Kompetenz besteht jedoch darin, die Teilnehmer mit den in Punkt 5 beschriebenen didaktischen Mitteln zu aktivieren und die Funktionalitäten des virtuellen Klassenraums souverän zu nutzen, um damit Wissensvermittlung und Austausch anregend zu gestalten. Die Durchführung gelungener Live-Online-Veranstaltungen erfordert anfangs Lernbereitschaft und Experimentierfreude. Übung macht auch hier den Meister. Am besten startet man mit einer gezielten Ausbildung und schaut sich von erfahrenen Live-Online-Experten die Mittel ab, die auch zum eigenen Unterrichtstil passen.
7. Wo können Sie anfangen?
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Diesen haben viele seit Beginn der zwangsweisen Umstellung auf die Online-Lehre bereits gemacht. Sie haben dabei bereits Erfahrungen dazu gesammelt, wie sie selbst unter diesen Bedingungen digital arbeiten können und wie neue Formate für Lehrveranstaltungen gestaltet werden können. Es ist erstaunlich, wie schnell hier vieles machbar war und gut funktioniert hat.
Nun gilt es, darauf aufzubauen und die nötigen Fähigkeiten schrittweise und systematisch zu erweitern.
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