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Leben von Ausstellungen. Die vielen fliegenden Luftballon-Fische, die in Philippes Ausstellung einen Raum in ein Aquarium verwandeln und die Gäste dazu verführen, mit ihnen zu spielen oder zu tanzen und Tausende Fotos zu machen, sind dafür vielleicht ein schönes Symbol.

      EC:Interessant ist die Idee der Immersion als ein Vorgang des Eintauchens. In gewisser Weise ist der Fisch eine Lebensform, die auf diesen Zustand der Immersion ausgerichtet ist. Ein Eintauchen ist immer etwas, bei dem sich die Beziehung zwischen dem Ort und dem Inhalt ändert. Der Fisch ist in das Wasser eingetaucht, zugleich ist es das Wasser, was den Körper ausmacht. Was ich in jeder Ausstellung, die ich von Philippe besucht habe, sehr stark fand, ist diese Verpflichtung der Besucher*innen, selbst ein sehr aktiver Teil der Ausstellung zu werden. Nicht im partizipatorischen Sinne, dass man etwas tun muss, sondern auf andere Art und Weise. Ich hatte zum Beispiel gestern und heute den Eindruck, dass man nach ein paar Minuten, wenn man von einem Raum zum anderen geht, nicht mehr weiß, ob man etwas anderes ist als diese Fische. Man ist einfach etwas, das in dieser neuen Landschaft schwebt.

      PP:Was mich mehr und mehr fasziniert, ist der Begriff der Aufmerksamkeit. In den 1970er-Jahren definierte Godard die schwebende Aufmerksamkeit, was bedeutet, dass der Moment, in dem man keine Ordnung in den Dingen erkennen kann, ein Traum und eine Erinnerung an den Traum gleichzeitig existieren. Die eine Sache steht nicht vor oder über der anderen. Und ich glaube, dass eine Ausstellung ein Raum sein sollte, in dem die Aufmerksamkeit nicht von einer Autorität vereinnahmt wird, sondern in dem man sich treiben lässt und beginnt, Dinge miteinander zu verbinden, ein Bild mit einem Klang. Man kann auf eine Reihe von Synchronizitäten stoßen, aber es gibt keinen klaren Anfang und kein klares Ende. Mal ist es ein White Cube und mal eine Black Box, die flackert und nicht als Theater definiert ist, sondern als Kino. Die Ausstellung oszilliert zwischen verschiedenen Formen der Existenz, der Architekturkanäle. Wenn man im Kino ist, gehen plötzlich die Lichter an, und man merkt, dass es einen Ton gibt, aber man fragt sich, wo er herkommt. Und warum tut man das? Man achtet vielleicht auf die Klimaanlage oder die Luftveränderung, und dann bewegen sich die Dinge um einen herum. Und in der Ausstellung achtet man vielleicht auf die Tatsache, dass, wenn die Sonne im Westen ankommt, die Fische anfangen abzutauchen – die Temperatur ändert sich und demnach die Form. Und all diese Verkettungen der Dinge schaffen eine seltsame Logik für eine spezifische Form des Wahnsinns. Ich interessiere mich immer mehr für die Idee des Deliriums.

      TO:Du hast in deinem Text Invisible boy über das Gefühl der Besessenheit oder des Deliriums geschrieben. Ich habe auch den Eindruck, wenn ich deinen Film The Crowd sehe, dass die Menschen, die er zeigt, im Bann von etwas stehen, das ich nicht sehen kann, das aber eine große Präsenz besitzt.

      PP:Ich habe The Crowd vor vier Jahren gedreht und drei oder vier Mal neu geschnitten. Die letzte Version ist so etwas wie eine Art Ankommen. Wir sprachen über das Kollektiv und die Beziehung eines Bildes zu einem Kollektiv. In diesem Fall ist es eine Art Theaterstück, aber mit 300 Schauspieler*innen. Sie hören gemeinsam zu, sie werden gemeinsam still, sie beginnen, gemeinsam zu träumen. Sie flüstern zusammen, sie beginnen, zu summen, zu singen und zu tanzen. Irgendwann erschaffen sie sogar eine Stadt, indem sie sich bewegen, und die Sonne kommt herein. Es ist eine Art Theaterstück. Ich interessiere mich für Theaterstücke, für Film und Kino, weil es alles öffentliche Räume sind, in denen etwas passieren kann. Ich mag den öffentlichen Raum, aber ich will keine Fiktion erzählen. Ich will die Wahrheit erzählen, und das ist schwierig.

      TO:In deinen Ausstellungen erzeugst du dieses Fließen von Situationen zwischen dem Geschriebenen und Ungeschriebenen, das dem Theater sehr ähnlich ist. Du schaffst szenische Settings und Bühnen – und bist ja offensichtlich auch fasziniert von der Arbeit visionärer Set-Designer wie Jacques Polieri. Deine Ausstellungen allerdings sind jede für sich einzigartig, da sie eben nicht transportabel wie ein Bühnenbild sind, sondern das Haus selbst als Akteur*in betrachten und in dein Stück integrieren. Für dich ist auch das Haus ein Quasi-Objekt. Deine Ausstellungen sind so gesehen Meta-Werke, etwas höchst Spezifisches.

      PP:Genau, weil sie raumbezogen sind. Die Ausstellungen sind jeweils eine Lesart des Raums, dieses spezifischen Raums und dieser spezifischen Zeit. Als du nach einem Zeitraum gefragt hast, um die Ausstellung im Gropius Bau zu realisieren, war meine erste Assoziation eine Sommerausstellung. Im Sommer würde es in Berlin hell sein, im Sommer ist alles offen, die Leute gehen raus, die Parks sind voller Menschen. Also dachte ich, der Raum würde komplett mit Licht gefüllt sein. Das war die erste Entscheidung in einer Reihe verrückter Entscheidungen.

      EC:In einem Text, der in der französischen Zeitung Libération veröffentlicht wurde, hast du diese schöne Idee einer Ausstellung als Film ohne Kamera formuliert. Was in gewisser Weise dem entspricht, was du über die seltsame Beziehung zum Theater gesagt hast. Ein Film ohne Kamera, das Leben als solches, in einen anderen Zustand versetzt. In diesem Text erwähnst du auch, dass das Prinzip einer Ausstellung das ist, was jedes Mal stattfindet, wenn man sie zeigt. Wenn man als Kind Fußball spielt, kommentiert man das, was man tut. Auch wenn man Philippe folgt, gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen der Tatsache, der Person und den Kommentaren zu dem, was geschieht. Es gibt keine Hierarchien. Da das Physische immer Teil dieses Skripts ist, befindet man sich auf derselben Ebene. Die Hefe und die Marquise, beides kündigt einen Aspekt der Ausstellung an, aber sie sind zugleich schon Teil der Ausstellung innerhalb der Ausstellung. Das ist eine sehr präzise Definition dessen, was in einer Ausstellung passiert, die dem Theater oder dem Kino ähnlich ist.

      PP:Mir gefällt auch diese Idee des untätigen Objekts, die ich in deiner Philosophie finde. Wenn man beispielsweise eine Ausstellung produziert, verwendet man einen Raumplan, der den Grundriss zeigt und in dem man die Exponate vorab platziert. Wenn man diese Schicht ausblendet, auf der sich die Architektur befindet, entfernt man sozusagen den Körper, und man hat nur noch die Organe. Ich habe angefangen, damit zu spielen. Für mich sind zwei Filme dieser Ausstellung in gewisser Weise wie zwei Augen dieser Kreatur. Dann hat man die Kabel, die die Venen und das Blut darstellen, das Verdauungssystem in Form des Aufzugsystems zwischen den Stockwerken. Und so weiter. Es beginnt zwar mit dem Raum, aber der Raum produziert seine eigenen Objekte. Es ist, als ob ich als Überträger da bin und nur die Werkzeuge zur Verfügung stelle.

      TO:Deine Objekte machen oft Dinge präsent, die abwesend sind. Die Marquise beispielsweise ist wie ein Performance-Werkzeug, das normalerweise benutzt wird, um eine Ankündigung zu machen. Aber in deiner Ausstellung geht es nur um das Ding selbst. Ausstellungen sind für dich, hast du einmal gesagt, Gespräche zwischen Objekten, die es vermeiden, Symbole zu sein. Sie haben ihre eigene Schönheit, sie verfügen über eine eigene Komposition – und sie beginnen eine Art von Konversation, in der sie nicht unsere Worte benutzen. Das ist für mich etwas, das sich sehr vom Theater unterscheidet. Aber es gibt ein Skript. Du hast erwähnt, dass Norman Klein derjenige war, der den für deine Ausstellungen sehr erhellenden Begriff des „Scripted Space“ entwickelt hat. Was genau bedeutet der Begriff für dich?

      PP:Ich habe ihn in dem Buch über die barocke Architektur gefunden, wo Klein schreibt, dass es im Barock einen Punkt gab, an dem man durch den Raum ging und das Durchgehen die Bedeutung der Position erzeugte. Die Dinge erscheinen und verschwinden, wenn man mit der Perspektive spielt. Was man für flach hält, hat eine Tiefe und so weiter. Ich mag diese fantastische Idee des Raums, die mit dem Scripted Space verbunden ist. Ich denke an das Trompe-l’Œil als etwas, das Zeit und Raum ist – also eine raumbezogene Form. Damit begann ich, den Ausstellungsbesuch als eine einmalige Erfahrung aufzufassen, indem ich die räumlichen und zeitlichen Grenzen mit den sensorischen Erfahrungen der Besucher*innen verflocht.

      EC:In gewisser Weise ist es eine Verkomplizierung des barocken Modus des Trompe-l’Œil, des Scripted Space, weil es auch eine Scripted Time, ein Scripted Life ist. Interessant ist der Vergleich mit der barocken Architektur. Dass man zwei Elemente gleichzeitig einbezieht. Man baut keine Kathedrale oder einen Palast, sondern die Zeit ist mit einbezogen. Das ist vielleicht der Grund, warum eine Ausstellung irgendwann zu Ende gehen muss. Denn ja, einerseits ist sie ein Scripted Space, andererseits ist sie auch etwas ganz anderes. Die Frage ist: Was unterscheidet eine Ausstellung von einer barocken Kathedrale? Du beziehst die zeitliche Dimension mit ein. Diese Art der Einbeziehung beruht zusätzlich darauf, dass die Räume von uns beeinflusst werden, sodass wir Teil dieses besonderen Effekts sind; wir sind Teil dieser extrem seltsamen Kathedrale,