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Schwarz wird großgeschrieben


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der Schwarz als eine feststehende Kategorie denkt, die unabhängig von Kontext und Gesellschaft ist. Dieser Ansatz lässt jedoch in letzter Konsequenz Rassendenken zu, indem er Schwarzsein auf etwas Biologisches, Unverrückbares zurückführt. Man wird also nicht Schwarz gemacht, sondern man ist es einfach.

      Es ist wichtig, über Unterschiede im Schwarzsein zu sprechen. Dazu gehört auch die berechtigte Kritik, dass Erfahrungen von mixed Menschen oft stellvertretend für alle Schwarze Menschen wahrgenommen werden. Jedoch habe ich oft gesehen, wie diese Kritik mit biologistischen Argumenten vermischt wird. Mixed Menschen seien nicht richtig Schwarz, beispielsweise weil sie »weißes Blut« hätten. Hier dreht sich der »One drop rule«-Gedanke um. Als sei Schwarzsein auch etwas, das pur und rein gehalten werden müsse. Das ist gefährlich und ganz einfach falsch.

      Um diesen Missverständnissen zu entgehen, brauchen wir eine präzisere Sprache. Und hier sind wir wieder beim zu Anfang beschriebenen Problem: Wir sind uns nicht einig, wie die Kategorie »Schwarz« genau definiert wird. Das liegt aber auch daran, dass die Notwendigkeit für Schwarze Identität durch Rassismus entstanden ist – und Rassismus ist alles andere als logisch. Somit kann es auch keine vollkommen logische Definition von Schwarzsein geben.

      Doch es lässt sich wohl kaum aus dem Weg räumen, dass neben sozialen Realitäten auch biologische Faktoren, wie Hautfarbe, Gesichtszüge und Körperbau, eine Rolle im Anti-Schwarzen Rassismus spielen. Anti-Schwarzer Rassismus ist zum großen Teil eine Stigmatisierung des Körpers und wurde stark von Naturwissenschaftler*innen etabliert. Deshalb trifft er dark skinned Menschen immer härter als light skinned Menschen, wenn sie sich in vergleichbaren Situationen befinden. Das muss im konstruktivistischen Ansatz beachtet werden.

      Wer ist also Schwarz? Ich habe es immer für eine Errungenschaft gehalten, dass der Schwarze Identitätsbegriff inklusiv ist und somit eine Gegenerzählung zum ausschließendem Weißsein.

      Es ist wichtig, dass wir innerhalb von Schwarzen Identitäten Unterschiede und Machtdynamiken nicht unsichtbar machen. Diskurse über Colorism zum Beispiel bedeuten keine Spaltung, sondern sind notwendig, um einen Zusammenhalt weiterhin möglich zu machen. Empowerment sollte nicht in der Verklärung von Schwarzsein ausarten. Und wir müssen zulassen, dass Schwarzsein etwas Dynamisches ist, das sich je nach gesellschaftlichen Strukturen und Haltungen ändern kann. Ich bin dafür, Schwarzsein als Dachbegriff breit zu halten. Genauso bin ich für eine bessere Sprache für die Nuancen des Schwarzseins in Deutschland und Europa, um der Komplexität und Heterogenität unserer Identitäten gerecht zu werden. Diese gemeinsame Sprache können wir nur entwickeln, wenn wir unterschiedliche Perspektiven mit einbeziehen.

      Es scheint ein Tauziehen zwischen strukturellen Privilegien von light skinned und mixed Menschen auf der einen und Deutungshoheit über Zugehörigkeit von dark skinned Menschen auf der anderen Seite zu geben. Doch je mehr wir uns bei diesem Kampf verausgaben, desto mehr vergessen wir, dass es vor allem weiße Menschen sind, die uns diese Probleme überhaupt eingebrockt haben. Unsere Freiheit ist abhängig voneinander und somit ist Solidarität, Verantwortung und Unterstützung unabdingbar. Frei nach Audre Lorde: Auch wenn unsere Kämpfe nicht immer die gleichen sind – wir sind nicht frei, wenn nicht alle von uns frei sind.

      CELIA PARBEY

       DIE SACHE MIT DEN PRIVILEGIEN

      Sommer 2020. Der Mord an George Floyd und die daraus resultierenden Protestbewegungen machten Schwarze Menschen weltweit so sichtbar wie nie zuvor. Auch in Deutschland sah man uns plötzlich überall. Wochenlang prägten wir die mediale Berichterstattung. Schwarze Menschen, sie wurden zu Panel-Talks eingeladen, schrieben Leitartikel und forderten strukturelle Veränderungen ein, in einem Land, das ihre Existenz lange ignoriert hatte.

      Im Sommer 2020 wurden Schwarze Lebensrealitäten endlich sichtbar. Oder etwa nicht? Wie Aktivist*innen in den sozialen Medien bemerkten, waren nicht all unsere Lebensrealitäten in den Medien vertreten. Wer genauer hinschaute, konnte erkennen, dass ganz bestimmte Stimmen den öffentlichen Diskurs ums Schwarzsein prägten. Es waren und sind immer noch die Stimmen von Menschen, die ein Schwarzes und ein weißes Elternteil haben. Menschen, die biracial sind. Es sind Stimmen wie meine.

      Mein Vater stammt aus Lomé, der Hauptstadt Togos, und meine Mutter ist in Göttingen, Niedersachsen, geboren. In Berlin besuchte ich eine französische Schule. Dort war ich umgeben von Afrikaner*innen, die direkt vom Kontinent nach Deutschland gekommen waren. Junge Menschen aus Burkina Faso, aus Gabun und der Demokratischen Republik Kongo. Für sie war ich vor allem eins: Togolesin. Aber Schwarz war ich nicht, sondern métisse. Das französische Wort für M****ling. Der Hintergrund dieses Begriffs ist ähnlich gewaltvoll wie im Deutschen. In Frankreich aber wurde er von der breiten Masse akzeptiert, auch von Schwarzen Menschen, auch von mir. Für meine weiße Mutter waren mein Bruder und ich ihre Schwarzen Kinder. Warum? 1986 erschien Farbe bekennen. Darin schufen afrodeutsche Frauen in wissenschaftlichen Texten, Lyrik und autobiografischen Erzählungen ein Zeugnis Schwarzer Lebensrealitäten in Deutschland. Meine Mutter las das Buch und es prägte sie. Sie übernahm die Selbstbezeichnung Schwarze Deutsche, die May Ayim, Katharina Oguntoye, Abenaa Adomako und viele mehr in Deutschland wählten. »Schwarz« als politische und kulturelle Identität – keine vermeintlich biologische Realität. Wenn Leute mich fragten, was ich sei, erklärte ich stets, ich sei Togolesin und Deutsche. So hatte es mir mein Vater beigebracht.

      In den sozialen Medien wird regelmäßig heftig diskutiert, ob Menschen mit einem weißen und einem Schwarzen Elternteil überhaupt Schwarz sind. Eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Die Auseinandersetzungen zeigen: Von einem Konsens sind wir weit entfernt. Ich kann nicht sagen, ob es in Ordnung ist, wenn biracial2 Schwarze Menschen sich lediglich Schwarz nennen. Was ich aber tun kann, ist, darüber nachzudenken, inwiefern ich in meinem Leben von meinem eigenen Weißsein profitiert habe.

       DIE MACHT DES WEISSSEINS

      Der europäische Kolonialismus schuf eine Hierarchie, die weiße Menschen an die Spitze stellt und Schwarze Menschen ganz nach unten. Das bedeutet: Biracial Schwarze Menschen haben einen Vorteil, wenn einer ihrer Eltern weiß3 ist. Ich erinnere mich an den Moment, in dem mir bewusst wurde, dass Schwarze Menschen unterschiedlich behandelt werden. Es war im Urlaub in Lomé. Ich muss sechs Jahre alt gewesen sein. Als ich an der Hand meiner Oma über den Markt Assigamé eilte, um die Zutaten fürs Abendessen zu kaufen, und die Blicke meiner Landsleute mich auf jedem Schritt begleiteten. »Yovovi, Yovovi« riefen sie mir auf Mina über den gesamten Markt hinterher. Kleine Weiße. Bis dahin hatte mich noch nie jemand weiß genannt. Und wenn mich in Deutschland Blicke verfolgten, geschah es nicht mit Begeisterung. Die Kinder der Nachbarschaft wollten unbedingt mit mir spielen. Ich war etwas Besonderes, weil ich aus Europa angereist war, aber auch weil meine Haut heller war als ihre. Wie sehr die Macht des Weißseins über nationale und kontinentale Grenzen hinausgeht – hier merkte ich es zum ersten Mal.

      Auch in anderen Momenten in meinem Leben profitierte ich davon, eine weiße Mutter zu haben. Der Rassismus, den ich mit ihr an meiner Seite erlebte, war ein anderer als der Rassismus, der mir mit meinem Schwarzen Vater entgegenschlug. Mit meiner Mutter wurde ich in der Berliner U-Bahn wohlwollender angeschaut: Was für ein süßes kleines Schokokind – Café au lait. Mit meinem Vater erntete ich viel aggressivere Reaktionen. Auch das N-Wort fiel regelmäßig. Vor einem Jahr sprach ich mit meiner Freundin Kelly darüber. Kelly ist ein Jahr älter. Sie ist, wie ich, Berlinerin und nur ein paar Kilometer von mir entfernt aufgewachsen. Ihre Eltern kamen beide in den 1980er-Jahren aus Ghana nach Deutschland. »Meine Eltern sind Schwarz und sprechen nicht so gut Deutsch. Sie konnten mich in der Schule nicht so schützen und verteidigen wie weiße Elternteile. Diesen Vorteil hatte ich nicht.« Schwarze Kinder werden in diesem Land systemisch diskriminiert. Deutschland hat ein Rassismusproblem, das sich auch in unseren Bildungsinstitutionen widerspiegelt. Eltern, die selbst das deutsche Schulsystem durchlaufen haben, können ihre Kinder besser unterstützen und schützen. Auch ein deutscher Nachname kann ein Vorteil sein. Studien belegen, dass Menschen mit einem ausländisch klingenden Namen auf dem Wohnungs-